Torries

(coco) #1

FLUGZEUG CLASSIC3/2017 43


Ernst Heinkel am 12. Juni 1939 ein unmissver-
ständliches Schreiben aus dem RLM von Ge-
neralingenieur Roluf Lucht: »Ich habe davon
Kenntnis erhalten, dass zwischen Ihnen und
der Firma Daimler-Benz Verhandlungen im
Gange sind, eine Wiederholung des Weltre-
kordversuchs für Höchstgeschwindigkeit in
Bodennähe vorzunehmen. Ich teile Ihnen
hierdurch mit, dass an der Wiederholung des
Rekordversuchs kein Interesse besteht, da ei-
ne eventuell geringfügige Überbietung des
zurzeit bestehenden und in deutschem Besitz
befindlichen Weltrekordes nicht die aufge-
wendeten Kosten und Arbeiten lohnen wür-
de. Ich ersuche Sie, keine Arbeiten in dieser
Richtung anlaufen zu lassen.«
Außerdem sollten die Entwicklungskapa-
zitäten der Firma Heinkel für praktikable
Rüstungsaufgaben zur Verfügung stehen –
das Rekordflugzeug war für den Geschwin-
digkeitsfanatiker Ernst Heinkel vom Tisch.


Ein Fall fürs Museum
Auch bei Messerschmitt hatte man ursprüng-
lich weitere Rekordflüge geplant. So sollte mit
der Me 209 V3 der Weltrekord auf der 100-Ki-
lometer-Distanz angegangen werden. Doch
auch Messerschmitt legte man nahe, keine
weiteren Unternehmungen in dieser Hinsicht
zu starten. So sah man die Rekordgeschichte
als erledigt an.
Flüge mit der Me 209 V1 sind in Messer-
schmitt-Aufzeichnungen nur mehr wenige zu
finden. Bis August 1940 nutzte man das Spe-
zialflugzeug zur Erprobung, wobei bei den
letzten nachweisbaren Flügen das Abkippver-
halten der V1 mit vergrößerten Tragflächen
untersucht wurde. Unterlagen darüber, um
welche Modifikationen es sich dabei genau
handelte, blieben nicht erhalten.
Im September 1942 übergab Messer-
schmitt die Me 209 V1 an die Deutsche Luft-
fahrtsammlung Berlin. Wegen der zunehmen-
den alliierten Bombenangriffe lagerte man die
riesige Sammlung historischer Flugzeuge
1944 nach Polen aus. Von dort kehrte das
wertvolle Stück nicht mehr zurück. Der größ-
te Teil des noch vorhandenen Rumpfes bis hin


zum Kraftstofftank sowie das weitgehend
komplette Seiten- und Höhenleitwerk der Me
209 V1 blieben – wenngleich in desolatem Zu-
stand – bis heute erhalten.
Nachdem die Überreste des Rekordbre-
chers lange Zeit eingelagert waren, sind sie
inzwischen für die Öffentlichkeit zugänglich.
Zusammen mit einigen weiteren ehemaligen

Exponaten aus der Berliner Sammlung stellt
sie das Polnische Luftfahrtmuseum in Kra-
kau aus. Eine Restaurierung des Hochge-
schwindigkeitsflugzeugs ist jedoch in naher
Zukunft nicht in Sicht.

30 Jahre währender Rekord
Fritz Wendels Weltrekord über die Drei-Kilo-
meter-Strecke währte 30 Jahre lang und wur-
de erst am 18. Juni 1969 mit einer speziell
präparierten Grumman F8F-2 »Bearcat« mit
777,5 km/h überboten. Die heute noch gülti-
ge Höchstgeschwindigkeits-Bestmarke für
Propellerflugzeuge von 850,25 km/h erflog
schließlich Lyle Shelton 1989 in der mit gro-
ßem Aufwand speziell modifizierten Grum-
man F8F-2 »Rare Bear«.
Dass es so lange dauerte, ehe Messer-
schmitts Rekord aus dem Jahr 1939 gebro-
chen werden konnte, ist natürlich vor allen
Dingen den anschließenden Kriegsereignis-
sen und dem direkt darauf folgenden Düsen-
zeitalter geschuldet. 

Technische Daten – Me 209 V1


Einsatzzweck Rekordflugzeug
Antrieb DB 601 ReV V10, flüssigkeitsgekühlter,
stehender V-12 -Zylinder-Motor
Leistung 1800 PS, kurzzeitig bis zu 2500 PS
Länge 7,24 m
Spannweite 7,80 m
Flügelfläche 10,55 m²
Höhe 3,50 m
Leergewicht 2050 kg
Startgewicht 2515 kg
Flächenbelastung 238 kg/m²
Tankinhalt 500 l
Durchschnittliche Rekordgeschwindigkeit 755,138 km/h

Die im Luftfahrtmuseum Krakau ausgestellte Me 209 V1, Werknummer 1185, beziehungsweise
die erhalten gebliebenen Reste des Rekordflugzeuges in desolatem Zustand. Klar zu erkennen
sind die Lackschichten. Eine Restaurierung des einzigartigen Flugzeuges ist in absehbarer Zeit
leider nicht geplant Fotos (3) Mühlbauer via Peters
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