Torries

(coco) #1

ZEITGESCHICHTE Fernnachtjagd


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Fotos, soweit nicht anders angegeben, Dietmar Hermann

nen Lufträumen über England sammeln muss-
ten, bevor sie losflogen, war der große Nachteil
dieser Strategie der Briten und mithin ihre
Achillesferse. Genau in diese Schwachstelle
hätte jetzt die Luftwaffe mit ihren Fernnachtjä-
gern stoßen können. Doch es passierte nichts.
Zu dem Zeitpunkt war Köln noch die Aus-
nahme, doch 1943 folgten weitere schwere
Luftangriffe auf deutsche Städte.Eigentlich
war es jetzt allerhöchste Zeit, ein wirksames
Mittel gegen die Luftangriffe der RAF zu fin-
den. Das I. Jagdkorps unter General Josef
Schmid wollte im Herbst 1943 der RAF erheb-

liche Verluste zufügen. Es plante, in Fern-
nachtjagd-Operationen die britischen Bomber
bis zu ihren Landebasen zu verfolgen und
dort bei der Landung anzugreifen. Damit das
neue SN2-Radar den Briten nicht in die Hände
fällt, sollten die Nachtjäger ohne Bordsuchge-
räte fliegen. Man sah sogar vor, die zweimoto-
rigen Tagjäger an den Einsätzen zu beteiligen.
Doch all diese Planungen verbot General-
oberst Hubert Weise am 6. November. Als
Luftwaffenbefehlshaber Mitte unterstand ihm
die komplette Luftverteidigung des Reichsge-
bietes. Wegen der alliierten Bomberoffensive

geriet er wenig später in die Kritik; im Januar
1944 enthob man ihn seines Amtes. Auch bei
seinem Nachfolger scheiterte Schmid Anfang
1944 mit seinen Angriffsplänen trotz der prog-
nostizierten Erfolgsmöglichkeiten. Anstatt
sich flexibel zu zeigen, versteifte man sich aus-
schließlich darauf, einfliegende Bomberströme
zu bekämpfen. Die Luftwaffe suchte viel zu
zögerlich neue Wege, um gegen die RAF-
Bomber vorzugehen.

Die Me 410 in ihrer stärksten Rolle
Erst im April 1944 begann beim IX. Flieger-
korps in Nordfrankreich der Aufbau einer
Nachtjagdorganisation. Anders als im Reichs-
gebiet sollten hier keine speziellen Nachtjagd-
verbände diese Einsätze fliegen, sondern
Kampfverbände mit Einsatzerfahrungen bei
Nacht. Das waren die Fw-190-Jagdbomber
der I./SKG 10 und Me-410-Schnellbomber
der I. und II./KG 51. Weil weder die Focke-
Wulf Fw 190 noch die Messerschmitt Me 410
über eine spezielle Ausrüstung verfügten,
war es nur möglich, diese Einsätze nach der
»Wilden Sau«-Methode zu fliegen. Damit sich
die Maschinen orientieren konnten, schuf
man eine Funk-/Leuchtfeuer-Organisation.
Man sah vor, dass in sogenannten Warteräu-
men die deutschen Maschinen auf die anflie-

Die Ju 88C-4 besaß eine starke
Bewaffnung. Allein im Bug waren
vier einzelne MG eingebaut

Britische Avro Lancaster der No. 50 Squadron auf dem RAF-Flugplatz Waddington, Lincolnshire.
Die Einheit nutzte den Bomber ab Mitte 1942 und war damit auch Ziel der Nachtjäger
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