Torries

(Marcin) #1
Plüschige Eiskristalle:
Vorsichtshalber hat
Ruedi Homberger Fläche,
Frontscheibe und Cowling
abgedeckt. Vor dem Start
zum Skiflieger-Treffen
muss der Rest vom Eis
befreit werden

TEXT Tom Huber
FOTOS Ruedi Homberger

E


inzelne Dieselfahrzeuge versul-
zen und stottern nur noch durch
die Winterlandschat. Mein Sko-
da läut zum Glück. Mit den di-
cken Winterstiefeln versuche ich,
die richtigen Pedale zu trefen. Die Dau-
nenjacken plustern sich im Sitzen lästig
auf. Gut, dass wir in Antdorf den Parkplatz
schon vor ein paar Tagen vom Schnee frei-
geräumt und die angefrorenen Hangartore
aus der Winterstarre gelöst haben. Der Eis-
nebel hat heute Nacht die Bäume, Sträu-
cher und sogar die feinsten Zaundrähte mit
plüschigen Eiskristallen überzogen.
Und alles ist in grauen Nebel gehüllt.
Kein Lütchen, das uns davon befreien
könnte. Wir sind nicht sicher, ob sich das
Grau wie gestern bald lichtet und die Kri-
stallwelt von der Januar-Sonne zum Leuch-
ten gebracht wird. Sie ist noch schwach –
glasklare Lut weiter oben würde ihr helfen,
die Wolkendecke Meter für Meter zu zerset-
zen ...
Schnurgerade steigt der Kaminrauch
aus dem kleinen Büro am Flugplatz. Mein
Freund Hombi aus der Schweiz hat es vor-
gezogen, gleich hier die Nacht zu verbrin-
gen, in der Nähe seiner geliebten Savage.
Jetzt wollen die unterkühlten Motoren

zum Leben erweckt werden. Es hatte minus
21 Grad heute Nacht, da wird’s wohl einige
Zeit dauern, bis wir daran denken können,
Feuer in den Zylindern zu machen.
Die Zehen wackeln in den dicken Tre-
tern durch die Kälte, im Büro wärmen wir
uns die Hände auf. Dann stellt sich geschäf-
tiges Treiben ein: Mit Haarföhn oder Ben-
zinkochern luten wir die gut abgeckten
Cowlings mit ordenlich warmer Lut. An
den Stahlseilen und am Propeller von Hom-
bis draußen geparktem Flieger blühen gan-
ze Eisblumenkolonien. Gut, dass wir Flügel
und Frontscheibe am Vorabend abgedeckt
haben, sonst müssten wir uns langwierig
um Eisbeseitigung kümmern. Trotzdem
dauert es dreimal so lang wie im Sommer,
bis die Maschine so da steht, dass man mit
ihr liegen kann.
In der Halle surren
gleich mehrere Vor-
wärm-Föhne. Immer
wieder wischen wir
über unsere smarten
Displays und checken
die Webcams der na-
hen Alpengipfel: Sie

ragen schon aus der der Suppe, der strah-
lenden Sonne entgegen! Die ersten Löcher
sind im grauen Nebelmeer zu erkennen.
Gegen elf Uhr zeigt sich ein gelber Strich
an der Wolkenuntergrenze, kaum 20 Minu-
ten später zergeht das morgens noch un-
aulöslich Scheinende. Die Symphonie der
Eiskristalle erstrahlt. Wir halten inne. Ein
magischer Moment. Sensationell.
Nun kommt Leben in die Meute. Auch
Ohlstadt, erfahren wir, ist nun ofen; dort
wollen wir alsbald die unberührte Schnee-
watte durchplügen. Während Hombi, der
liegende Fotograf, noch meine Frau Hilde
und mich für seine Motivideen braucht,
rutschen die ersten beiden Savage von
Claus Mayer und Gerhard Benker zum Start.
Weich kommen sie daher, jedes Flugzeug

»Ist Ohlstadt offen?«
Tom, Elly und Hilde Huber
beim Familienausflug. Die
Ski am UL sind verstellbar

MENSCH & MASCHINE

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