Torries

(coco) #1

ZEITGESCHICHTE


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ten. Kann mich noch gut daran erinnern, wie
bei einer Me 109 im Oktober 1944 in Puchhof
kurz nach dem Start, das Fahrwerk war schon
fast eingezogen, der Motor mit zahlreichen
Fehlzündungen an Leistung verlor. Dem Flug-
zeugführer blieb nichts anderes übrig, als die
nagelneue ›109‹ auf den Bauch zu legen. Auch
das Bodenpersonal konnte sich über Arbeit
nicht beklagen. Vor allem Undichtigkeiten al-
ler Art waren zu beseitigen. War eine größere
Reparatur notwendig, zum Beispiel dann,
wenn das Triebwerk abgebaut werden muss-
te, verlegte das Bodenpersonal die ›109› in ei-
ne der kleinen Hallen, um vor der Witterung
einigermaßen geschützt zu sein.

Bis zum Ende unentdeckt
Da sich Ende 1944 verstärkt Tiefflieger in un-
serer Gegend bemerkbar machten, wurden
Maschinengewehre zur Fliegerabwehr aufge-
baut. Diese wurden vom Bodenpersonal be-
dient. Vor allem die Liegeplätze der Flugzeu-
ge mussten geschützt werden. Zusätzlich
verlegte eine leichte Flakbatterie auf den
Flugplatz. Mir wurde neben dem Einflugbe-
trieb auch noch das Kommando über die Bat-
terie erteilt. Die hatten zwar ihren eigenen
Batteriechef, aber der unterstand in der Regel
immer einem Offizier vom fliegenden Perso-
nal, um den Flugbetrieb und den Flakschutz
zu koordinieren. Nicht dass die Flak bei ei-

nem Angriff vor Aufregung noch unsere Lie-
geplätze ins Visier nahm. Als Oberleutnant
war ich der Ranghöchste und da blieb das mit
der Flak an mir hängen. Also legten wir ge-
meinsam die Stellungen rund um den Platz
fest. Wir regelten auch die Alarmierung der
Bedienungen über Sirene und stimmten die
Feuerräume zwischen Flak und MG-Stellun-
gen ab. Wäre ja nicht das erste Mal passiert,
dass man sich gegenseitig unter Beschuss
nimmt. Als dann die ersten US-Tiefflieger un-
seren Platz etwas näher begutachten wollten,
flog denen jede Menge Leuchtspur um die
Ohren, sodass sie sich schleunigst im Tiefflug
verzogen. Ende 1944 hatten wir derart viele
›109er‹, dass wir nicht mehr wussten, wohin
damit. So waren wir gezwungen, sie auf die
anderen Plätze in der Nähe zu verteilen.«

Aber auch auf die Fliegerhorste Straubing,
Landau/Isar und Plattling stellte man fabrik-
neue Bf 109 ab und übergab sie an die 3./
FlüG 1 Gruppe-Süd, welche die weitere Über-
führung an die Fronten durchführte.
Anmerkung zur 3./FlüG Gruppe-Süd: Die


  1. Staffel verfügte über rund 60 Flugzeugfüh-
    rer. Kommandeur 3./FlüG 1 Gruppe-Süd war


Hauptmann Weißmüller aus Regensburg. In
der Gruppe befanden sich mindestens 20 rus-
sische Piloten, die der Wlassow-Armee ange-
hörten. Für sie waren 1945 zwei Jagdstaffeln
unter deutschem Kommando im Aufbau. Ei-
ne Staffel sollte mit Fw 190, die andere mit
Me 109 ausgerüstet werden.
Ab Ende 1944 brachte man im Waldwerk
»Gauting« auch die Rumpfendmontage für
die Messerschmitt Me 262 unter. Die angelie-
ferten Rohbaurümpfe rüsteten die Arbeiter
hier für die Endmontage aus. Die Tarnung
durch Bäume und Tarnnetze war dermaßen
perfekt, dass die US-Aufklärer dieses Flug-
zeugwerk während des gesamten Krieges
nicht entdeckten und die Produktion bis weit
in den April 1945 fortlief. Erst als die US-Ar-
mee am 25. April im Raum Regensburg die
Donau erreichte, stellte man alle Arbeiten ein
und evakuierte das Personal.
Nach Kriegsende plünderte die Bevölke-
rung aus den umliegenden Dörfern das Werk.
Sie demontierte alles, was irgendwie brauch-
bar erschien. Nur die zahlreichen Tarnnetze
fanden keine Abnehmer, die blieben erst mal
liegen. Die Anzahl an bereits fertig montierten
Flugzeugteilen war so groß, dass es über drei
Monate dauerte, bis sie alles abtransportieren
konnten. Nach Angaben von Zeitzeugen zer-
legten die Einwohner die Flugzeugteile in

transportable Größen und fuhren sie zum
Bahnhof nach Hagelstadt, um sie dort auf
Waggons zu verladen. Alle Flugzeugteile aus
Dural verkauften sie an eine Aluminiumfabrik
nach Altötting. Nachdem man die Hallen und
Einrichtungen demontierte, sprengte ein Kom-
mando auf Anordnung der amerikanischen
Militärregierung alle Betonfundamente. 

Bei »Nacht und Nebel« musste man die Bf 109 mit Lkw und Traktoren aus »Gauting« schaffen –
das war die einzige Möglichkeit, sie bei Kriegsende noch »unbeobachtet« zu transportieren ...

Flugzeugführer Erwin Schmieder mit der neuen
Bf 109 aus »Gauting« Foto Sammlung Gunter Lauser

... Daraufhin brachte man sie zum Fliegerhorst, wo Mechaniker Tragflächen und Propeller auf-
montierten und man die Bewaffnung einschoss

Ende 1944 hatten wir derart viele Bf 109,


dass wir nicht mehr wussten, wohin damit.

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