Ist der zweite Flug zur Internatio-
nalen Raumstation genauso auf-
regend wie der erste, oder ist das
schon fast ein bisschen Routine?
Routine darf es nicht werden. In der
Raumfahrt arbeiten wir an der Grenze
des technologisch Machbaren. Man
muss sich immer den Respekt davor
bewahren. Das stellt sich auch automa
tisch ein, wenn man auf einer Rakete
mit 300 Tonnen Treibstoff sitzt. Klar,
ein Teil der Aufregung ist weg – die
Anspannung vor einem Flug, weil man
nicht weiß, was auf einen zukommt.
Diese Gedanken kann ich nun getrost
beiseite schieben. Ich freue mich
darauf, dass ich jetzt Kapazitäten frei
habe, einige Dinge bewusster wahr
zunehmen. Die Geräusche bei meinem
ersten Start habe ich zum Beispiel
komplett vergessen.
Was ist bei der Mission 2018
anders als 2014?
Zum einen werde ich auf dem Pilotensitz
der Sojus fliegen, das ist der linke Sitz
neben dem Kommandanten der Kapsel.
Dafür gibt es zusätzliches Training. Im
Prinzip habe ich das ganze Jahr 2016
damit verbracht, mich in die Tiefen und
Details des Flugkontrollsystems einzu
arbeiten, um zu lernen, wie man eine
SojusKapsel steuert. Das geht so weit,
dass ich mit zwei Joysticks an der Raum
station andocken oder die Kapsel manu
ell in die Atmosphäre fliegen muss.
Das übt man auch in der Zentrifuge bei
5 oder 6 g Beschleunigung. Das ist nicht
ganz einfach, es macht aber riesigen
Spaß, so ein Raumschiff komplett ken
nenzulernen. Zum anderen werde ich in
der zweiten Hälfte meiner Mission
Kommandant auf der ISS sein. Schon im
Training bin ich nicht nur für mich selbst
zuständig, sondern auch für meine Crew.
Das ist eine spannende Aufgabe.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem
bisherigen Trainingsstand?
Sehr zufrieden. Für mich ist es jetzt
leichter, weil ich einschätzen kann, was
wichtig ist. Vor dem ersten Flug war das
schwierig. Im Training bekommt man
sehr viele Informationen, und man muss
selbst entscheiden, worauf es ankommt.
Es ist aber nicht so, dass wir die Füße
auf den Schreibtisch legen, es sind im
mer noch ZwölfStundenArbeitstage.
Ihre letzte Mission hieß „Blue Dot“
und war mit einer klaren Botschaft
verbunden. Wie wird das 2018
sein?
Wir haben uns schon einen Namen
überlegt, er wird allerdings erst im April
2017 bekannt gegeben. Aber es geht da
rum, dass wir zeigen, wie wichtig die
Raumstation für unsere Erde ist, dass
wir wichtige Erkenntnisse zurückbrin
gen. In jedem Wissenschaftszweig gibt
es eine Lücke, weil man bestimmte Din
ge aufgrund der Gravitation nicht auf
der Erde erforschen kann. Die Raum
station ist das einzige Labor, wo wir
diese Experimente durchführen können.
Die zweite Botschaft ist, dass die Raum
station auch unser erster Schritt weiter
in den Kosmos ist. Dort testen wir
Lebenserhaltungssysteme, die wir brau
chen, wenn wir zum Mond oder zum
Mars fliegen wollen.
Die ISS kann wohl maximal bis
2028 betrieben werden. Wie geht
es danach weiter?
Die europäische Raumfahrtagentur hat
dafür schon Pläne. Einer davon ist das
OrionModul, das die ESA zusammen
mit der NASA baut. Die ESA ist für das
Antriebsmodul verantwortlich. Es ist
das erste Mal, dass die Amerikaner bei
einem solchen Explorationsvehikel einen
internationalen Partner auf den kriti
schen Pfad gelassen haben. Das ist ein
schönes Kompliment, aber für uns auch
eine Möglichkeit, weiter in den Welt
raum zu fliegen. Das alleine ist aber
noch kein Programm, das groß genug
wäre. Deshalb untersucht die ESA gera
de, welche Elemente man mit Partnern
der internationalen Explorationsstrate
gie bauen könnte: ein Habitat, das man
im Weltraum auf dem Weg zum Mond
„parken“ kann, oder eben auch Habitate
auf dem Mond selbst.
Wie sehen Sie vor diesem Hinter-
grund die Rolle Chinas? Als
Konkurrenz oder als potenziellen
Kooperationspartner?
Beides. Konkurrenz belebt das Geschäft.
Die Chinesen machen große Schritte,
und ich finde das gut. Letztendlich ar
beiten wir für dasselbe Ziel. Im Moment
ist das noch eher ein Wettlauf, aber die
ESA hat schon immer gesagt, dass sie
offen ist für Kooperationen. Ich sehe
künftige Weltraumexploration als inter
nationale Zusammenarbeit. Es wäre
schön, wenn alle mit dabei wären.
Was ist Ihr persönlicher Traum als
Astronaut?
Im Mai 2016 wurde der ESA-Astronaut Alexander Gerst für seine zweite Langzeitmission im All nominiert.
2018 wird der 40-Jährige als erster Deutscher auf der ISS das Kommando führen. Im Interview spricht der
gebürtige Künzelsauer über sein Training, die Zukunft der ISS und seine Ambitionen als Raumfahrer.
Foto: ESA
„Ein Flug zum
Mond oder zum
Mars, das wär’s!“
14 FLUG REVUE F E BRUA R 2017 http://www.flugrevue.de
VIP-Interview