Aero International Mrz 2017

(Nancy Kaufman) #1
3/2017 http://www.aerointernational.de 51

INDUSTRIE & TECHNIK


D


er Anruf kam kurz vor Feierabend.
Der Autrag: ein gegroundetes
Verkehrslugzeug so schnell wie
möglich wieder startklar machen.
Das Problem: Nach einem Blitz-
einschlag zeigte der Kompass im Cockpit
um bis zu 110 Grad falsch an. Der Start ei-
nes weiteren „Blitzeinsatzes“ für die Notfall-
Spezialisten der Firma Maurer Magnetic im
Schweizerischen Grüningen.
Blitzeinschläge in Flugzeuge sind gar
nicht so selten. Nach Angaben der US-Lut-
fahrtbehörde FAA wird jedes Verkehrslug-
zeug mindestens einmal im Jahr von einem
Blitz getrofen, in 95 Prozent der Fälle beim
Durchliegen von Wolken in einer Höhe
zwischen 1500 und 4500 Metern. Weil die
elektrisch leitende Struktur des Flugzeugs
wie ein Faradayscher Käig wirkt, bleiben
die elektrischen Entladungen meist ohne
Folgen für Insassen oder Festigkeit. Turbu-
lenzen gelten als die große Gefahr, die für
die Fliegerei von Gewittern ausgeht.
Allerdings können die hohen elektrischen
Felder bei einer Blitzentladung verborgene
Folgen haben: Sie können Metalle magne-
tisieren. So war es auch im vorliegen Fall:
Der Blitz trat in den Rahmen des Cockpit-
fensters ein. Äußerlich zeugte nur eine klei-
ne schwarze Stelle vom Einschlag, doch der
Standby-Kompass wies danach erhebliche
Abweichungen auf.
Ein Entmagetisierungs-Spezialist von
Maurer Magnetic machte sich mit einem

Entmagnetisiergerät des Typs DM 200-PC
sowie einer Auswahl an lexiblen Kabelspu-
len auf den Weg. Durch sie wird ein elektri-
scher Strom geschickt, der unterschiedliche,
auch große Bauteile vor Ort entmagnetisiert.
Dabei wird die durch den Blitz erzeugte ma-
gnetische Ausrichtung wieder neutralisiert.

Ein StörfEld iSt Schuld
Am Ziel begann der Blitz-Fachmann so-
gleich mit der Fehlerdiagnose am Flug-
zeug. Zuvor hatten Wartungstechniker der
Fluggesellschat mit deren Entmagnetisier-
einrichtungen keinen Erfolg gehabt. Die
Ausprägung des Magnetismus am Fenster-
rahmen war ein weit streuendes Magnetfeld.
Feststellen lässt sich dies mit einem tragba-
ren Magnetkompass. Das Störfeld mit Spit-
zenwerten von zehn Gauss führte zur Devi-
ation des Kompasses.
Zur Erzeugung des magnetischen Wech-
selfelds, mit dem die Magnetisierung des
Cockpitrahmens neutralisiert wurde, diente
eine Spezialspule. Sie wurde mit einem Kran
entlang der Rahmen aller neun Cockpitfens-
ter geführt. 30 Entmagnetisierpulse waren
insgesamt nötig, um sie gründlich zu ent-
magnetisieren.
Ein abschließender Test des im Cockpit
eingebauten Standby-Kompasses auf dem
Vorfeld ergab: Die Fensterrahmen waren
restlos von Magnetismus befreit, die Kom-
passnadel wies nun keine aufällige Devia-
tion mehr auf. „Es ist wichtig, alle Bereiche

von Magnetismus in einer Baugruppe voll-
ständig zu eliminieren. Bleibt Restmagne-
tismus zurück, kann es zu einer Re-Magne-
tisierung des gesamten Bautails kommen“,
erklärt Albert Maurer, Geschätsführer der
Firma.
Nahezu zeitgleich mit der Abreise des Ent-
magnetisier-Spezialisten begannen bereits
die Vorbereitungen der Fluggesellschat, um
die Maschine für den weiteren Verkehrsbe-
trieb startklar zu machen.
Frank Littek

EntmagEtiSiErung
Eigentlich sind Flugzeuge als so genannter Faradayscher Käig vor Blitzschlag
geschützt. Dennoch kann ein Einschlag Schäden verursachen: durch Magnetismus
infolge der starken elektrischen Felder bei der Entladung

FEHLANZEIGE


NACH DEM BLITZSCHLAG


die hauptgefahr beim flug
in gewitter sind turbu-
lenzen. aber auch Blitze
können Schaden anrichten

die Spule zum Entmagnetisieren
wird an den rahmen des
cockpitfensters geführt

FOTOS: MAURER MAGNETIC
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