Aero International Mrz 2017

(Nancy Kaufman) #1
3/2017 http://www.aerointernational.de 79

In einer Vickers VC10
von BOAC bedient der Navi­
gator den Periskop­Sextanten

Viele Boeing 707 hatten
eine Öffnung in der Cockpit­
decke, in die ein spezieller
Periskop­Sextant passte

An bord von düsenjets nutZte


der nAvIGAtor eInen PerIsKoP-


seXtAnten In der CoCKPIt-deCKe


ungenaue Funkpeilungen, trit man alle
auch bei der Flugnavigation an, meist in in-
tensiverer Form.“
Sikorsky-Flugboote haben noch keine
Druckkabine und liegen in geringen Hö-
hen, sodass sich die Navigatoren nur bei
halbwegs wolkenfreiem Himmel an den
Sternen orientieren können. Turbulenzen
erschweren die Arbeit. Noonan, im Ersten
Weltkrieg auf Handelsschifen dreimal von
deutschen U-Booten versenkt, kann nicht
ahnen, dass er seinen Beruf in der Lut mit
dem Leben bezahlen sollte. Im Sommer
1937 heuert ihn die Rekordliegerin Amelia
Earhart für eine Weltumrundung mit einer
Lockheed Model 10 Electra an. Am 2. Juli
bricht die Crew von Lae (Neuguinea) zur
Howlandinsel im Paziik auf. Fred Noonan
übermittelt um 8.40 Uhr eine Position an
das vor der Insel liegende Schif Itasca; dann
bricht der Funkkontakt ab. Die Electra und
ihre Insassen werden nie mehr gesehen.


DER ALMANACH DER LüFTE
Grundlage der Astro-Navigation ist ein
Denkmodell, nach dem sich die Himmels-
körper im gleichen Abstand zum Betrachter
auf einer „Hülle“ um die Erde zu beinden
scheinen. Stern X steht zur Zeit Y genau über
einer Position am Boden, die – für ein Jahr
im Voraus berechnet – im „Air Almanac“
veröfentlicht ist. Der Navigator misst mit
dem Sextanten den Winkel (Deklination)


zwischen Gestirn und Horizont und berech-
net anhand der Almanach-Daten und so ge-
nannter Sight Reduction Tables die Position.
Besonders wichtig wurde die Astronavigati-
on, als Langstreckenlüge immer öter über
die Nordpolarregion führten: In der Nähe
des magnetischen Nordpols ist der Magnet-
kompass nicht mehr brauchbar.
Viele Flugzeuge besaßen in den vierziger
und fünfziger Jahren eine Plexiglas-Sextan-
tenkuppel. Weil sie besonders bei den höhe-
ren Geschwindigkeiten der Jets doch erheb-
lichen Lutwiderstand verusachte, kamen
später Periskop-Sextanten der Firma Kolls-
man in den meisten zivilen und militäri-
schen Langstreckenlugzeugen zum Einsatz.
Bei ihnen ragt nur das Ende einer kleinen
Röhre ins Freie, das Sternenlicht wird über
Spiegel zum Sextanten gelenkt. Das „Sterne-
schießen“ dauert für geübte Crews inklusive
der Berechnungen nur etwa zehn Minuten.
Boeing 707 und frühe 747 hatten ebenso
die Periskop-Öfnung im Cockpitdach wie
Douglas DC-8 oder DC-9. Letztere hatte den
Sextanten-Platz bis zum Schluss als Option;
in der vorderen Bordküche war die Öfnung
von der Deckenverkleidung bedeckt.
Abgelöst wurde die Astronavigation in
der Lutfahrt von der Trägheitsnavigation:
In den sechziger Jahren setzen sich spezi-
elle Kreiselsysteme für Langstreckenlüge
außerhalb der Reichweite von Funksignalen
durch. Am Startlugplatz oder beim letzten

Empfang eines Funknavigationssignals wer-
den sie mit einer Ausgangsposition gespeist.
Dann können sie jede weitere Bewegung
des Flugzeugs messen, sodass es selbst nach
Stunden noch möglich ist, eine Position zu
berechnen. Immer wenn wieder ein zuver-
lässiger Standort aus anderer Quelle zur
Verfügung steht, korrigiert das Trägheitsna-
vigationssystem (auf Englisch Inertial Navi-
gation System, kurz INS) mit dessen Hilfe
den sich langsam einschleichenden Fehler.

KüNSTLICHE HIMMELSKÖRPER
Erst seit Mitte der neunziger Jahre verbreitet
sich die weltweite Navigation mit dem Sa-
tellitensystem GPS (siehe Kasten Seite 77).
Doch noch heute wird es in vielen Flugzeu-
gen zusammen mit einem INS verwendet.
Es aktualisiert dessen Berechnung ständig


  • sollte GPS ausfallen, kann das INS weiter
    eine Position liefern.
    Fast 70 Jahre nach der grausigen „Him-
    melfahrt“ George Harts gibt sein Schick-
    sal manchen Zeitgenossen immer noch zu
    denken. Aberglaube ist im Spiel: Hart ver-
    unglückte beim Blick auf die Sterne in einer
    Constellation (zu deutsch „Sternbild“). Das
    Unglückslugzeug hieß „Stern von Holly-
    wood“. Zufall? Heute blicken schlichte An-
    tennen zum Himmel, wenn navigiert wird.
    Die Sterne, nach denen sie sich richten, sind
    künstlich: die Satelliten des GPS-Systems.
    Rolf Stünkel Fotos: Musee AIr FrAnCe (2), deutsCHes MuseuM/sAM (2), roLF stünKeL, bo


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