Torries

(Marcin) #1

REISE & ERLEBNIS


Wetter in Tromsø. Der ILS-Anlug erfolgt im
Nieselregen bei niedrigen Untergrenzen.
Hier geht es wirklich nicht weiter. 114
Nautische Meilen vor dem Ziel Hammer-
fest, dank Rückenwind sogar 1:45 Stunden
vor der errechneten Zeit. Ich habe die Zug-
geschwindigkeit des Tiefs überschätzt: Es
ist noch da! Jetzt in Instrumentenlugwetter
weiter nach Hammerfest, bei starkem Wind
und Regenschauern, über das ofene Nord-
meer und unlandbares Gebiet? Nein, so sehr
herausfordern will ich das Schicksal nicht.
Ich streiche die Flugpläne, storniere das
Hotel in Hammerfest und beschließe, im
Flugzeug ein wenig zu schlafen, bevor ich
mich auf den Heimweg mache. Müde bin
ich nicht, zuviel Adrenalin im Blut nach
rund 20 Stunden in der Tomahawk.

Plötzlich wird es etwas heller, es klart
auf. Eineinhalb Stunden habe ich noch. Als
ob alle auf mich gewartet hätten, mitten in
der Nacht um drei Uhr Ortszeit, erhalte ich
auf Anhieb alle Informationen und Freiga-
ben für den Weiterlug nach Hammerfest.
1.39 Uhr UTC. Es könnte noch klappen,
jeder Handgrif sitzt, alle Checks sind ge-
macht. Nach acht Minuten bin ich in der
Lut, jetzt 44 Minuten hinter dem Zeitplan.
Hinter Hasvik, meinem Ausweichplatz, wo
gerade eine King Air startet, ist das Wet-
ter schlecht: 3000 Meter Sicht im Regen
bei 700 Fuß Untergrenzen. Was bin ich an-
spruchslos geworden! Ich liege weiter und
suche den Berg, der kurz vor Hammerfest
971 Fuß aus dem Meer ragt. Bei einer Ge-
schwindigkeit von 100 Knoten, also 50 Me-

tern pro Sekunde, habe ich gerade mal eine
Minute, um ihn zu erkennen. »You are num-
ber 2 to land«, sagt der Tower – die King Air
aus Hasvik darf zuerst. Ich kreise, so kurz vor
dem Ziel. Endlich darf ich landen. Um 2.49
Uhr UTC, elf Minuten vor Ablauf der selbst
gesetzten 24-Stunden-Frist, setze ich nach
einer Blockzeit von 19:10 Stunden bei strö-
mendem Regen in Hammerfest auf. »Siehst
du, es geht doch«, denke ich.
Für den Rückweg nehme ich mir mehr
Zeit – und denke mit Dankbarkeit an die gro-
ße Hilfe und Unterstützung durch die deut-
sche sowie norwegische Flugsicherung und
so viele andere. Das Wetter ist allerdings
noch schlechter als auf dem Hinweg. Aber
auch das geht. Beeindruckend, was wir mit
kleinen Flugzeugen leisten können.

REISE & ERLEBNIS


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1 | Bloß nicht notlanden müssen: Die karge Landschaft fasziniert, verdient aber auch Respekt
2 | Kleine Pause: Auf den langen Strecken knabbert der Pilot ein paar Nüsse – und es bleibt sogar Zeit
fürs kurze Nachschlagen einer Sehenswürdigkeit im Reiseführer
3 | Eher langsam: Die Piper PA-38 Tomahawk sollte 1977 als modernes zweisitziges Schulflugzeug
den Markt erobern. T-Leitwerke waren damals eine Modeerscheinung
4 | Tschüss, Hammerfest: Der Flugplatz im hohen Norden war das Ziel. Jetzt geht’s wieder nach Hause
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