Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

58


Marineluftschiffs L 71 (LZ 113) aus dem letz-
ten Kriegsjahr ist eines der größten erhaltenen
Relikte aus der Zeit der Starrluftschiffe. Ne-
ben seltenen Originalexemplaren der klassi-
schen Doppeldecker Fokker D.VII und Pfalz
D.XII ist in dem Gebäude auch die einzige er-
haltene Junkers J 9 (D.1) ausgestellt. Der deut-
sche Ganzmetalleindecker gab bei Kriegsende
deutlich die Richtung vor, in die sich die Luft-
fahrt in den folgenden Jahren entwickeln
sollte – auch wenn noch für einige Jahre die
verspannten Doppeldecker aus Holz und
Leinwand die Szenerie beherrschten.

Zwischen den Kriegen
Eine der größten Hallen in Le Bourget ist der
europäischen Luftfahrt zwischen den beiden
großen Kriegen gewidmet. Mit der Junkers
F 13 ist ein Original dieses ersten speziell für
den Luftverkehr konstruierten Flugzeugtyps
ausgestellt. Die Maschine wurde im Novem-
ber 1920 produziert und bereits im Folgejahr
als Kriegsreparation nach Frankreich gelie-
fert. Diese F 13 mit der Seriennummer 609 ist
eines von lediglich vier weltweit vollständig
erhaltenen Exemplaren des Urahns der be-
kannten »Tante Ju«.
In Deutschland weitgehend unbekannt ist
die für damalige Verhältnisse riesige Farman
F.60 »Goliath«. Heute ist nur ein Rumpf
dieses frühen Verkehrsflugzeugs für bis zu
zwölf Passagiere erhalten geblieben. Rund
300 Exemplare flogen in den 1920er-Jahren in
ganz Europa. Auch die Deutsche Luftreederei


  • eine Vorgängergesellschaft der Lufthansa –
    setzte die Goliath zwischen Berlin und Wei-
    mar im Liniendienst ein.
    Natürlich liegt der Fokus in dieser Aus-
    stellungshalle auf französischen Flugzeug-
    typen aus der Zwischenkriegszeit. Darunter
    befindet sich eine Vielzahl von Rekordflie-
    gern wie die Potez 53. Der Franzose Georges
    Détré gewann 1933 mit dem blauen Renn-
    flugzeug den Coupe Deutsch de la Meurthe,
    ein bis 1936 ausgetragenes Luftrennen. Die
    2000 Kilometer lange Strecke legte er in sei-
    ner 310 PS starken Potez mit durchschnittlich
    323 km/h zurück.
    Seit letztem Frühjahr ist auch die lange ein-
    gelagerte Caudron 714R wieder in der Halle
    zu besichtigen. Sie bildete Ende der 1930er-
    Jahre das französische Gegenstück zur deut-
    schen Messerschmitt 209, welche man aus
    Propagandagründen als Me 109R bezeichne-
    te. Die Caudron 714R war eine stark modifi-
    zierte Version des leichten Jagdflugzeuges
    Caudron 714. Wegen des Beginns des Zwei-
    ten Weltkriegs konnte man die Arbeiten an
    ihr allerdings nicht beenden und sie stieg
    nicht mehr in die Luft.
    Die Breguet XIX trat in die Fußstapfen der
    Breguet XIV, die in der großen Galerie ausge-
    stellt ist. Ab 1923 baute man rund 2000 Exem-


plare dieses Typs in Frankreich und mehre-
ren Lizenzländern, wo man sie in erster Linie
als leichten Bomber einsetzte.
Der Doppeldecker erzielte allerdings auch
diverse Geschwindigkeits-, Höhen- und
Langstreckenrekorde. Ausgestellt ist die rote
»Point d’Interrogation«, mit der die Piloten
Dieudonné Costes und Maurice Bellonte
1930 in gut 37 Stunden nonstop von Paris
nach New York geflogen sind und dabei 8912
Kilometer zurückgelegt haben. Ein weiteres
Rekordflugzeug – die Breguet XIX »Nunges-

ser Coli« – befindet sich im riesigen Lager des
Museums. Mit ihr umrundeten Costes und
Joseph Le Brix vor 90 Jahren die Erde und
legten dabei 57 000 Kilometer zurück.

Zweiter Weltkrieg
Seit einigen Jahren stellen die Betreiber die
Kampfflugzeuge des Zweiten Weltkriegs in
einer neu errichteten Halle auf dem ehemali-
gen Vorfeld des Flughafens aus. Die alten
Räumlichkeiten mussten sie wegen Baufällig-
keit schließen. Zu sehen sind neben Warbird-

OLDTIMER Pariser Luftfahrtsammlung


Die ausgestellte Focke-Wulf Fw 190 setzte
man in einer Fabrik in Auxerre als NC.900
zusammen. Die französische Luftwaffe
nutzte sie für kurze Zeit
Die Junkers F13 gilt als erstes reines
Passagierflugzeug überhaupt und war die
Urmutter der bekannten dreimotorigen
Junkers Ju 52. Es gibt lediglich noch vier
originale Exemplare dieses ersten Airliners
der Luftfahrtgeschichte

1

2

Nur ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg
gründete Albert Caquot das Museum als
weltweit erste reine Luftfahrtsammlung. Im
Jahr 1921 öffnete die Ausstellung im Cha-
lais-Meudon. In den 1930er-Jahren konnten
Besucher einen Teil der Flugzeuge in der
neu erbauten Halle am Pariser Boulevard
Victor besichtigen. Diese Ausstellungshalle
wurde allerdings während der Besatzungs-
zeit im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wo-
raufhin man die Exponate wieder nach Meu-
don zurücktransportierte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Flug-
zeugbestand rasch an, das bisherige Gebäu-
de schien zunehmend ungeeignet zu sein,
die wachsende Zahl der Exponate zu beher-
bergen. Mitte der 1970er-Jahre bot sich die
einmalige Möglichkeit, Teile der Sammlung
am Flughafen von Le Bourget zu präsentie-

ren. Nachdem man die ersten Hallen an-
lässlich des Aérosalons im Jahr 1975 er-
öffnete, gaben die Betreiber im Laufe der
Folgejahre weitere Hallen für die Publikums-
sammlung frei.
Die Luftfahrzeuge, welche heute in der Gran-
de Galerie zu sehen sind, befanden sich
noch bis 1981 in Meudon. Sie konnten erst
nach Le Bourget umziehen, als man das
ehemalige Terminal für das Museum ver-
wenden durfte.
Parallel zum Museum richteten die Betrei-
ber in Dugny auf einem ehemals französi-
schen Luftwaffengelände gegenüber dem
Flughafen den umfangreichen Lager- und
Restaurierungsbereich ein. Im Mai 1990
kam es zu einem Brand in einer der Lager-
hallen, bei dem 40 seltene Flugzeuge un-
wiederbringlich zerstört wurden. n

Sammlung mit großer Geschichte


1

2
Free download pdf