Torries

(coco) #1

net. Gleiches galt auch für die Zwangsarbeiter
aus dem Westen (Franzosen, Belgier und Nie-
derländer). Die russischen Kriegsgefangenen
verblieben in dem mit Stacheldraht abgesperr-
ten Lagerbereich innerhalb des Werks. Die Ver-
pflegung der osteuropäischen Gefangenen war
äußerst mangelhaft.


Völlige Verschwiegenheit
Werner Sturm aus Bad Abbach erinnert sich:
»Wir hatten eine Landwirtschaft und die um-
liegenden größeren Bauern erhielten nach ei-
ner bestimmten Reihenfolge immer wieder
den Auftrag, eine Wagenladung mit Kartof-
feln an die Kantine des Waldwerks zu liefern.
Ich durfte dann auf dem Wagen mitfahren.
Der Weg führte uns an dem Gefangenenlager
mitten im Wald vorbei. Mein Vater rief dann
immer: ›Werner, wirf da Kartoffeln rein.‹ Er
fuhr extra langsam und so konnte ich ganze
Hände voll über den Zaun werfen. Die weni-
gen Wachposten, die vorhanden waren, sahen
in der Regel weg. Die meisten waren schon äl-
tere Männer und sehr wahrscheinlich hatte
der eine oder andere auch einen Bruder oder
Sohn bei der Wehrmacht an der Front.«
Kurz darauf setzt Sturm seine Erzählung
fort: »Während des Tages waren ja keine Ge-
fangenen im Lager, aber nach Feierabend wur-
den alle Kartoffeln von denen aufgesammelt.
Im Lager hat es sich anscheinend immer sehr
schnell herumgesprochen, wann da Kartoffeln
an die Kantine geliefert worden sind. Die Ge-
fangenen versuchten auch alle möglichen Bas-
telarbeiten gegen was Essbares einzutauschen.
Es waren ja alles junge Burschen und sie wa-
ren immer hungrig. Als Kriegsgefangene stan-
den sie bei der Verpflegungsausgabe immer an
letzter Stelle (...). Flugzeuge habe ich auch ge-
sehen, aber alles stand getarnt unter und zwi-
schen den Bäumen. Die Flügel waren nicht
montiert. Erzählen durfte man aber draußen
nichts. Da hatte mich auch mein Vater zu ab-
soluter Verschwiegenheit verpflichtet: ›Werner,
wenn du da was erzählst, kommt die Gestapo,
und die verstehen keinen Spaß.‹ Mehrmals
sind auch feindliche Flugzeuge über das Wald-
werk geflogen, eines davon höchstens 500 Me-
ter hoch. Entdeckt haben die aber anscheinend
nichts, sonst wäre wohl ein Angriff erfolgt.«


Die gesamte Produktion lief in acht kleine-
ren Hallen ab. Insgesamt waren zirka 1200
Personen in den verschiedenen Gebäuden
mit dem Rohbau und in der Endmontage für
Tragflächen und Rümpfe sowie in der Trieb-
werkaufrüstung beschäftigt. Die Flugzeug-
triebwerke rüsteten die Arbeiter in einer Mon-
tagehalle auf, die über eine zweispurige

Gleisanlage verfügte, um die zirka 800 Kilo-
gramm schweren Daimler-Benz-Triebwerke
zur Rumpfendmontage bringen zu können.
Die Tagesproduktion lag bei ungefähr 15 bis
20 Messerschmitt Bf 109.

FLUGZEUG CLASSIC3/2017 65


Messerschmitt Bf 109 G-14/AS,
Werknummer 785762, Obertraubling im
Winter 1944 (teils spekulativ, siehe Foto
Seite 66) Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Karte Frühwald Schlaich

Die Lage des Waldwerks »Gauting«

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