Torries

(coco) #1

dem Dortmunder Ems-Kanal und gegen die
synthetischen Raffinerieanlagen bei Kamen.
181 Halifax-Bomber steuerten auf Kamen zu,
während 203 Bomber bei Ladbergen den Bin-
nenschiffsverkehr aufs Korn nahmen. Erst
jetzt gab man das Codewort »Gisela«.
Jäger von fast allen Nachtjagdgeschwa-
dern begannen gegen 23 Uhr ihre Einsätze.
Insgesamt waren aber deutlich weniger
Nachtjäger unterwegs als ursprünglich ge-
plant. Kurz nach Mitternacht überflogen sie
in 20 bis 50 Meter Höhe den Ärmelkanal.
Dann ging es auf Angriffshöhe. Gezielt war-
fen die Ju-88-Nachtjäger Düppel ab, um briti-
sche Nachtjäger zu täuschen. Doch die Suche
nach den Bombern gestaltete sich schwierig.
Die Luftwaffenpiloten hatten keine Erfahrung
mit dieser Angriffstaktik. Nur wenige Jäger
waren zeitig zur Stelle, um die schweren
Bomber bei ihrer Rückkehr zu attackieren.
So auch Leutnant Arnold Döring von der
10./NJG 3. Er flog aufgehellte Plätze in 600
bis 900 Meter Höhe an. Trotz roter Lichter am
Boden, die vor Jägern warnten, flogen die bri-
tischen Bomber mit eingeschalteten Bord-
scheinwerfern. So waren sie ein leichtes Ziel.
Döring griff mit seinen schrägen Bordwaffen
an und traf eine B-17. Nur kurze Zeit später
feuerte er mit seinen Bordwaffen einer »Lan-
caster« genau zwischen die Motoren. Dort saß
der Tank und die »Lancaster« geriet im
Bruchteil einer Sekunde in Brand.
So wie Döring waren auch andere Nacht-
jäger erfolgreich – mit fast 25 Abschüssen ins-
gesamt aber zu wenig, um der RAF ernsthaft
Schaden zuzufügen. Darüber hinaus gingen
fast genauso viele Ju 88 verloren. Zum größ-
ten Teil, weil den Besatzungen auf dem Rück-
flug der Sprit ausging. Sie hatten ihre Ein-
satzzeit über englischem Boden bis zum
Äußersten ausgereizt. Die Aktion war weder
ein Erfolg noch ein echter Misserfolg.


Keine Wiederholung
Am 12. März 1945 flog die RAF am helllichten
Tag den schwersten jemals geflogenen Luft-
angriff mit 1108 Bombern gegen eine deutsche
Metropole. Es traf erneut Dortmund. Danach
war von der Altstadt nicht mehr viel übrig.
Während bei der Operation »Gisela« der Er-
folg auch deshalb ausgeblieben war, weil die
Einsätze der Briten stark auseinandergezogen


waren, wäre in diesem Moment die ideale Ge-
legenheit gewesen, den Angriff zu wiederho-
len. Doch die Luftwaffe reagierte nicht mehr.
Es ist erstaunlich, dass man es so lange zu-
ließ, dass britische Bomber unbehelligt star-
ten und landen konnten. In einer Luftwaffen-
studie steht zu dem Thema: »Angesichts der
komplizierten und luftempfindlichen Start-
und Landemanöver der RAF lagen in einer
stark ausgebauten Fernnachtjagd außerge-
wöhnliche Möglichkeiten. Dass die deutsche

Luftwaffe sie nicht nutzte, muss als einer ih-
rer folgenschwersten Fehler gewertet wer-
den.« In einem britischen Nachkriegswerk
heißt es: »Die Tatsache, dass die RAF von un-
berührten Stützpunkten aus operieren konn-
te, trug entscheidend zur endgültigen Nie-
derringung Deutschlands bei.« 

FLUGZEUG CLASSIC3/2017 21


Ju 88 G-6, die für das NJG 3 am Unter-
nehmen »Gisela« beteiligt war. Sie besaß
eine hintereinander angeordnete Schräg-
bewaffnung Zeichnung Ringlstetter/Aviaticus

Generalleutnant Josef Schmid (rechts), kommandierender General des I. Jagdkorps, scheiterte
mit seinen Fernnnachtjagd-Angriffsplänen an seinen Vorgesetzten (in der Mitte Hermann Göring)

Der leistungsstärkste Junkers-Nachtjäger in Großserie war die Ju 88 G-6, hier die Werknummer


  1. Beim Unternehmen »Gisela« waren Nachtjäger dieses Typs ebenfalls im Einsatz

Free download pdf