Torries

(coco) #1

des Geschwaders, erklärt die Angriffstaktik:
»Wir hatten drei Jagdräume: A, B und C. Es
gab dann verschiedene Angriffswellen. Die
ersten Maschinen griffen die Bomber unmit-
telbar nach dem Start auf ihren Flugplätzen in
England an, der zweite Angriff erfolgte über
der Nordsee, bevor die Bomber das Festland
anflogen, der dritte Angriff traf die Bomber
auf dem Heimweg, oft noch über England.«
Es scheint unglaublich, aber die deutschen
Nachtjäger besaßen keine Spezialgeräte für
ihre Attacken über England. Lediglich die
Funkaufklärung leistete Unterstützungsar-
beit. Und das gelang sehr gut. Aufmerksam
achtete der Funkhorchdienst auf englische
Aktivitäten. Sobald die Funker ein Zwit-
schern und Pfeifen hörten, wussten sie Be-
scheid. In diesem Moment waren die briti-
schen Bordfunker wieder dabei, ihre Geräte
abzustimmen. Ein britischer Einsatz stand al-
so unmittelbar bevor. Auf diese Weise konn-
ten sie den Nachtjägern fast genau sagen,
wann mit einem Start der Bomber zu rechnen
war. Oftmals erhaschten sie sogar Informatio-
nen über die Anzahl der Flugzeuge und auf
welchen Startplätzen sie zu finden waren.


In der Höhle des Löwen
Noch bevor die britischen Bomber starteten,
schickte Hülshoff bereits die ersten Nachtjäger
los. Man wollte die Flugzeuge noch über ihren
eigenen Plätzen erwischen. Wenn die Deut-
schen zur richtigen Zeit eintrafen, fanden sie
erleuchtete Plätze vor und die Bordscheinwer-


fer der englischen Bomber dienten als Ziel-
markierung. Eine zweite Nachtjägerwelle
empfing die Bomber auf ihrem Weg über die
Nordsee. Stunden später verfolgten sie dann
die heimkehrenden Flieger und schossen sie
während der Landephase über den eigenen
Plätzen ab. Die Fernnachtjäger waren damit
dauernd über England im Einsatz und immer
in der »Höhle des britischen Löwen«. Einige

klinkten sich sogar in den Strom heimfliegen-
der Bristol Blenheims, Armstrong Whitworth
Whitleys oder Vickers Wellingtons ein und
platzierten sich während der Landung dicht
hinter die feindlichen Maschinen, um diese
beim Einschweben vom Himmel zu holen.
Andere warfen 50 Kilogramm schwere Split-
terbomben auf die beleuchteten Plätze zwi-
schen die gerade erst gelandeten Bomber.
Selbst die Platzflak mussten sie nicht fürchten,
weil das Risiko, eigene Flugzeuge zu treffen,
für die Briten viel zu groß war.

Kammhuber begann akribisch, die Ver-
bände und Einsatzmittel in der Nachtjagd
weiter zu strukturieren. Er glaubte an den Er-
folg der Fernnachtjagd. Die Plätze der briti-
schen Bomber waren der Luftwaffe bekannt;
es kam nur auf den richtigen Moment an. Die
ersten Erfolge gaben ihm Recht. Er wollte
deshalb die Einsatzstärke noch weiter aus-
bauen und für die »nächtliche Jagd« insge-

samt drei Geschwader aufstellen. Doch da-
mit stieß er auf erhebliche Gegenwehr. Er
hatte nämlich einen gewaltigen Gegenspie-
ler: Generalstabschef der Luftwaffe Hans Je-
schonnek. Die deutschen Städte blieben noch
weitestgehend von feindlichen Bomberan-
griffen verschont; was sich in naher Zukunft
jedoch bald ändern sollte ... Kammhuber sah
diese Entwicklung voraus und pochte vehe-
ment darauf, dass seine Einheit ausgebaut
wird. Es entbrannte ein heftiger Streit zwi-
schen den beiden. Der Generalstabschef

FLUGZEUG CLASSIC3/2017 15


Zu den Nachtbombern der ersten Stunde gehörte die britische Bristol Blenheim.
Eine größere Anzahl schossen deutsche Fernnachtjäger über den eigenen Plätzen wie Feltwell ab

Die Lage der Bomberplätzeist bekannt, es


kommt nur darauf an, rechtzeitig dort zu sein.

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