Die Welt Kompakt - 18.11.2019

(Tina Sui) #1

gration gemacht haben und beim
Thema Dienstpflicht noch planen.


Reicht das, um die CDU zur
Größe einer Volkspartei zu-
rückzuführen?
Nein. Die Leute erwarten von
uns, dass wir ein bisschen größer
denken. Wir müssen in der Uni-
on ein Feuer entfachen für die
Zukunftsvisionen für die 2020er-
und 2030er-Jahre. Wir brauchen
eine eigene Agenda, die mehr
sein muss, als sich zwischen den
Rändern zu bewähren. Wir müs-
sen es schaffen, programmatisch
eigene Linien zu entwickeln. Wie
schaffen wir es zum Beispiel, Ver-
trauen in den Staat zurückzuge-
winnen? Wie schaffen wir es, ei-
ne positive Debatte über einen
offenen Patriotismus zu führen?


Das klingt nicht unbedingt
nach einem Plan, der in der gro-
ßen Koalition leicht in die Tat
umzusetzen wäre.
Dass die GroKo nicht mehr der
Kerntreiber für Visionen ist, ist
zutreffend. Es sollte uns aber
nicht daran hindern, eigene pro-
grammatische Inhalte zu entwi-
ckeln. Die Kunst besteht für bei-
de Volksparteien wohl darin, ei-
gene Konzepte zu entwickeln, die
nicht gleich als Infragestellung
des Bündnisses interpretiert
werden. Das wollen die Leute
nämlich auch nicht.


Sie haben erwähnt, dass das
Thema Huawei auf dem Partei-
tag eine große Rolle spielen
werde. Zwei Anträge sehen vor,
den chinesischen Ausrüster
vom Ausbau des 5G-Netzes aus-
zuschließen. Das wäre ein Vo-
tum gegen die Kanzlerin und
auch gegen die Parteivorsitzen-
de, die so einen pauschalen
Ausschluss ablehnen. Teilen Sie
das Anliegen der Antragsteller?
Es geht nicht um einen pauscha-
len Ausschluss, sondern um eine
rechtssichere und handhabbare
Lösung. Diese brauchen wir aber


dringend, da ich ausdrücklich die
Sorge teile, dass eine Beteiligung
chinesischer Ausrüster die Si-
cherheit unseres Landes gefähr-
den kann. Bei 5G geht es nicht
mehr nur um Telekommunikati-
on, sondern es wird die Grundla-
ge für Smart Citys, für Telemedi-
zin und für unsere kritische In-
frastruktur. Ich will mir in zehn
Jahren nicht vorwerfen lassen
müssen, dass wir uns durch fal-
sche Entscheidungen in die Ab-
hängigkeit der Kommunistischen
Partei Chinas gebracht und unser
westliches Wertefundament be-
schädigt haben. Ich bin der fes-
ten Überzeugung, dass wir hier
eine der wichtigsten Fragen für
das Staatswohl der Bundesrepu-
blik zu klären haben. Ich will,
dass wir auf dem Parteitag zu ei-
ner klaren Linie kommen.

Unionsfraktionschef Ralph
Brinkhaus hat angekündigt, im
Gesetzgebungsprozess darauf
zu achten, dass höchste Sicher-
heitsstandards eingehalten
werden. Warum das Votum auf
dem Parteitag?
Es ist richtig, dass wir uns dieses
Themas bei der Novellierung des
Telekommunikationsgesetzes im
Frühjahr nächsten Jahres ausführ-
lich annehmen, aber bis dahin
dürfen wir nicht untätig bleiben,
weil die Vergabe der 5G-Lizenzen
an die Telekommunikationsunter-
nehmen ja bereits erfolgt ist und
diese jetzt mit dem Aufbau des
Netzes beginnen. Ich will nicht,
dass jetzt schon im großen Stil
chinesische Bestandteile bestellt
werden, für deren Nichtverwend-
barkeit der Staat dann im Fall ei-
nes China-Ausschlusses eventuell
haftbar gemacht werden könnte.
Wir dürfen uns nicht vor voll-
endete Tatsachen stellen lassen,
sondern sind jetzt zum Handeln
aufgerufen. Ich kann jedes Inte-
resse an guten Handelsbeziehun-
gen zu China verstehen, aber das
Interesse unserer nationalen Si-
cherheit wiegt für mich höher.

