Our Cats

(avery) #1

82 Our Cats


J


edem Kat-
zenbesitzer
stellt sich
früher oder spä-
ter die Frage
will ich oder will
ich nicht? Will ich
einen etwa dreißig
bis vierzig Zentime-
ter großen haarigen
Lamborghini in der Woh-
nung haben der flach über
den Fußboden wetzt und ver-
störende herzzerfetzende Laute
aus der Tiefe seiner Motorhaube
von sich gibt oder nicht? In je-
dem Fall sollte man sich bewusst
machen: Wer sich kleine wollige
Babykätzchen wünscht muss zu-
vor ein großes rolliges Ungetüm
ertragen.

Als meine Katze Felice erst-
mals in die Sturm und Drang
Phase eintrat hätte sie als
Mensch wahrscheinlich Songs ge-
schrieben oder Gedichte verfasst.
Als hormonell aufgeputschte
Katze jedoch gab sie mir un-
missverständlich zu verstehen
dass sie nun nicht mehr die süße
Kleine war sondern der scharfe

Zahn der sich in der Nachbar-
schaft mal umsehen möchte
und das tat sie dann durchaus
unübersehbar. Und unüberhör-
bar. Während 90 Prozent ihres
Körpers flach wie ein Rochen
am Boden klebten erhob sich
ihr Schweif. Ich ahnte Schlim-
mes. Und dann kam das Ge-
röhre. Gefühlte tausend Dezibel
die schließlich nur durch den
Beischlaf des roten Nachbarska-
ters gedämpft wurden. Tatsäch-
lich gab es dann auch noch den
schwarz-weißen Kater beide be-
mühten sich um sie. Erfolgreich.
Aber diesen Anfall von Promis-
kuität möchte ich ihr in dieser
Not wirklich nachsehen.
Und dann war es plötzlich vor-
bei. Satt und zufrieden wurde
Felice wieder die schöne graue
ruhige und faule Katze die ich
kannte. Und ein bisschen fett.
Nicht grundlos wie mein Mann
und ich bald feststellten.
Als wir Wochen später beim
Tierarzt saßen nach notwendi-
gem Kaiserschnitt und damit ver-
bundener Sterilisation kam die
Assistentin nach langem Warten
ins Zimmer und legte uns beiden

je zwei schmale kaum behaarte
Dinger in die Hand. Waren es
Vogelbabys? Kleine Mäuse? Zu-
sammengeknüllte nasse Taschen-
tücher? Wir sollten sie streicheln
und wärmen und streicheln und
wärmen bis...
Irgendwann begannen sich diese
Wesen leicht zu regen. Sie leb-
ten tatsächlich! Vier kleine un-
fassbar liebe unterschiedlich ge-
färbte langsam warm werdende
Häufchen. Es war schon ein we-
nig surreal ein Tier in die Welt
zu streicheln.
Danach ging alles bald seinen
gewohnten Gang die süßen
Fellknäuel wurden größer fan-
den schließlich ein neues Zuhau-
se und Felice war wieder ganz
die Alte. Der röhrende Lambor-
ghini war zum leise schnurren-
den Elektroauto geworden.

Nur als ihr im folgenden Frühling
der rote Kater unter dem Fenster
klagend seine Aufwartung mach-
te kostete sie das lediglich ein
müdes Ohrenzucken als wollte
sie sagen:
„Liebeskummer lohnt sich nicht
my darling.“

von Adele Schwingenschlögl


Foto: Fotolia.com – nataba

KOLUMNE


Love is in the air


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