Torries

(coco) #1

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Fotos Sammlung Peter Cronauer

kennung aus. Ohnehin befand sich die Luft-
fahrt in Deutschland seinerzeit im Aufwind,
die vielfältigen Leistungen und Anreize der
National-Flugspende entfalteten ihre Wir-
kung. Hochdotierte Preise beschleunigten die
Entwicklung in allen Bereichen und in den
Jahren 1913 bis 1914 fiel Messlatte um Mess-
latte. Zahlreiche Flugrekorde wurden aufge-
stellt und alsbald schon wieder überboten.
Nachtflüge gehörten mit dazu.


Fernflugwettbewerb
Beispielsweise schrieb man im Herbst 1913 ei-
nen hochdotierten Fernflugwettbewerb aus,
um den ausnahmslos deutsche Flugzeugfüh-
rer mit Flugzeugen aus einheimischer Produk-
tion – einschließlich Motor – konkurrieren
durften. Innerhalb von 24 Stunden sollten sie
eine Strecke von mindestens 1000 Kilometern
zurücklegen, 500 davon in eine Richtung,
Zwischenlandungen waren freigestellt. Für
die sechs weitesten Flüge wurden Preisgelder
von 10 000 bis 60 000 Reichsmark (RM) aus-
gelobt, die damals exorbitante Summe von
100 000 RM stellte man jedoch demjenigen
Hersteller in Aussicht, dem es gelänge, den bis
dahin weitesten Fernflug über eine Distanz
von 1380 Kilometern von Paris nach Caceres
zu überbieten und somit den Weltrekord nach
Deutschland zu holen.
Skeptiker befürchteten ein Debakel: Flüge
über eine Distanz von 1000 Kilometern waren
bislang die Ausnahme, das Herbstwetter war
ungünstig – wie sollte man da 1380 Kilometer
auch noch überbieten? Sechs Wochen dauerte
der Wettbewerb, am Ende waren sämtliche
Preise vergeben und die dabei erzielten Ergeb-
nisse übertrafen selbst die kühnsten Erwar-
tungen. Gleich drei Teilnehmer überboten den
bisherigen Weltrekord, allen voran der Chef-
pilot der Mülhausener Aviatik-Werke, Viktor
Stöffler. Im Alleinflug startete Stöffler kurz


nach Mitternacht in Johannisthal mit einem
Aviatik-Militärdoppeldecker mit 100-PS-Mer-
cedes-Motor und 445 Liter Sprit an Bord. Zu-
nächst flog er nach Posen, kehrte nach Johan-
nisthal zurück, landete dort kurz nach 6 Uhr
und flog anschließend über Halle, Würzburg
und Stuttgart nach Mülhausen. Nach einem
kurzen Aufenthalt flog er zweimal zwischen
Mülhausen und Darmstadt hin und her und
landete schließlich in finsterer Nacht auf dem
Firmenflugplatz der Aviatik-Werke in Habs-
heim. In etwas mehr als 24 Stunden hatte er

2200 Kilometer zurückgelegt, nach Abzug der
Zeitüberschreitung blieben davon immerhin
noch stolze 2078 Kilometer übrig.

Andere Vorzeichen
Die Rekordserie wurde 1914 zunächst fortge-
setzt, doch nach Kriegsbeginn kam es erst ab
1915 wieder zu Nachtflügen in größerem Um-
fang. Jetzt jedoch unter anderen Vorzeichen:
Alle kriegführenden Nationen, die über ent-
sprechende Flugzeuge und Luftschiffe ver-
fügten, nutzten zunehmend den Schutz der

Lichter über London: Ein zeitgenössischer Zeichner hielt fest, wie der Nachthimmel über der britischen Metropole hell erleuchtet wurde – man woll-
te sich auch bei Nacht vor feindlichen Fliegern schützen


Er brach im Herbst 1913 völlig unerwartet
den Weltrekord für den weitesten Fernflug: der
Elsässer Viktor Stöffler

Ballonsperre bei London: Fesselballons heben
eine Barriere aus Stahlseilen gegen angrei-
fende Flugzeuge
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