Aero International Mrz 2017

(Nancy Kaufman) #1
34 http://www.aerointernational.de 3/2017

AIRPORT


EXTRA


Foto: FlughaFen Köln/Bonn

Aero: Treten Sie die Nachfolge in für die
Flughäfen guten oder eher schwierigen
Zeiten an?
Michael Garvens: ich freue mich auf
mein erstes Jahr als aDv-Präsident und
blicke mit Zuversicht in die Zukunt. Der
lutverkehr ist eine Wachstumsbranche.
Unsere Flughäfen sind hochleistungsfähige
infrastruktureinrichtungen und gewährleis-
ten die vernetzung mit den internationalen
Wirtschats- und Warenströmen. Gleich-
zeitig sind wir ein unverzichtbarer regio-
naler arbeitgeber und Wirtschatstreiber.
aus der sicht der deutschen Flughäfen gibt
es vieles zu tun, um den lutverkehrsstand-
ort Deutschland zukuntssicher aufzustel-
len und geeignete rahmenbedingungen zu
schafen. hier sehe ich meinen persönlichen
Beitrag als aDv-Präsident.

Welchen Stellenwert haben die deutschen
Standorte Ihrer Meinung nach im interna-
tionalen Vergleich?
Mobilität ist ein Grundbedürfnis unserer Ge-
sellschat. aktuell werden von Deutschlands
Flughäfen mehr als 600 Flugziele in 110 län-
dern angeboten. Doch möchte Deutschland
am weltweiten Wachstum im lutverkehr
teilhaben, darf es keine Marktabschottung
geben. Flughäfen gewinnen ihren Wert für
region, Wirtschat und Tourismus durch ihre
Konnektivität. hierzu tragen neben unseren
eigenen airlines wie luthansa, air Berlin,
condor und TUily noch über 250 Flugge-
sellschaten bei. sie sind auf verkehrsrechte
angewiesen. Weil die verkehrsrechte aktuell
teilweise nur restriktiv vergeben werden, lan-
den ausländische carrier zunehmend an den
Flughäfen in den europäischen nachbarstaa-
ten. Deutschland kann dadurch nicht in vol-
lem Umfang vom weltweiten Wachstum des
lutverkehrs proitieren. Dies beeinträchtigt
unsere Wirtschat im globalen Wettbewerb.
vergessen wir bitte nicht: Die verfügbarkeit
von interkontinentallügen ist ein wichtiger
Faktor für die standortentscheidungen von
Großunternehmen.

„KeIne MaRKt aBSChottung“


Der Kölner Flughafenchef Michael garvens
hat am 1. Januar seinen Münchner Kollegen
Dr. Michael Kerkloh als Präsidenten der
arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrs-
lughäfen (aDV) abgelöst. In dieser Funktion
stellte er sich den Fragen von astrid Röben

gen erfordert. andererseits bedarf es mutiger
entscheidungen, die insbesondere gegenüber
Umwelt- und Finanzpolitikern durchzuset-
zen sind. ein lutverkehrskonzept ist kein
selbstläufer. es ist ein hartes stück arbeit. als
aDv-Präsident werde ich mich dafür einset-
zen, dass die eckpunkte des lutverkehrskon-
zepts auch umgesetzt werden. Dazu gehören
der bedarfsgerechte ausbau von infrastruk-
tur, die rechts- und Planungssicherheit von
bestehenden Betriebsgenehmigungen und
damit einhergehend die ablehnung eines lä-
chendeckenden nachtlugverbots.

