Torries

(coco) #1

genden britischen Bomber warteten, um sie
dann mit Unterstützung von Suchscheinwer-
fern angreifen zu können. Und man ging
noch einen Schritt weiter. Man wollte mit der
schnellen Me 410 die Bomber schon bei Start
und Landung über England attackieren.
Es war das erste Mal, seit Hitler diese An-
griffe Ende 1941 einstellte, dass die Luftwaffe
wieder Einheiten zur Fernnachtjagd einsetzen
wollte. Dahinter stand aber keine ad hoc-Ent-
scheidung – bereits ein Jahr zuvor, am 4. Juni
1943, leitete das Reichsluftfahrtministerium
den Einsatz in die Wege. Erhard Milch wollte
die Me 410, sobald sie technisch so weit war,
1944 zur Fernnachtjagd einsetzen. Das heißt,
sie sollte als Schnellbomber gezielt Flugplätze
der englischen Nachtbomber angreifen, die
gerade zurückkehrten. Eine Gruppe vom KG 2
schien ihm für das Vorhaben auszureichen.


Die Invasion ändert alles
Zu diesem Zweck verlegte die V./KG 2 mit
ihren Me-410-Flugzeugen im April 1944 nach
Gilze-Rijen. Zeitgleich gab man ihr den neu-
en Namen II./KG 51. Die Gruppe verfügte
gerade mal über 24 Me 410. Erste Einsätze
flog die 5./KG 51 Fernnachtjägerstaffel unter
ihrem Staffelkapitän Hauptmann Dietrich
Puttfarken am 12. und 19. April 1944. Doch
sie konnte bei den Aktionen nur wenige
Bomber abfangen. Alles war ein Lernprozess
und für Bomberbesatzungen eine komplett
neue Aufgabe. In der mondlosen Nacht vom



  1. auf den 23. April 1944 operierte die
    II./KG 51 mit 14 Me 410 über Südengland.
    Kurz nach 22 Uhr traf sie auf britische Hali-
    fax-Bomber. In wenigen Minuten holte sie
    zehn von ihnen vom Himmel. Dietrich Putt-
    farken kam als Staffelkapitän bei dem Einsatz
    allerdings ums Leben.
    Mit Beginn der alliierten Invasion gestal-
    teten sich Fernnachteinsätze mit der Me 410
    deutlich schwieriger. Leutnant Hannes Tren-
    ke war der Letzte, der am 3. Juli noch zu sei-
    nem sechsten Luftsieg über England kam.
    Auch die »Wilde Sau«-Einsätze flog die Ein-
    heit kaum noch. Ein letzter Luftsieg gelang
    hier am 6. Juli bei Caen. Von April bis Juli
    holten die beiden KG-51-Gruppen mindes-
    tens 32 Bomber vom Himmel. Das Ergebnis
    zeigt, dass es möglich war, trotz der starken
    Jagdabwehr über England selbst mit gerin-


gen Kräften wirkungsvoll Bomber abzuschie-
ßen. Aber an eine Fortsetzung war nicht
mehr zu denken. Beide Gruppen begannen
jetzt auf die moderne Me 262 umzuschulen.
Es war das letzte Mal, dass man deutsche
Verbände über einen längeren Zeitraum ge-
zielt zur Fernnachtjagd einsetzte – und das
mit einem Flugzeug, das eigentlich ein
Schnellbomber und kein Nachtjäger war!

Die Situation blieb weiterhin angespannt.
Nahezu ungehindert setzte die RAF Nacht für
Nacht ihre schweren Luftangriffe gegen deut-
sche Städte fort. Dass man die Fernnachtjagd

FLUGZEUG CLASSIC3/2017 19


Eine für Nachteinsätze geschwärzte
Me 410 A der II./KG 51, die ab April
1944 bei Dunkelheit Jagd auf britische
Flugzeuge machte Zeichnung Ringlstetter/Aviaticus

In perfektem Tarnanstrich steht diese Junkers Ju 88 C vom NJG2 auf dem Platz

Oberleutnant Schulz zusammen mit seiner Besatzung vor ihrer Do 17Z-7 vom NJG 2 im März


  1. Am Leitwerk sind Abschussmarkierungen zu sehen

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