DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,27.NOVEMBER2019 THEMA DES TAGES 3
braucht. Die zur Verfügung ge-
stellten Mittel sind so gut wie aus-
geschöpft. Und die Digitalisierung
hilft ja gerade, besser zu verwalten
und zu dokumentieren. Dazu zählt
im Übrigen auch, Brüsseler Aufla-
gen künftig einfacher zu handha-
ben, auch das hilft den Landwir-
ten, erleichtert ihre Arbeit.
Die Milchwirtschaft in
Deutschland hat eine Schatten-
seite. Bis zu 200.000 Kälber
werden in den ersten zwei Le-
benswochen illegal getötet, die
Dunkelziffer ist vermutlich viel
höher, weil tot geborene Kälber
nicht gemeldet werden müssen.
Werden Sie die Milchbauern
künftig besser kontrollieren?
Die Länder sind vor Ort für Kon-
trollen zuständig. Unsere Nach-
fragen haben diese Schätzungen
und Zahlen nicht bestätigt. Eine
solche Praxis wäre ganz klar ein
Verstoß gegen das Tierschutzge-
setz. Im Übrigen: Wenn wir in
Deutschland mehr Tierwohl wol-
len, müssen wir bereit sein, für
Lebensmittel auch mehr zu zah-
len. Wenn wir nicht bereit sind,
für einen Liter Milch mehr zu
zahlen als für irgendein Brause-
getränk, dann muss der Milch-
bauer auch auf Menge setzen, da-
mit er auf seine Kosten kommt.
Viele Landwirte würden gerne
mehr Biomilch absetzen, aber
der Markt ist zur Zeit gesättigt.
Klar ist: Landwirte sind Unter-
nehmer, und sie erzeugen das,
was vom Verbraucher nachge-
fragt wird. Es liegt auch an uns,
wie sich Landwirtschaft entwi-
ckeln kann.
TTTausendeausende
TTTraktorenraktoren
legen den
VVVerkehr inerkehr in
Berlin lahm
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rück. Die Lufttemperåatur habe
sich allein binnen fünf Jahren
um 0,3 Grad erhöht. Seit 1881 sei
so die mittlere Lufttemperatur
um 1,5 Grad gestiegen. „Es ist
nicht auszudenken, wenn sich
dies in dieser Geschwindigkeit
fortsetzen würde“, sagte Um-
weltministerin Svenja Schulze
(SPD). Starkregen und extreme
Hitzeperioden würden „immer
häufiger.“
Allerdings zeigt sich der fast
300 Seiten starke Bericht in sei-
nen Einzelkapiteln durchaus vor-
sichtiger, als die Politiker in ihrer
Interpretation. Für Hoch- oder
Niedrigwasser-Ereignisse, die in
den Medien schnell dem Klima-
wandel zugeschrieben werden,
ließen sich „signifikante Trends
bisher nicht feststellen“, heißt es
in der Untersuchung. „Niedrig-
wasser-Ereignisse: Keine klima-
bedingte Häufung erkenntbar“,
lautet eine Zwischenüberschrift
in dem Bericht. Für Hagelergeig-
nisse zeige sich gar „ein fallender
Trend.“
Auch die Schneearmut in den
Winterski-Gebieten sei über die
Jahre betrachtet kein eindeutiges
Phänomen. „Für keinen der ski-
touristischen Räume in Deutsch-
land zeigt die Anzahl der Tage
mit einer natürlichen Schneede-
cke von mindestens 30 Zentime-
ter einen signifikanten Trend“,
stellt der Bericht klar. In allen
diesen Räumen traten in den
letzten knapp fünf Jahrzehnten
immer mal wieder sowohl
schneearme als auch schneerei-
che Winter auf.
K
urz vor der am Montag be-
ginnenden Weltklimakon-
ferenz in Madrid will es
die Bundesregierung nicht an
eindringlichen Warnungen feh-
len lassen. Schließlich soll ja auch
Deutschland die geplante Ver-
schärfung der europäischen
CO2-Einsparziele mittragen und
umsetzen.
VON DANIEL WETZEL
Nachdem man aber gerade
erst der Bevölkerung schon CO2-
Abgaben auf Benzin und Heizöl
angekündigt hatte, muss die
Rechtfertigung für weitere An-
strengungen besonders handfest
ausfallen. Die Bundesregierung
hat deshalb jetzt zum ersten mal
die Rubrik „hitzebedingte Ster-
befälle“ in ihren Monitoring-Be-
richt zum Klimawandel aufge-
nommen. Deutsche Klimatote, so
das Kalkül, rechtfertigen jeden
Anstrengung Kampf gegen die
Erderwärmung.
Weil im Zuge des Klimawan-
dels die Zahl der Hitzetage zu-
nimmt, starben in den besonders
heißen Jahren wie etwa 2006
oder 2015 rund 6000 Menschen
mehr, als in normal temperierten
Jahren. So steht es im neuen Kli-
mafolgen-Bericht von Umwelt-
bundesamt (UBA) und Bundes-
umweltministerium. Für UBA-
Präsidentin Maria Krautzberger,
handelt es sich deshalb um „die
größte Naturkatastrophe in
Deutschland, die wir in den letz-
ten 50 Jahren hatten.“
Wenn politische Argumente so
drastisch werden, erscheint es
geboten, die Hintergründe mög-
lichst weit auszuleuchten. Woher
kommen solche Zahlen? Der
neue Klimabericht gibt schließ-
lich selbst zu, dass „Sterbefälle,
die mit Hitzeeinflüssen verbun-
den sind, in der Regeln anderen
Todesursachen zugeschrieben
werden“, nämlich etwa einem
Herz-Kreislauf-Versagen oder ei-
ner Dehydrierung. In Ermange-
lung eindeutiger medizinischer
Daten musste der Klimafolgen-
Bericht daher auf statistische Ab-
leitungen zurückgreifen. Ein kau-
saler Zusammenhang wird so
nicht beschrieben, sondern ledig-
lich eine Korrelation festgestellt.
