Aero International Mrz 2017

(Nancy Kaufman) #1
3/2017 http://www.aerointernational.de 31

Fotos: DortmunD Airport / FLuGHAFEn KöLn/Bonn / FLuGHAFEn münCHEn

brüche zu einst klassischen, heute krisenge-
schüttelten Urlaubszielen wie beispielsweise
in der Türkei oder in Nordafrika als Ursache
für die negative (Salzburg hat mit - 4,9 Pro-
zent und Linz mit - 17,8 Prozent abgeschlos-
sen) bis schwach-positive (Innsbruck legte
um 0,5 Prozent und Graz um 1,9 Prozent zu)
Entwicklung der Fluggastzahlen angeführt.
Und vor solchen Problemen war selbst
der größte Airport Österreichs nicht gefeit:
„Geopolitische Krisensituationen wie in der
Türkei oder Russland sind auch am Standort
Wien nicht spurlos vorübergegangen“, resü-
miert Julian Jäger, Vorstand der Flughafen
Wien AG. Starke Passagierzuwächse vor al-
lem dank der Low-Coster wie EasyJet oder
Eurowings hätten jedoch zu einem weiteren
Rekordjahr geführt, das letztlich mit einem
Plus von 2,5 Prozent auf 23,4 Millionen Pas-
sagiere abgeschlossen wurde.
Auch in der Schweiz wird das Wachstum
in erster Linie vom wichtigsten Hub des
Landes, dem Zürcher Airport, getragen,
dessen CEO Stephan Widrig beim Rück-
blick auf 2016 angesichts des erreichten Pas-
sagierrekords von 27,7 Millionen Fluggästen
natürlich von einem guten Jahr spricht. Und
immerhin: Der Flughafen deckt mehr als 50
Prozent der Schweizer Lutfahrt ab, ist er
doch „das einzige Interkontdrehkreuz der
Schweiz. Die Nachfrage nach Lutverkehr
steigt stetig“, wie der Flughafenchef versi-
chert. Allein hier kletterten die Passagier-
zahlen um 5,3 Prozent in die Höhe.
Ebenso können Genf mit 16,5 Millionen
Passagieren (+ 4,8 Prozent) und der Basler
EuroAirport mit 7,3 Millionen Flugreisen-
den (+ 4,0 Prozent) neue Höchstwerte mel-


den. Somit scheint die Frage gerechtfertigt:
Ist die Schweiz eine Insel? Ganz sicher nicht.
Natürlich sei auch hier das Umfeld schwie-
rig, ist aus Basel zu hören. Die allgemeine
Wirtschatslage habe sich abgeschwächt, da-
rüber hinaus wolle auch von hier aus kaum
noch jemand in die Türkei oder nach Nord-
afrika liegen. Insgesamt sei der Verkehr
nach Marokko, Ägypten und Tunesien seit
2013 sogar um 50 Prozent zurückgegan-
gen, rechnet der Flughafen vor. Doch der
EuroAirport ist ein Industriestandort im
Dreiländereck Schweiz, Deutschland sowie
Frankreich und Genf Heimat von zahlrei-
chen internationalen Organisationen wie
den Vereinten Nationen, somit ist der Ge-
schätsreiseanteil nicht zu unterschätzen.
Mehr noch als Genf kann Basel aufgrund
seiner geograischen Lage davon proitieren,

dass in der Schweiz keine Lutverkehrssteu-
er erhoben wird. Eine Gemeinsamkeit gibt
es hingegen: An beiden Standorten ist mit
der EasyJet eine Low-Cost-Airline von Rang
ausgesprochen stark vertreten.

Trendumkehr fesTsTellbar
Wie zum Beweis dafür, dass sich Low-
Cost zum Branchenstandard mausert, wie
Kölns Flughafenchef Michael Garvens zu
wissen glaubt, legten auch in Deutschland
entsprechend ausgerichtete Standorte wie
Köln/Bonn (+ 15,2 Prozent) oder Berlin-
Schönefeld (+ 36,7 Prozent) deutlich höhere
Wachstumsraten vor als andere Flughäfen.
Selbst die Fluggastzahlen am Hamburger
Flughafen kletterten insbesondere dank der
sich hervorragend entwickelnden Günstig-
luganbieter auf die neue Jahresbestmarke
von 16,2 Millionen Reisenden.
Doch wirklich überraschend sind diese
Ergebnisse nicht: „In den beiden vergange-
nen Jahren haben wir eine Trendumkehr bei
den absoluten Wachstumszahlen an deut-
schen Flughäfen beobachten können“, be-
richtet Ralph Beisel, Hauptgeschätsführer
des Flughafenverbandes ADV. „Waren bis
2014 vor allem die Hub- und Drehkreuzlug-
häfen die Wachstumsmotoren, wurde 2015
und 2016 das zahlenmäßig höchste Wachs-
tum an den sogenannten Sekundärairports
generiert.“ Diese zeichnen sich durch ein
starkes Einzugsgebiet und einen hohen An-
teil an Punkt-zu-Punkt-Verkehren aus. Und
eben dort waren die Wachstumstreiber laut
Beisel in erster Linie die Low-Cost-Airlines.
Die kleineren Flughäfen zwischen Ost-
see und Alpen, Rhein und Oder haben es
da schon schwerer und waren zumeist wie
das Gros der österreichischen Kollegen von
Einbrüchen im touristischen Verkehr stark
betrofen, weil diese Verkehre hier überpro-
portional vertreten sind.
Als weitere Wachstumsbremse haben sich
Arbeitskämpfe unter anderem im Luthan-
sa-Konzern oder bei TUIly entpuppt. Pro-
fessor Georg Fundel, Flughafenchef in Stutt-
gart, ist sich sicher: „Ohne die vielen Streiks
bei Piloten, Flugbegleitern oder dem Sicher-
heitspersonal wäre das Wachstum noch po-
sitiver ausgefallen.“
Die ADV ärgerte zudem, dass Deutsch-
land in der jüngeren Vergangenheit ins-
besondere Chancen im Interkont-Verkehr
nicht habe nutzen können, so Beisel. So
wurde der Nachfrage ausländischer Air-
lines nicht entsprochen, weil schlichtweg die
Verkehrsrechte gefehlt hätten. Und auch die
eigenen Airlines könnten aufgrund der laut
Beisel „ausufernden Lutsicherheitskosten,
der wettbewerbsverzerrenden Lutverkehrs-
steuer oder der restriktiven Beschränkungen

„nur wenn die
Akzeptanz von in-
frastrukturmaß-
nahmen steigt
und die Bedeu-
tung der mobili-
tät für die wirt-
schaftliche prosperität erkannt
wird, können wir im internatio-
nalen Wettbewerb bestehen.“

udo mager
Geschäftsführer Flughafen Dortmund

der flughafen köln/bonn (+ 15,2 Prozent) zählt zu den wachstumsstärksten in deutschland

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