heumaps0517

(Ben Green) #1
ten vom Alter gezeigt (zum Beispiel weise, fürsorglich
oder krank, vergesslich). Anschließend werden die
Leistungen beider Gruppen in verschiedenen Berei-
chen miteinander verglichen.
Die Ergebnisse dieser Stu-
dien zeigen, dass die bloße
Konfrontation mit negativen
Bildern vom Alter die Be-
trachter situativ „altern“
lässt: Sie schneiden bei Ge-
dächtnisaufgaben schlechter ab,
weisen eine erhöhte kardiovasku-
läre Stressreaktion auf, gehen
langsamer und zittern beim
Schreiben stärker mit den
Händen als eine Ver-
gleichsgruppe ohne
eine solche experi-
mentelle „Behandlung“. Die gefunde-
nen Leistungsunterschiede haben nichts
mit dem chronologischen Alter zu tun, denn
die verglichenen Gruppen waren im Mittel
jeweils gleich alt und auch sonst sehr ähn-
lich. Die Aktivierung negativer Altersbilder
scheint demnach großen Einf luss auf das
Selbstvertrauen, die Motivation, möglichst
gut sein zu wollen, und damit das Leistungs-
potenzial älterer Menschen zu besitzen.
Eine Theorie, die sogenannte stereotype embodi-
ment theory, nimmt an, dass sich Altersstereotype
und Einstellungen zum eigenen Älterwerden insbe-
sondere auf dreierlei Wegen in uns ausbreiten und
ihre Wirkung fast wie eine Droge entfalten: psycho-
logisch, aktional und physiologisch.
Psychologisch: Je stärker jemand davon überzeugt
ist, dass Altern einem unkontrollierbaren Abbau und
Kontrollverlust gleicht, desto weniger wird er daran
glauben, den eigenen Alterungsprozess aktiv mitge-
stalten zu können – mit fatalen Folgen. Denn derar-
tige Überzeugungen können dann zur sich selbst
erfüllenden Prophezeiung werden: Was man befürch-
tet, tritt auch tatsächlich ein.
Verhalten: Negative Altersbewertungen hängen
mit einem weniger aktiven und weniger gesunden
Lebensstil und mit einem geringeren sozialen Enga-
gement zusammen, was vor allem die oben beschrie-
benen gesundheitlichen Auswirkungen zumindest
teilweise erklären kann.
Physiologisch: Negative Altersbewertungen gehen
mit Stress und Ängsten einher, und auch hier wissen
wir, dass sie – auf längere Sicht gesehen – höhere
Gesundheitsrisiken, eine geringere Lebenszufrieden-

heit und nachlassende kognitive Funktionen mit sich
bringen.
Treten diese Wirkungen dann tatsächlich ein, be-
stätigen sie wiederum die negativen Annahmen dem
eigenen Altern gegenüber. Dieser ziemlich üble Teu-
felskreis wird noch verstärkt durch die folgende Ein-
sicht: Laut einer Metaanalyse, die die Ergebnisse
verschiedener Arbeiten zu-
sammenfasst, sind die ne-
gativen Konsequenzen von
negativen Altersstereotypen
etwa um ein Dreifaches stär-
ker als die positiven Konse-
quenzen von positiven Alters-
bewertungen. Schlechtes ver-
stärkt somit Schlechtes
stärker als Gutes Gutes.

Sind wir unseres Alterns
Schmied?
Können wir unser Altern selbst in die
Hand nehmen? Können wir selbst un-
sere Entwicklung steuern? Wir stehen heu-
te einem vielschichtigen, in manchen Aspek-
ten widersprüchlichen und ambivalenten
Altern gegenüber. Genau das ist heutiges Al-
tern auch psychologisch gesehen: auf der einen
Seite eine lange, ja die längste Lebensphase mit vie-
len Möglichkeiten für positive Erfahrungen und per-
sönliche Weiterentwicklung. Nie hatten Menschen
so lange Zeit, ihr spätes Leben zu gestalten und damit
möglicherweise sogar ihrem Leben insgesamt noch
einmal ganz neue Impulse zu geben.
Auf der anderen Seite dringen die Verluste und
Begrenzungen des heutigen Älterwerdens an den un-
terschiedlichsten Stellen in seine „Gewinnzonen“ ein,
führen diese nicht ad absurdum, aber stellen doch
die heute nicht seltene Fantasie eines unangefochte-
nen Projekts „Gutes Altern“ auch wieder völlig in-
frage. So lassen negative Altersbilder heute weiterhin
Entwicklungspotenziale schon in den Köpfen altern-
der Menschen verkümmern, und gewichtige Verlus-
te sind ein natürlicher Teil des Älterwerdens. Beson-
ders deutlich wird dies beim Thema Gesundheit. Es
wird wohl beides auf uns zukommen: eine längere
Lebenszeit in hoher Kompetenz und eine längere Le-
benszeit in Hilfe- und Pf legebedürftigkeit. Beides,
sage ich, gehört zu einem erfolgreichen Alter. Deshalb
i s t A lter n i n s ei nem Ker n du rchau s s o e t wa s w ie ei ne
Sisyphosarbeit. Meist wird der Begriff der Sisyphos-

Nie zuvor
hatten Men-
schen so viel
Zeit, ihr spä-
tes Leben zu
gestalten
und ihrem
Leben neue
Impulse zu
geben


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