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RUAN
bedrückender Ort – eine von mehre-
ren Gedenkstätten in der Hauptstadt
Kigali, die an die 100 Tage im Jahr
1994 erinnern, an denen ethnische
Kämpfe im Land wüteten.
Ausgelöst wurde der Völkermord,
als Hutu-Extremisten Tutsi-Rebel-
len für den Abschuss eines Flug-
zeugs verantwortlich machten. An
Bord waren auch Ruandas Präsident
Juvénal Habyarimana und Burun-
dis Präsident Cyprien Ntaryamira
gewesen. Wie etwa 85 Prozent der
Bevölkerung Ruandas war Habya-
rimana Hutu.
Die Auseinandersetzung über
den tödlichen Absturz gipfelte in
einem massenhaften Morden, dem
Schätzungen zufolge eine Million
Tutsi zum Opfer fielen. Auch Tau-
sende Hutu kamen ums Leben.
Laut Berichten wurden mehr als
250 000 Frauen vergewaltigt, rund
95 000 Kinder verwaisten. Nach
dem Bürgerkrieg waren die meisten
der verbliebenen sechs Millionen
Einwohner Ruandas Frauen.
Die Besucher im Campaign
Against Genocide Museum gehen
im Dunkeln durch sieben Galerien
mit erschütternden Bildern, Videos
und Landkarten. Das Museum be-
findet sich gleich neben dem Parla-
ment und gegenüber dem Obersten
Gericht – zweier Institutionen, die
durch die Gräuel für immer ver-
ändert wurden.
Alice Urusaro Karekezi erinnert
sich an jene Zeit und an die Frage,
wie es danach mit Ruanda weiter-
gehen sollte. Als Menschenrechts-
anwältin war sie 1997 führend da-
ran beteiligt, die Vergewaltigungen
als Kriegsverbrechen zu ahnden.
Zwei Jahre später half sie bei der
Gründung des Zentrums für Kon-
fliktbewältigung. „Die Mehrzahl der
Toten waren Männer“, sagt Kare-
kezi. „Die Mehrzahl der Geflohenen
- Männer. Die Mehrzahl der Gefan-
genen – Männer. Wer also sollte das
Land regieren?”
Auf die dramatische Situation
reagierten die Frauen mit Pragma-
tismus und übernahmen neue Rol-