Aero International Mrz 2017

(Nancy Kaufman) #1

AIRPORT


EXTRA


I


m Spätsommer wächst die Verwirrung.
Immer dann, wenn zunächst die Interna-
tional Air Transport Association (IATA)
und kurze Zeit darauf der Airports
Council International (ACI) die Ver-
kehrsstatistiken mitsamt der Analysen des
abgelaufenen Bilanzjahres veröfentlichen.
Für das Jahr 2015 sprach der internationa-
le Airline-Verband beispielsweise von 3,568
Milliarden beförderten Passagieren, wäh-
rend die Interessensvertretung der Flughä-
fen weltweit 7,2 Milliarden Fluggäste melde-
te. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?
Nun, schaut man der IATA ins Kleinge-
druckte, dann ist die Zahl der Passagiere in
etwa vergleichbar mit der Anzahl der ausge-
stellten Boarding-Pässe. Gezählt wird also
nicht das einzelne Individuum, das von A
nach B oder von A über B nach C liegt, son-
dern vielmehr die Zahl der besetzten Plätze
pro Flug.
Ein Beispiel: Ein Luthansa-Ticket Bremen


  • München – New York, gekaut von einem


Passagierzählung
Wie aus einem einzigen Fluggast auf nur einer Flugreise im Handumdrehen zwei,
vier oder gar sechs Passagiere werden, beweisen Airline- und Airport-Statistiken

EINE REISE DURCH DEN


ZAHLEN-DSCHUNGEL


FOTO: FLUGHAFEN MüNCHEN

Bremer Weltenbummler, bedeutet für die-
sen Passagier zwei einzelne Flüge. Deshalb
zählt die Airline zwei Passagiere, obwohl
nur eine Person gelogen ist. Würde dersel-
be Passagier in New York erneut umsteigen
und zum Beispiel mit United Airlines nach
Chicago weiterliegen, kommen die beiden
Star-Alliance-Partner bereits zusammenge-
rechnet auf drei Passagiere.

Daten sinD anonymisiert
Nicht kleckern, sondern klotzen, lautet da-
gegen die Devise bei den Flughäfen. In der
Gesamtstatistik der Airports taucht der in
Bremen gestartete Fluggast gleich viermal
auf: In der Hansestadt wird er als ablie-
gender Passagier, im Erdinger Moos als an-
kommender und abliegender Fluggast und
in New York als ankommender Passagier
gezählt. Weitere Zählungen als abliegender
und ankommender Passagier kämen bei der
eventuellen Weiterreise nach Chicago hin-
zu. In diesem Fall wären aus einem einzigen

reisefreudigen Norddeutschen bereits sechs
Personen geworden. Sigmund Freud hätte
seine helle Freude an diesem Phänomen ge-
habt ...
Ein Irrsinn? Vielleicht auf den ersten
Blick. Denn beim genaueren Hinsehen of-
fenbart sich, warum Flughäfen nur so zäh-
len können. Sämtliche Daten, die die Air-
ports erheben, sind anonymisiert. Niemand
dort weiß, wie unser Bremer heißt und wo-
hin seine Reise letztlich führen wird. „Wir
erhalten keinerlei Informationen von den
Fluggesellschaten, sondern lediglich von
den Handlingunternehmen die Beladungs-
zahlen der abgefertigten Flugzeuge, sprich
die Meldung über die Anzahl der ausge-
stiegenen beziehungsweise eingestiegenen
Passagiere“, bestätigt Doris Anderl, Leiterin
Flugplan, Marktforschung und Prognose
der Flughafen München GmbH. So will es,
zumindest in Deutschland, das Statistische
Bundesamt, das sich wiederum auf gelten-
des Bundesrecht berut, und daran halte
man sich natürlich.
Grundlage dieser statistischen Arbeit ist
das Verkehrsstatistikgesetz (VerkStatG)
in der Fassung der Bekanntmachung vom


  1. Februar 2004. Darin festgelegt ist auch,
    wie mit Transitpassagieren zu verfahren
    ist, also jenen Fluggästen, die nicht aus-,
    ein-, also umsteigen (wie die sogenann-
    ten Transferpassagiere), sondern die bei
    einem Zwischenstopp auf einem Flugha-
    fen an Bord des Flugzeuges sitzen bleiben:
    „Obwohl sie auf unserem Flughafen ange-
    kommen sind und wieder abliegen wer-
    den, zählen wir die Durchreisenden nur
    einmal“, berichtet Anderl. Denn sie durch-
    laufen nicht den Abfertigungsprozess im
    Terminal. Der Anteil der Sitzenbleiber ist
    jedoch verschwindend gering. Der Flug-
    hafen München zählte beispielsweise im
    vergangenen Jahr lediglich rund 90 000
    Transitpassagiere, dagegen aber etwa 15,2
    Millionen Umsteiger bei einer Gesamt-
    Passagierzahl von 42,3 Millionen ein- und
    ausgestiegenen Fluggästen.


Astrid Röben

im gegensatz zu den Fluggesellschaften kommen die Flughäfen (im Bild der münchner
airport) bei der Passagierstatistik auf die doppelte anzahl an Fluggästen

3/2017 http://www.aerointernational.de 35
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