Modell Aviator — Oktober 2017

(Barré) #1

Michal Šíp ist in Jagdstimmung


Schnitzel und


Schnäppchen


Unsere Kindergärten machen gerade – Anfang August– die Tore auf; es wird zur
ersten Schnitzeljagd des ersten Geburtstagkinds geblasen. Und die Alten, aus dem
Sommerurlaub zurück (aus welchem Sommer, fragen sie) stolpern direkt in die
Schnäppchenjagd, den Sommerschlussverkauf.

Szene | Kolumne
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Ip-Lehre

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112 10/2017


Wie viel einfacher war es früher! Sommerschlussver-
kauf und Winterschlussverkauf, fertig. Die Schnäpp-
chenjäger stellten sich um 5 Uhr morgens vor dem
Kaufhaus in die Schlange, ergatterten um neun
sowieso nichts mehr und hatten ein paar Monate
wieder Ruhe. Heute, in postmodernen, postfaktischen
Zeiten heißt es: Anything goes. Eine Schnäppchen-
jagd jagt die andere. Schlussverkauf, Ausverkauf,
Abverkauf, Räumungsverkauf, Fabrikverkauf, ein An-
lass findet sich immer. Nach dem Motto: Kaufen Sie
zwei Schuhe, einen dritten kriegen Sie gratis dazu.
Ich bin relativ immun, weil ich Einkaufen grundsätz-
lich hasse. Aber manchmal packt es mich auch. Habe
einen schönen Pullover gesehen, für einen Hunderter.
Ich schlich herum und kaufte natürlich nicht. Eine
Woche später der Knaller: SSV, um die Hälfte billiger.
Ich kaufte gleich zwei. Ein Schnäppchen, oder? Ich
hüpfte wahrscheinlich vor Freude, da fiel das Handy

beim Packen aus der Tasche. Ein neues Display: Auch
ein Hunderter. Ein Minusschnäppchen, sozusagen.
Und eigene Dummheit. Mit SSV bin ich vorerst durch.

Doch wir Modellflieger werden ja andauernd von
Schnäppchen verfolgt, eigentlich sind wir die Gejag-
ten. Kaum klickt man was im Internet an, schon geht’s
los. Auch hier bin ich etwas immun, meide Auktion-
Portale, Direktversender aus China, auch beide welt-
berühmte weltweit operierende Megadiscounter. Was
mir schon manchmal schwerfällt, ich gebe es zu.

Ein Schnäppchen machte ich vor 4 Jahren in den
USA. Ich ließ mir einen damals hochgelobten Motor
mitbringen, Innenläufer, Getriebe, 1,25 Kilowatt. In
den USA um die Hälfte billiger als bei dem damals
einzigen Importeur hier. Mein Segler wurde zur Rakete,
mindestens 20 Mal hochgestiegen. Dann war das
Ritzel im Getriebe ab. Beim genauen Hinschauen zeigte
sich, dass der kalifornische Motor eigentlich „made in
Mexico“ ist und nicht so ganz super in Verarbeitung.
Auf Anfragen nach Service in den USA gab es keine
Antwort und der Importeur importiert nicht mehr (ich
ahne, warum). Vielleicht wurde meine Mail nach Mexi-
ko weitergeleitet und das geht nicht, wegen der Mauer
oder was weiß ich – ich habe genug von dem Motor.
Irgendwie auch so ein Minusschnäppchen.

Meine letzte Schnäppchen-Story liegt gerade zwei Wo-
chen zurück und war durch und durch deutsch. Ein
sparsamer Freund aus dem Ausland bat mich, für ihn
ein Modell zu besorgen. Kein Problem, ein, zwei Klicks
und schon war ich 20,– Euro billiger als der Katalog.
Der Versender brachte den Kasten sogleich zur Spe-
dition, die mir umgehend die Nummer zur simultanen
Paketverfolgung sandte und schon einen Liefertermin
nannte. Ich wartete den ganzen Freitag, wäre lieber auf
dem Flugplatz gewesen. Niemand kam, kein gelbrotes
Auto, kein Anruf, nichts. Fünf Tage später ein neuer
Termin. Wieder Freitag, wieder ohne ein gelbrotes
Auto vergangen. Auch Modellflugzeuge verschwinden
im Bermuda-Dreieck, dachte ich, während der Freund
seine Ankunft meldete. Eine neue Mail trudelte ein,
Termin Samstagnachmittag. Ich blieb lieber schon
vormittags zu Hause. Und tatsächlich, drei Stunden
früher als angesagt kam das Paket, zehn Tage nach
der Bestellung. Mein Händler, dem ich danach meine
Schnäppchen-Eskapaden beichtete, meinte lapidar:
Bei mir hättest du am dritten Tag das Ding abholen
können und bei deinem Schnäppchenpreis hätte ich
locker mitgezogen .... ‹‹‹‹‹
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