Torries

(Marcin) #1

PRAXIS | FLIEGEN


beigetragen. Auch wenn die tatsächlichen
Reparaturkosten noch gar nicht aufgetre-
ten sind, so wissen wir doch relativ sicher,
dass sie kommen werden.
Ein wichtiger Punkt für uns war, wie wir
den Austritt eines Einzelnen aus der Halter-
gemeinschat regeln wollten. Wir einigten
uns darauf, dass es das Beste sei, wenn jeder
zu jeder Zeit aus der Gemeinschat austre-
ten kann, und zwar ohne dass der Grund ei-
ne Rolle spielt: wegen Arbeitslosigkeit, der
Gesundheit oder einfach nur, weil einem
die anderen Nasen nicht mehr passen.
Im Fall des Austritts müssen wir den An-
teil am Zeitwert des Flugzeugs auszahlen.
Ein Anspruch auf anteilige Rückzahlung
von Fixkosten besteht beim unterjährigen
Austritt nicht. Um die verbleibende Ge-
meinschat inanziell nicht zu sehr in Be-
drängnis zu bringen, wird die Rückzahlung
über zwei Jahre gestreckt. Die Rückzah-
lungsdauer kann verkürzt werden, wenn
ein williger Nachfolger angeschleppt wird,
der von allen anderen akzeptiert wird.
Ein sehr großes Streitpotenzial sahen
wir aber bei der Ermittlung des Zeitwerts.
Wir wollten ein transparentes Verfahren ha-
ben, mit dem wir jederzeit quasi auf Knopf-
druck sagen könnten, wie viel das Flugzeug
gerade Wert ist – und welchen Anteil je-
mand bekommt, wenn er ausscheiden will.
Es gibt zwei Probleme: Wir wollten ein
gebrauchtes Flugzeug kaufen, dessen Mo-
tor und Propeller bereits eine bestimmte
Laufzeit hinter sich hatten. Zudem hat jeder
von uns durch verschiedene Flugstunden
einen unterschiedlichen Einluss auf den
Wertverlust. Wenn man laufzeitlimitierte
Teile dann tauscht, verändert man wieder
den Wert des Flugzeugs. Während eines (ei-
gentlich als Familienurlaub vorgesehenen)
Kurztrips habe ich mir daran die Zähne aus-
gebissen – und meine Familie mit meinen
Denkblockaden belästigt.


Knackpunkt Zeitwert
Herausgekommen ist folgende Lösung: Ich
kannte die ungefähren Preise für die lauf-
zeitlimitierten Teile (lifetime limited parts,
kurz LLP) des Flugzeugs, also vor allem für
Motor, Propeller und Fallschirm. Und bei
einem konkreten Flugzeug weiß man auch,
welcher Anteil der vorgegebenen Laufzeit


