Handelsblatt - 01.11.2019

(Brent) #1
Blick auf das als „Gherkin“
(Gurke) bekannte Hochhaus
in London: Mit Fonds können
sich Anleger an gewerblichen
Immobilien beteiligen.

Getty Images


Kurzfristig
können sich
Immobilien -
Aktien nicht
von der
generellen
Aktienmarkt -
entwicklung
entkoppeln.
Helmut Kurz
Ellwanger & Geiger

Matthias Streit, Anke Rezmer Erfurt, Frankfurt


E


ine stabile Rendite von vier Prozent im
Jahr für eine Geldanlage. Wo gibt es das
heute noch? Eigentumswohnungen sol-
len solche Erträge noch abwerfen,
glaubt man einschlägigen Immobilien-
portalen. Und wer die Objekte mit Bankdarlehen
kauft und mit Preissteigerungen rechnen kann, darf
sogar noch mehr erwarten.
Kein Wunder, dass in Zeiten der Niedrigzinsen vie-
le Kapitalanleger auf Immobilien setzen. Doch eine
Wohnung zur Kapitalanlage bedeutet auch eine Men-
ge Kosten, die die Rendite drücken – von den Neben-
kosten beim Kauf über Ausgaben für Instandset-
zungsmaßnahmen bis zum potenziellen Mietausfall.
Wer seine Altersvorsorge in eine einzige Immobilie
steckt, für den ist der Erwerb aber vor allem eines:
ein Klumpenrisiko. Eine Immobilieninvestition sollte
generell nicht mehr als 20 Prozent des Portfolios aus-
machen, lautet das Ergebnis einer Studie der Irebs-
Immobilienakademie an der Universität Regensburg.
Wer sich an diese Faustregel hält, muss also entwe-
der viel Kapital besitzen – oder sein Geld in verschie-
dene Immobilien stecken, also indirekt investieren.
Fonds
Zu den beliebtesten Immobilienanlagen der Deut-
schen gehören offene Immobilienfonds. In diesem
Jahr überstieg das Volumen der Fonds die Schwelle
von 100 Milliarden Euro Vermögen. In den ersten
acht Monaten zogen sie netto mehr als sieben Mil-
liarden Euro neues Kapital an – doppelt so viel wie
ein Jahr zuvor. Mit offenen Immobilienfonds kön-
nen sich Privatanleger schon mit Beträgen zwi-
schen 40 und 60 Euro an großen gewerblichen Im-
mobilienportfolios beteiligen. Die größten Anbieter

mit milliardenschweren Fonds heißen etwa Union
Investment, Deka und DWS.
Die Rendite nach Kosten der breit aufgestellten
Fonds, die sowohl in Büros, Shoppingcenter oder
auch Logistikimmobilien investieren, lag im Schnitt
zuletzt bei 3,1 Prozent im Jahr, zeigt eine Analyse der
Ratingagentur Scope. Kurzfristig könnte sich das
noch steigern, mittelfristig aber drohen Dämpfer.
„Die Aufwertungen im Bestand, die zuletzt maßgeb-
lich für die Renditesteigerungen sorgten, werden
sich in den kommenden Jahren aller Voraussicht
nach abschwächen“, erklärt Sonja Knorr, Analystin
von Scope. Außerdem müssen die Kapitalpuffer der
Fonds zu Negativzinsen angelegt werden. Das drückt
die Rendite. In der Vergangenheit wurden einige
Fonds vorsorglich geschlossen, weil keine passenden
Immobilien für das viele Kapital gefunden wurden.
Die K urse der Immobilienfonds schwanken deut-
lich weniger als Aktienfonds. Denn die Preise der
Fonds werden nicht über die Börsen geregelt. Die
Immobilienanlagen werden quartalsweise von unab-
hängigen Sachverständigen bewertet.
Fondsanlegern muss klar sein, dass sie damit eine
nur bedingt liquide Anlage besitzen. Für offene Im-
mobilienfonds gilt eine Mindesthaltefrist von zwei
Jahren. Und wer Fonds kündigt, muss ein Jahr auf
sein Geld warten. Diese Maßnahmen waren eine Re-
aktion auf die Finanzkrise 2007, die ihren Ursprung
am Immobilienmarkt hatte. Damals mussten einige
große Fonds abgewickelt werden: Anleger hatten ihr
Geld zurückverlangt, die Fonds aber nicht genügend
Kapitalpuffer, um sie auszuzahlen. Immobilien muss-
ten zur Unzeit mit Verlusten verkauft werden, die
Anleger zu spüren bekamen. „Die Gefahr, dass ein
Fonds-Run zu Liquiditätsproblemen führt, ist heute
deutlich geringer als früher“, sagt Steffen Sebastian,
Professor für Immobilienfinanzierung der Irebs.

Die Produkte sind vergleichsweise teuer. „Bei offe-
nen Immobilienfonds müssen Anleger Ausgabeauf-
schläge von meist fünf bis sechs Prozent und jährli-
che Managementgebühren von rund einem Prozent
zahlen“, erklärt Sebastian.
Weil die Nachfrage im Moment trotzdem so groß
ist, kommen immer neue Fonds auf den Markt.
Nachteil: Sie kaufen Immobilien zu den aktuell ho-
hen Preisen am Markt, während die altbekannten
Fonds eine breite, günstiger angekaufte Grundlage
im Portfolio besitzen. Und es kommen spezialisierte
Angebote auf, etwa Wohnfonds oder ein auf Nahver-
sorger ausgelegter Fonds von Habona. Sebastian rät:
„Wer einen solchen Fonds kauft, sollte mehrere
Fonds im Depot halten, um Risiken zu streuen.“
Renditen im zweistelligen Prozentbereich verspre-
chen sogenannte geschlossene Fonds. Größeren
Chancen stehen dort höhere Risiken gegenüber. An-
ders als bei offenen Immobilienfonds beteiligen sich
Anleger hier unternehmerisch und investieren in
nur eine oder sehr wenige Immobilien. Bei Fonds,
die in mindestens drei Objekte investieren, liegt die
Mindestanlage oft bei 10 000 Euro, bei Fonds, die
nur in ein Projekt investieren, bei 20 000 Euro. Nicht
selten fallen zehn bis zwanzig Prozent Kosten an.
Auch betragen die Haltefristen üblicherweise acht
bis 15 Jahre. Abhilfe verspricht zwar ein Zweitmarkt.
„Wer aber einen Fonds loswerden möchte, der pro-
blematisch läuft, wird das beim Wiederverkaufswert
zu spüren bekommen“, warnt Knorr von Scope.
Aktien
Der große Vorteil von Immobilien-Aktien gegenüber
Fonds ist ihre Liquidität. Sie können auch ohne Hal-
tefrist verkauft werden. Der Nachteil: Aktien schwan-
ken wesentlich stärker. „Kurzfristig können sich Im-
mobilien-Aktien nicht von der generellen Aktien-

Beton fürs Portfolio

Auf der Suche nach sicheren Anlagen entscheiden sich viele Deutsche für Immobilien.
Doch viele wollen den Aufwand des Vermieter-Daseins umgehen. Für Investoren gibt
es verschiedene Alternativen.

Private


Geldanlage


(^34) WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211

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