Torries

(Marcin) #1
TEXT Samuel Pichlmaier

A


n heißen Tagen im Hochsom-
mer wird der Startlauf schon
mal zum Stresstest: Die ver-
minderte Leistung des Trieb-
werks verlängert die Strecke
bis zum Abheben unter Umständen deut-
lich, besonders bei schwächer motorisier-
ten Flugzeugen. Starke Sonneneinstrah-
lung und Hitze im Cockpit können aber
auch dem Piloten zusetzen und für Kon-
zentrationsprobleme und eine verminder-
te mentale Leistungsfähigkeit sorgen.
Der 30. Juni 2015 ist so ein Hochsom-
mertag. Schon am Morgen heizt die Sonne
die Lut über der Asphaltpiste in Egelsbach
auf. Der Pilot einer DA20-A1 Katana will vom
etwa 20 Kilometer südlich von Frankfurt
am Main gelegenen Verkehrslandeplatz zu
einem Rundlug in die nähere Umgebung
starten. Der 64-Jährige hat seine Lizenz für

Privatpiloten 2006 erworben und seither
insgesamt 260 Flugstunden gesammelt,
den größten Teil davon im Cockpit einer Pi-
per PA-28. Mit der schwächer motorisierten
DA20 hat er dagegen wenig Erfahrung. Ab-
gesehen von einem Flug im Frühjahr saß er
seit zwei Jahren nicht mehr am Steuer des
leichten 100-PS-Tiefdeckers. Mit an Bord ist
an diesem Morgen ein weiblicher Fluggast.
Nachdem die Katana mit 36 Litern Av-
gas betankt ist, rollt der Pilot zur Piste 08.
Um 10.45 Uhr, es ist 26 Grad warm, schiebt
er den Gashebel nach vorn und beginnt
mit dem Startlauf. Aber die Rotax-Katana
beschleunigt nur langsam. »Nicht so ein-
drucksvoll wie bei einer PA-28«, so empin-
det es der Pilot und erklärt sich den kratlo-
sen Startlauf mit der sommerlichen Hitze.
Bei einer Geschwindigkeit von 55 Knoten
zieht er das Höhenruder, um die Maschi-
ne in die Lut zu bringen. Nach seiner Ein-
schätzung ist er nach etwa einem Drittel
der Pistenlänge in der Lut.

Der Flugleiter teilt diese Einschätzung
jedoch nicht und beschreibt den Startlauf
im Nachhinein drastischer: Wie in Zeitlu-
pe habe sich das Flugzeug auf der Piste be-
wegt. Erst nach der Halbbahnmarkierung,
also nach mehr als 700 Metern Rollstrecke,
sei die DA20 in die Lut gekommen. Auch
die Geschwindigkeit schätzt der Flugleiter
mit 40 Knoten deutlich geringer ein als der
Pilot.
Nach dem Abheben wird es nicht viel
besser. Der Pilot empindet die Steigleis-
tung als gering, der Flugleiter kann gar kei-
nen Höhengewinn erkennen: Die Maschine
sei wenige Meter über dem Boden weiterge-
logen. Erst am Ende des Flugplatzgeländes,
am angrenzenden Bahndamm, sei sie kurz
gestiegen und dann mit einer Querneigung
von 45 Grad nach rechts abgedreht.
Zu diesem Zeitpunkt hat der Pilot keine
Kontrolle mehr über das Geschehen. Der
Tiefdecker verliert durch die Drehung deut-
lich an Höhe, kommt kaum über die mit

Zu wenig Schub


StArtprobleme Eine DA20 Katana nimmt beim Startlauf nur zögerlich
Fahrt auf. Der Pilot führt das auf die hohe Außentemperatur zurück und auf
Eigenheiten des Musters. Ein folgenreicher Irrtum

Böses Ende: Kurz nach dem Start stürzt der Zweisitzer auf eine Bahnstrecke, kollidiert mit einem Güterzug und geht in Flammen auf

PRAXIS | UNFALLAKTE


Fotos: Bundesstelle Für FlugunFalluntersuchung (2), Polizei, hersteller
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