Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

TECHNIK Hawker Tempest


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Dass er eine wesentlich stabilere Waffenplatt-
form als die Spitfire abgibt, ist ebenfalls ein
wichtiges Kriterium..
Dennoch versucht man, noch mehr aus
den Jägern herauszukitzeln – vorwiegend da-
durch, dass zunächst bei den Tempest-Staf-
feln in Newchurch allgemein mit größerem
Ladedruck und höherer Drehzahl, als bisher
im Handbuch vorgeschrieben, sowie mit 150-
Oktan-Sprit in den Tanks geflogen wird. Zu-

dem erhalten die Flugzeuge zügig neue Luft-
schrauben von Rotol, um die Motorkraft
abermals stärker auszunutzen. In manchen
Fällen verschwinden obendrein die auffälli-
gen, an sich zwingend vorgeschriebenen
Identifikationsstreifen an den Tragflächenun-
terseiten. Deren rauer Farbauftrag bremst
spürbar – was freilich für den Rest der Lackie-
rung kaum weniger gilt. Nur haben die Warte
seinerzeit beileibe Besseres zu tun, als sich
beim Polieren auszutoben.

Am 24. Juni 1944 treffen zusätzlich sechs
Tempest-Maschinen der Fighter Interceptor
Unit, FIU, ein. Ihre Aufgabe: Kampf gegen die
V1 bei Nacht. Auf den ersten Blick viel eher
ein Job für die Mosquito-Nachjäger, die sich
hierfür jedoch nicht besonders bewähren.
Ganz davon abgesehen, dass man sie andern-
orts dringender braucht. In kurzer Zeit mau-
sert sich die Tempest-FIU zur voll gefechts-
tauglichen Einheit; schon nach einem Monat

gehen 50 abgeschossene »Vergeltungswaffen«
auf ihr Konto. Großartige technische Hilfsmit-
tel haben die Piloten indes keine, meist müs-
sen sie sich ausschließlich auf ihr Gespür und
ihre Augen verlassen. Doch das tun sie, allen
tragischen Verlusten zum Trotz, mit Bravour.
Im August greifen zügig zwei weitere, neu
mit der Tempest ausgerüstete Squadrons von
Manston aus in den Abwehrkampf mit ein.
Anfang September 1944 lässt die Bedrohung
durch die V1 dann merklich nach; zudem

Die Tempest Mk.V hat genug Kraftreserven,


um die V1 ohne Umstände abzuschießen.


Drei Tempest Mk.V der No 501 Sqn. Die
Staffel macht ab 11. August 1944 Jagd
auf die V1 und bleibt bis April 1945 der
Air Defence of Britain unterstellt Foto RAF

maßgeschneidert für die Tempest mit ihrer ein-
drucksvoll spezifischen Leistungsstärke. Wie
gesagt nimmt man die eben erst über die Inva-
sionsfront geschickte No 150 Wing wieder aus
dem dortigen Kriegsgeschehen und setzt sie
stattdessen zur Heimatverteidigung ein. Sta-
tioniert auf dem Fliegerhorst Newchurch in
der Grafschaft Kent, beteiligt sich der Verband
ab 16. Juni 1944 am Abwehrkampf gegen die
V1. Von früh bis spät auf Patrouille, holen die
Maschinen bereits am ersten Tag nicht weniger
als acht der Marschflugkörper vom Himmel.

Besser als die Spitfire
Wobei sich die Tempest leichter tut als ihre
Mitstreiter vom Typ Spitfire. Letztere müssen
sich in deutlich größerer Höhe auf die Lauer
legen, um gegen die Flügelbomben zum Zug
zu kommen. Nur mit ausreichender Überhö-
hung kann die Spitfire im flachen Stechflug
genug Fahrt aufnehmen, um auf Schussweite
an die V1 heranzukommen. Der Hawker-Jä-
ger patrouilliert dagegen »bequem« in 2000
bis 3000 Meter Höhe und hat genügend Kraft-
reserven, um sich ohne viel Federlesens rasch
hinter die V1 zu setzen und sie abzuschießen.
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