Gibt es Eckpunkte in dem Konzept, die
noch einmal überdacht werden sollten?
Der Wirtschatsstandort Deutschland pro-
itiert von einem Flughafensystem, in dem
sich kleinere und mittlere Flughäfen mit den
Großlughäfen und Drehkreuzen sinnvoll
ergänzen. es war richtig, die Flughäfen von
bundespolitischer Bedeutung festzulegen. auf
der anderen seite kommt mir die Würdigung
der kleineren Flughäfen mit ihrer Bedeutung
für die regionale anbindung zu kurz. auch
proitieren die kleineren standorte nicht von
der absenkung der Flugsicherungsgebühren
um 200 Millionen euro. im Gegensatz zu den
größeren Flughäfen, wo die DFs die Flugsi-
cherung übernimmt, müssen die kleineren
standorte ihre Towerkosten selbst tragen. Das
stellt für sie eine zusätzliche wirtschatliche
Belastung dar. auf diesen Wettbewerbsnach-
teil möchte ich hinweisen.

Wie stehen die Chancen, dass die Luftver-
kehrssteuer abgeschafft wird?
Die lutverkehrssteuer ist eine hausgemachte
Wettbewerbsverzerrung, die wie ein Mühl-
stein an den deutschen Flughäfen hängt. sie
produziert in Deutschland nur verlierer:
die deutsche Wirtschat, denn die lutver-
kehrssteuer ist eine Wachstumsbremse; den
deutschen Fiskus, denn die einnahmen aus
dieser Zusatzsteuer halbieren sich de facto
aufgrund der einnahmeverluste bei Bund,
ländern und Gemeinden durch verlangsam-
tes Wachstum der Passagierzahlen an Flug-
häfen. verlierer sind aber auch die deutschen
airports, weil mehrere Millionen Passagiere
Jahr für Jahr aufgrund von angebotsverlage-
rungen auf grenznahe ausländische Flughäfen
ausweichen, und die deutschen airlines, die
die Mehrkosten, die ihnen durch diese steuer
entstehen, wettbewerbsbedingt nicht an ihre
Kunden weitergeben können. Für eine ab-
schafung ist es also höchste Zeit.

Stellt das Thema Sicherheit für Flughäfen
künftig eine besondere Herausforderung
dar?
sicherheit hat im lutverkehr oberste Priorität
und ist außerdem ein hochkomplexer inter-
nationaler vorgang. Die Terror-anschläge an
den Flughäfen Brüssel und istanbul im März
und Juni 2016 haben die sicherheitsdebatte in
Politik und Medien in den vordergrund ge-
rückt. erforderlich ist ein abgestimmtes und
glaubwürdiges handeln von sicherheitsbe-
hörden, der Bundespolizei und den Flugha-
fenbetreibern. ein besonderes spannungsfeld
liegt im Passagierverkehr zudem darin, dass
nicht nur sicherheit gewährleistet werden
muss, sondern ein eizienter und kundeno-
rientierter Betriebsablauf unverzichtbar ist.
Kontrolle, Kosten und Komfort bilden die
eckpunkte eines spannungsfelds, das es im-
mer wieder neu auszutarieren gilt.

Welche Chancen werden sich den Flug-
häfen kurz- und mittelfristig bieten?
Die nachfrage im lutverkehr wird konti-
nuierlich steigen – von 220 Millionen Pas-
sagieren im Jahr 2016 auf 300 Millionen
Fluggäste im Jahr 2030. Mittelfristig bleibt
es daher unverzichtbar, Flughäfen bedarfsge-
recht wachsen zu lassen und erforderliche Ka-
pazitätserweiterungen realisieren zu können.
insbesondere die Projekte zur Kapazitätsstei-
gerung an den Flughäfen in Frankfurt, Mün-
chen und Düsseldorf bedürfen der klaren Un-
terstützung durch Bund und länder.

Ende 2016 wurden Eckpunkte des seit
Jahren in Arbeit beindlichen Luftver-
kehrskonzepts veröffentlicht, aber eine
Verabschiedung lässt weiterhin auf sich
warten. Warum tut sich die Politik so
schwer damit?
Das lutverkehrskonzept soll die Weichen für
küntige politische entscheidungen stellen,
damit der lutverkehr in seiner Wettbewerbs-
fähigkeit gestärkt wird. ein solches Konzept
bedarf einerseits einer breiten Unterstützung
in der Politik, was umfangreiche abstimmun-
Free download pdf