Torries

(coco) #1

K


aum ist ihr Kampf gegen Hitler vorbei,
schon bahnen sich die weltanschauli-
chen Gegensätze zwischen Westalliier-
ten und der UdSSR offen an. Die jahrzehnte-
lange Teilung Europas in zwei Machtblöcke
unter Führung von Washington beziehungs-
weise Moskau beginnt und mit ihr der Kalte
Krieg. Die Berlin-Blockade ebnet zügig den
Weg zum Nordatlantikvertrag, den die USA
und Kanada sowie zehn (west)europäische
Staaten am 4. April 1949 unterzeichnen.
Damit steht unter anderem die Royal Ca-
nadian Air Force (RCAF) nun vor der Aufga-
be, sich massiv an der Luftraumverteidigung
Westeuropas zu beteiligen. Allein ihr fehlt das
Hauptstandbein dafür: ein moderner Strahl-
jäger. Dass die kanadische Regierung bis da-
hin aber geschlafen hat, lässt sich nicht be-
haupten. Vielmehr hegt sie schon seit Ende
1944 ernstes Interesse am Düsenantrieb sowie
der groß angelegten Modernisierung ihrer
Luftstreitkräfte und hat dafür ordentlich Geld
in die heimische Flugzeug- und Triebwerkin-
dustrie gepumpt.


Doch das Tempo, mit dem der Kalte Krieg
heraufzieht, bringt den Zeitplan durcheinan-
der. Schneller als gedacht muss die RCAF ih-
ren technischen Rückstand aufholen – ohne
Hilfe aus dem Ausland kaum möglich. An-
fang 1949 laufen darum erste Sondierungs-
gespräche mit North American Aviation,
Hersteller der F-86 Sabre, dem seinerzeit
modernsten Jagdflugzeug der freien Welt.
Über eine Lizenzfertigung durch Canadair in

Cartierville bei Saint-Lorent nahe Montreal
ist man sich bald einig. Bis August 1949 steht
ein erster Vertrag zum Nachbau von 100 F-
86A-5 mit J47-GE-13-Triebwerken, die man
als Sabre Mk.1 bezeichnet.
So weit, so gut, käme nicht wenig später
die Entwicklung der fortschrittlicheren F-86E
in Gang. Während die RCAF schnell deren
Beschaffung bevorzugt, scheut die Regierung

eventuelle Mehrkosten, verhandelt aber so
geschickt, dass Canadair beim Lizenzbau oh-
ne jede Zusatzgebühr auf sämtliche techni-
sche Neuerungen der Maschine bis hin zur
E-Version zugreifen darf. Cartierville richtet
sich daraufhin im Eiltempo auf die Sabre ein.
Bis November 1949 treffen dort zusammen
mit der ersten je gebauten F-86A gut 46 000
Konstruktionszeichnungen ein. Von Anfang
an sind die Kanadier bestrebt, möglichst viele

Komponenten sowie ein passendes Trieb-
werk in Eigenregie herzustellen. Obwohl
feststeht, dass die F-86E beschafft werden
soll, will die RCAF nicht warten, bis deren
Detailkonstruktion abgeschlossen ist.
Vielmehr soll Canadair zunächst mit dem
Bau der Sabre Mk.1 loslegen, um die Massen-
fertigung reibungsfrei in Gang zu setzen. Das
erste Exemplar feiert am 9. August 1950 Erst-

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Die Regierungverhandelt geschickt: Canadair


darf auf viele Innovationen zugreifen.


Mit der Sabre Mk. 2 wollen die kanadischen Luftstreitkräfte ins Zeitalter der
Strahljäger eintreten. Als erster Verband erhält die bei Montreal stationierte
441 Sqn der RCAF Anfang der 1950er-Jahre die neuen Maschinen Foto Canadair
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