Aero International Mrz 2017

(Nancy Kaufman) #1
3/2017 http://www.aerointernational.de 81

THE WINDOW SEAT


D


as letzte Januar-Wochenende hat einen Vorgeschmack da-
rauf geboten, was den Fluggesellschaten in den nächsten
vier Jahren blühen könnte. Der neue US-amerikanische
Präsident Donald Trump hatte beschlossen, dass Bürger
aus sieben vorwiegend muslimischen Ländern drei Mo-
nate lang nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Abgesehen davon,
dass die Entscheidung moralisch empörend und politisch sinnlos
war, ist aus Sicht der Lutverkehrsindustrie ein anderer Aspekt be-
achtenswert: Sie selbst wurde, wie auch der gesamte Sicherheitsap-
parat der USA, von jetzt auf gleich vor vollendete Tatsachen gestellt.

Trumps Beschluss folgte zwar seiner Ankündigung. Er hatte
aber seine eigenen Behörden, bei denen viele der Spitzenpositionen
eine Woche nach seinem eigenen Amtsantritt noch nicht einmal be-
setzt waren, nicht darüber in Kenntnis gesetzt, wie genau sein Erlass
umgesetzt werden soll. Niemand hatte Zeit, Ausführungspläne zu
erarbeiten. Allenthalben herrschte deswegen nicht nur Empörung
ob der rassistisch eingefärbten Entscheidung, sondern auch Chaos,
weil jede Einreisestelle nach ihren eigenen Regeln vorging.

Niemand, weder Airlines noch Flugzeughersteller, kön-
nen noch mehr Unsicherheiten vertragen, als es in dem volatilen
Geschät sowieso schon gibt. Doch genau das scheint die Trump-
Administration zu garantieren, weil der neue Präsident nicht auf ra-
tionaler, sondern auf emotionaler und ideologischer Basis Entschei-
dungen trit, ob sie nun sinnvoll sind oder nicht. Auf der Seite der
Fluggesellschaten ist die große Frage, ob die neue Regierung die
Open-Skies-Abkommen fortführen will oder ob sie zu einem pro-
tektionistischen Ansatz zurückkehrt, der Lutverkehrsabkommen
mit einzelnen Ländern zur Folge hätte.

Das Problem ist hierbei nicht nur Trump. Große Fluggesell-
schaten wie Delta, American und United wittern ihre zweite Chan-
ce, mit ihrem Lobby-Kampf gegen die drei Golf-Airlines doch noch
Erfolg zu haben und deren Zugang zum amerikanischen Markt zu

beschränken. Die Obama-Administration hatte die Anträge der
drei Carrier, Konsultationen mit Katar und den Vereinigten Ara-
bischen Emiraten aufzunehmen, freundlich ignoriert und somit
die bisherige Politik der ofenen Märkte fortgeschrieben. Doch wer
Strafzölle für Autoimporte in Aussicht stellt, der ist auch nicht fern
davon, den heimischen Airlines auf ähnliche Art zu helfen. Emirates
hat mit dem jüngst angekündigten Flug von Athen nach Newark
eine wunderbare Vorlage geliefert. Delta, American und United ze-
tern schon wieder laut, obwohl keiner von ihnen nach Athen liegt,
sie also schon deshalb nicht negativ betrofen sein können.

Würde Trumps Verkehrsministerium dem Drängen nachge-
ben, würden am Ende die Passagiere die höhere Rechnung zahlen.
Denn schon jetzt kontrollieren die drei Joint Ventures mit Ameri-
can, Delta und United als amerikanische Partner mehr als 80 Pro-
zent des Transatlantikgeschätes. Die wenigen Alternativen wie
Norwegian oder Emirates werden mit allen Mitteln bekämpt.

Auf der Seite der Hersteller sind ebenfalls Sorgen berechtigt.
Mexiko ist gerade dabei, sich zu einem wichtigen Zentrum der
Zulieferindustrie für die Lutfahrt zu entwickeln. Nun also soll es
Zollgebühren von 20 Prozent auf alle mexikanischen Einfuhren in
die USA geben. Damit ist mit einem Federstrich die Zukunt des
Sektors in Frage gestellt. Airbus hat zwar eine Endmontagelinie in
Mobile, Alabama, aber die ist nur auf bis zu vier Flugzeuge pro Mo-
nat ausgelegt und außerdem nur auf die A320-Reihe beschränkt.
Was also passiert mit den Airbussen, die importiert werden müs-
sen? Werden die küntig auch mit Zöllen belegt, weil sie mit Boeing
einem amerikanischen Hersteller Konkurrenz machen?

Für Boeing könnte Trump zum großen Problem werden, und
nicht nur, weil er die neue Air Force One für überteuert hält. Teile
für die 777 oder 787 werden partiell im Ausland gefertigt und in die
USA geliefert, wo sie dann nur noch montiert werden. Und ob Boe-
ing wirklich wie geplant neue Flugzeuge an Iran Air liefern wird?

JENS FLOTTAU kommentiert aktuelle Entwicklungen in der Luftfahrt


„Delta, American


und United wittern


ihre zweite Chance“


US-Präsident Donald Trump sorgt auch in der Luftfahrt für Chaos

Foto: AFP, Getty ImAGeS
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