dieser Komponenten bereits »verbraucht«
wurde. So kann man den Neupreis gegen
den Ist-Wert aufrechnen und den aktuellen
Wert der LLP bestimmen. Schon klar, dass
man Motor und Propeller on condition
über die time between overhauls (TBO)
hinaus betreiben kann. Dennoch habe ich
vorsichtshalber nur mit der TBO gerechnet.
Wenn wir die LLP darüber hinaus betreiben
können, umso besser.
Bei der Suche nach einem Flugzeug hat-
ten wir die Verkaufspreise der angebotenen
Exemplare in Abhängigkeit von ihrem Al-
ter genau analysiert. Daraus konnte ich ei-
ne Kurve des Wertverlusts der Zelle (ohne
die LLP) abschätzen. Der Einfachheit halber
nahm ich am Ende für die Cirrus SR22 einen
Wertverlust von 6,5 Prozent pro Jahr an.
Nun war ich in der Lage, für jedes Jahr in
der Zukunt den Gesamtwert des Flugzeugs
auszurechnen – aufgeteilt in drei Kompo-
nenten: die Zelle mit 6,5 Prozent Verlust pro
Jahr, die nach Kalenderzeit limitierten Teile
(etwa das Rettungssystem) mit dem Wert
entsprechend ihres Alters und die nach
Flugzeit limitierten Teile (Motor, Propeller)
mit dem Wert gemäß der bereits geloge-
nen Stunden.
Was mir jetzt noch fehlte, war die Autei-
lung von Anteilen auf die Miteigentümer,
da ja jeder eine andere Stundenzahl pro Jahr
liegt. Betrofen ist natürlich nur der dritte
oben aufgeführte Punkt. Das geht über ei-
nen Stundenanteil, zum Beispiel 22 Euro
pro Flugstunde Wertverlust für den Motor,
damit am Ende der TBO von 2000 Stunden
insgesamt 44 000 Euro für dessen Grund-
überholung zusammenkommen.
Zum Kaufzeitpunkt haben alle die glei-
chen Anteile an Zelle und LLP. Im Lauf der
Jahre verändert sich das abhängig von den
gelogenen Stunden eines Einzelnen. Je-
mand, der viel liegt, verbraucht auch mehr
vom Wert, jedenfalls bei Motor und Propel-
ler.
Es ist klar, dass diese Wertabschätzung
Ungenauigkeiten enthält und Wertschwan-
kungen im Flugzeugmarkt nicht berück-
sichtigt. Dennoch waren alle einverstanden,
auf diese Weise den Wert der Maschine zu
berechnen, wenn einer aussteigen wollte.
Ein besonderes Szenario quälte uns eine
ganze Weile: Was tun wir, wenn kurz nach

dem Flugzeugkauf ein kapitaler Motorscha-
den autritt? Dann sind ja noch keine Rück-
lagen für Motorüberholungen angespart.
Wir wollen auf jeden Fall sicherstellen, dass
wir weiterliegen können. Aber wie gewähr-
leisten wir, dass in diesem Fall wirklich je-
der zahlt. Eine Überlegung war, dies über
eine Bankbürgschat zu regeln. Dann wür-
de niemand schon vorher inanziell belas-
tet. Wir entschieden uns für einen anderen
Weg, nämlich dazu, den vor unserem Kauf
bereits abgelaufenen Wert aller LLP sofort
in einen Spartopf zu werfen.
Da kam ordentlich Geld zusammen:
Für den Motor 33 000 Euro, beim Propeller
3439 Euro und beim Fallschirm 2900 Euro.
In Summe würde jeder nochmal 10 000 Eu-
ro einlegen müssen. Das ist ein Betrag, der
sogar fast ausreichen würde, um den Mo-
tor komplett zu tauschen, wenn er sofort
kaputtginge.
Dem Leser sei hiermit verdeutlicht, dass
man sich frühzeitig Gedanken machen
muss, wann die großen Kosten für etwaige
LLP-Austausche möglicherweise anfallen
und wie man damit umgehen will.

Zahlungsverzug
Sollte jemand (aus welchem Grund auch
immer) seinen Zahlungsverplichtungen
nicht nachkommen, kann er durch einfa-
chen Mehrheitsbeschluss nach zweimali-
ger schritlicher Mahnung ausgeschlossen
werden. Es gelten dann die Regelungen wie
bei einem normalen Austritt, außer dass
natürlich die Restschuld einbehalten wird.
Neben dem Zahlungsverzug sollte es
auch möglich sein, jemanden gegen sei-
nen Willen von der Gemeinschat auszu-
schließen, wenn andere wichtige Gründe
vorliegen. Dazu gehört zum Beispiel un-
rechtmäßige Handhabung des Flugzeugs
(Gefährdung anderer, gefährliche Manöver)
oder Gesetzesverstöße (Alkohol, Fliegen
ohne gültige Lizenz, regelwidrige Überlas-
sung des Flugzeugs an andere).
Wir wollten aber auch irgendwie regeln,
was passieren soll, wenn jemand das Flug-
zeug nicht pleglich behandelt. Schließlich
geht es hier um einen großen Wert für je-
den einzelnen. Das war gar nicht so ein-
fach. Welche Fälle will man da im Vertrag
aufzählen? Stellt ein ungeputzt hinterlas-
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