Torries

(coco) #1

machte sich über die Forderung des Kom-
mandeurs lustig: »Wenn das so weitergeht,
verschwindet die ganze Luftwaffe in der
Nachtjagd.« Am Ende setzte sich Jeschonnek
durch, denn der saß am längeren Hebel.
Kammhuber scheiterte und es blieb bei der
einen Fernnachtjagdgruppe mit ihren 20 bis
30 Maschinen.


Gefürchtete Waffe
Im Frühjahr 1941 nahmen die Einsatzaktivitä-
ten und auch die Abschüsse zu. Aber das Ri-
siko flog ständig mit. Oberleutnant Kurt Her-
mann lernte die Konsequenzen der riskanten
Flüge am 10. März kennen. Seine Ju 88 C-
machte in England Bruch, er überlebte und
geriet in Kriegsgefangenschaft – mit neun
tödlichen Treffern war er bis dahin der erfolg-
reichste Nachtjäger. Besonders siegreich war
die Gruppe in den Sommermonaten Juni/Juli



  1. Allein in diesen beiden Monaten gelan-
    gen rund 50 Abschüsse. Eines der Asse der
    Gruppe, der 22-jährige Leutnant Hans Hahn
    von der 3./NJG 2, ereilte das Unglück am

  2. Oktober 1941. Über England kollidierte
    seine Ju 88 C-4 mit einer Airspeed Oxford, ei-
    nem britischen Trainingsflugzeug. Bis dahin
    hatte er zwölf feindliche Bomber über Eng-
    land ausgeschaltet. Es war einer der schwar-
    zen Tage für die Gruppe.


Fast zur gleichen Zeit überbrachte Josef
Kammhuber dem Gruppenkommandeur ei-
ne schwerwiegende Botschaft. Mit großer
Überwindung und unterdrückten Emotionen
teilte er diesem mit, dass die Fernnachtjagd
laut Hitlers direktem Befehl eingestellt wer-
den muss. Es gab kein echtes Argument da-
für, sondern nur Propaganda-Phrasen: »Das
deutsche Volk wolle die Terrorbomber direkt
neben den von den Bombern zerstörten Häu-
sern herunterfallen sehen. Abschüsse im fer-
nen England nützen da gar nichts.«

Die Luftwaffe hatte jetzt die Aufgabe, ohne
die erfolgreichen Fernjäger die RAF in Schach
zu halten. Wichtiger schien nun der Einsatz
der Nachtjagdgruppe im umkämpften Mittel-
meerraum zu sein. Die I./NJG 2 verlegte nach
Catania in Sizilien. Damit gab man eine der
wohl schlagkräftigsten Waffen in der Nacht-
jagd aus der Hand. Allein zwischen dem


  1. Juli 1940 und dem Ende der Aktivitäten
    am 13. Oktober 1941 verloren die Briten über
    ihren eigenen Plätzen 143 Bomber. Keine an-
    dere Nachtjagdeinheit konnte bis dahin sol-
    che Erfolge vorweisen. Der Preis dafür war je-


doch ebenfalls hoch. 106 Besatzungsmitglie-
der fielen, gerieten in Kriegsgefangenschaft
oder man erklärte sie als vermisst.
Was die Luftwaffe nicht wusste: Die RAF
war gerade dabei, sich neu zu strukturieren.
Noch im Oktober holte die I./NJG 2 die ersten
Stirling-Bomber vom Himmel. Die Short Stir-
ling war das erste schwere viermotorige Flug-

zeug seiner Art und gehörte zu einer ganz neu-
en Generation. Gleichzeitig stellte die RAF ihre
Strategie um. Die bisherigen Einzelangriffe auf
deutsche Städte zeigten nicht genügend Wir-
kung. Mit größter Anstrengung kratzte man
deshalb bei dem Angriff auf Köln in der Nacht
vom 30. auf den 31. Mai 1942 erstmals jedes
verfügbare Flugzeug zusammen und schuf ei-
nen Bomberstrom mit über 1000 Maschinen.
Das zeigte deutlich mehr Wirkung und die
Zerstörungen waren immens. Köln entwickel-
te sich zur Blaupause für zukünftige Angriffe.
Dass sich die Bomber erst noch in zugewiese-

FLUGZEUG CLASSIC3/2017 17


Junkers Ju 88 C-2 der 2. Staffel des
NJG 2. Leutnant Heinz Rökker flog diese
Maschine in der Fernnachtjagd
Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Josef Kammhuber formte die Nachtjagd binnen
kurzer Zeit zur eigenständigen Waffengattung


Wie schlagkräftig Fernnachtjäger waren, zeigt dieser abgeschossene Lancaster-Bomber in Fiskerton,
England. Auf dem RAF-Platz lagen 1945 die No. 576 und No. 49 Squadron Foto Slg. Ringlstetter/RAF

›Wenn das so weitergeht, verschwindet


die ganze Luftwaffe in der Nachtjagd‹.

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