So haben die Statistiker die
„wöchentliche Gesamtsterblich-
keit“ nach Bundesländern und
Altersjahrgängen zwischen 2001
und 2015 analysiert. Dabei zeigte
sich, dass bei einer Wochenmit-
teltemperatur von über 20 Grad
Celsius mehr Menschen sterben.
„Die Zahl der hitzebedingten To-
desfälle wird geschätzt als Diffe-
renz der modellierten Mortalität
und einem hypothetischen Mor-
talitätsverlauf, der sich ergäbe,
wenn die Wochenmitteltempera-
tur nicht über 20°C steigen wür-
de“, erklären die Berichterstatter
des Bundesumweltministeriums.
Wenig überraschend sei die Rate
der Sterblichkeit pro 100.
Einwohnern, „in der Altergruppe
85+ besonders hoch.“
Die tendenziell viele Hitzeta-
ge in den Sommern der letzten
Jahre führt der Monitoringbe-
richt åauf die Erderwärmung zu-
Die aktuellen Auswirkungen
des Klimawandels auf die Land-
wirtschaft seien differenziert zu
beurteilen. Sollten sich in der Zu-
kunft Starkregen-Ereignisse und
heiße Witterungsperioden häu-
fen, werde das örtlich zu Wasser-
knappheiten und geringeren Ern-
teerträgen führen. „Andererseits
steigern ein moderater Tempera-
turanstieg und eine verlängerte
Vegetationsperiode bei ausrei-
chender Wasserversorgung das
Ertragspotenzial“, heißt es in
dem Bericht: „Außerdem können
sich Bedingungen einstellen, die
auch den Anbau von bisher nicht
in unseren Breiten kultivierbaren
Fruchtarten ermöglichen.“
Die Studie erscheint im Vor-
feld der diesjährigen Weltklima-
konferenz, die am kommenden
Montag in Madrid beginnt. 2020
sollen die Staaten sich dann auf
schärfere Klimaziele verständi-
gen, um wie im Pariser Vertrag
vereinbart die Erderwärmung auf
deutlich unter zwei Grad gegen-
über der vorindustriellen Zeit zu
drücken.
Die UN stellte fest, dass welt-
weit die Treibhausgas-Emissio-
nen einen neuen Höchststand er-
reicht haben. Schärften die Staa-
ten ihre Ziele nicht nach, werde
die Erderwärmung doppelt so
hoch ausfallen wie im Pariser Kli-
mavertrag vereinbart. „Wir müs-
sen die Gesellschaften in den
nächsten zehn Jahren umbauen“,
verlangte der Chef des UN-Um-
weltprogrammes, John Christen-
sen. „Je länger man wartet, um so
schwieriger wird es.“ Bei den
Deutschen trifft dies einer Um-
frage zufolge auf offene Ohren:
Der Kampf gegen den Klimawan-
del sehen darin demnach die
größte Herausforderung für die
Außenpolitik. 31 Prozent der Be-
fragten sehen das so, wie aus ei-
ner Umfrage der Körber-Stiftung
hervorgeht. 2018 waren es dem-
nach nur fünf Prozent.
Selbst dann wird der Klima-
wandel aber bereits unabwendba-
re Folgen haben, mit denen die
meisten Staaten schon zu kämp-
fen haben: „Es geht nicht nur um
Gletscher und Eisbären, es be-
trifft uns hier in Deutschland“,
sagte Schulze. Sie werde dafür
kämpfen, dass die EU ihre Klima-
ziele im nächsten Jahr verschärfe.
Krautzberger verwies darauf,
dass die Wälder extrem unter der
Erwärmung litten und gewaltige
Schäden dort entstünden.
Deutschland hat im November
eine Klimaschutzgesetz be-
schlossen, mit dem die bestehen-
den Ziele in den nächsten Jahr-
zehnten erreicht werden sollen.
Im Mittelpunkt stehen dabei
Sektoren wie Verkehr, Gebäude
und Landwirtschaft, wo die Pläne
auch auf Widerstand treffen.
Tausende Bauern demonstrier-
ten mit ihren Treckern im Berli-
ner Regierungsviertel unter an-
derem gegen verschärfte Regeln
beim Einsatz von Kunstdünger.
Kein signifikanter
Klimatrend
Die Bundesregierung warnt vor tödlichen
Folgen der Erderwärmung. Doch die
Datenlage in ihrem Bericht ist unsicher
Hitzebelastung
Quelle: DWD
2017
Tage
Anzahl von heißen Tagen (Temperatur max. mindestens: 30°C)
Anzahl von Tropennächten (Temperatur min. mindestens: 20°C)
Skifahrer sitzen bei Oberstdorf (Schwaben) in einem Sesselllift
PICTURE ALLIANCE/ DPA
/ STEFAN PUCHNER