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DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,18.NOVEMBER2019 POLITIK 7


S


einen enormen Einfluss in
der AfD hat Björn Höcke
auch dadurch erlangt,
dass er innerhalb wie außerhalb
der Partei als Gradmesser rech-
ter Gesinnungen gilt. Wer für
den Thüringer Landeschef ist,
wird dem rechtsradikalen bis
rechtsextremen Lager zugeord-
net – meist zu Recht. Aber wer
sich gegen den Protagonisten des
völkischen Flügels stellt, soll au-
tomatisch gemäßigt sein. Dass
dies zu einfach ist, zeigt sich in
Rheinland-Pfalz.

VON MATTHIAS KAMANN

In der dortigen AfD müssten
nach dem genannten „Höcke-
Schema“ fast durchweg Modera-
te den Ton angeben. Denn viele
einflussreiche Funktionäre des
Landesverbands unterzeichneten
im Sommer einen „Appell“, der
sich gegen die Machtambitionen
des Flügels und einen „Personen-
kult“ um Höcke richtete. Aber ei-
nen ersten Riss bekommt das
Bild von der Honorigkeit der Un-
terzeichner an Rhein und Mosel
durch das bisherige Landesvor-
standsmitglied Stefan Scheil. Der
betätigt sich als Historiker des
Zweiten Weltkriegs und verbrei-
tet in zahlreichen Schriften ge-
schichtsrevisionistische Thesen
von einer angeblichen Kriegstrei-
berei der Westmächte und Hit-
lers vermeintlicher Angst vor ei-
nem bevorstehenden Angriff der
Sowjetunion auf Deutschland.
Für den zweiten Riss sorgte
der bisherige Landeschef Uwe
Junge. Auch er unterzeichnete
den „Appell“. Er wird dafür kriti-
siert, dass er den Saalschutz von
AfD-Veranstaltungen einer Secu-

rity-Firma übertragen hat, die an
keineswegs untergeordneter
Stelle ein ehemaliges NPD-Mit-
glied beschäftigt – wovon Junge
wusste. Auf Twitter wurde Junge
bekannt durch die Frage „Wo
bleibt der Aufstand der Genera-
le?“ sowie sein Wort von der „Re-
chenschaft“, zu der „Anhänger
der Willkommenskultur“ gezo-
gen werden sollten.
Junge indes ist im Landesvor-
stand aus dem Spiel, weil er beim
Parteitag in Bingen nicht mehr
als Vorsitzender kandidierte und
stattdessen Ende November in
den Bundesvorstand der AfD ge-
wählt werden will. Seine Chan-
cen dabei gelten als nicht sonder-
lich gut. Junges Nachfolger in
Rheinland-Pfalz sollte und woll-
te Joachim Paul werden, Frakti-
onsvize im Mainzer Landtag. Zu
diesem „Appell“-Unterzeichner
präsentierte der SWR starke
Hinweise, dass er für eine NPD-
nahe Zeitschrift geschrieben ha-
be. Dies bestreitet Paul zwar,
aber die Vorwürfe waren gravie-
rend genug, um ihn Ende vergan-
gener Woche plötzlich auf die
Kandidatur als Landeschef am
Samstag verzichten zu lassen.
AAAls Ersatzmann für Paul sprangls Ersatzmann für Paul sprang


  • in Absprache mit ihm – kurzfris-
    tig der Landtagsabgeordnete Mi-
    chael Frisch aus Trier ein. Dieser
    „Appell“-Unterstützer wurde am
    Samstag in Bingen dann auch ge-
    wählt und setzte sich mit eine
    Mehrheit von 74,6 Prozent gegen
    die Landtagsabgeordnete Gabrie-
    le Bublies-Leifert durch. Sie ist
    ein spezieller Fall, weil sie zwar
    der Partei, nicht aber der Fraktion
    im Landtag angehört: Bublies-
    Leifert, die dem Flügel tatsächlich
    nahesteht, trat vor einigen Mona-


ten aus der Fraktion aus, nach-
dem ihr rechtsextreme Kontakte
vorgeworfen worden waren. Sie
selbst wiederum hatte sich umge-
kehrt über NPD-Verbandelungen
im Junge-Umfeld beschwert.
Solche Verbandelungen sieht
sie auch beim neuen Landeschef
Frisch. Auf ihrer Facebook-Seite
veröffentlichte Bublies-Leifert
am 14. November einen Text, wo-
rin es heißt, „dass Michael Frisch
ein ehemaliges NPD-Mitglied be-
schäftigt“. Nach WELT-Informa-
tionen soll es sich dabei um ei-
nen Vorgang in der von Frisch
geleiteten Trierer AfD-Stadtrats-
fraktion gehandelt haben. Eine
diesbezügliche Anfrage an Frisch
beantwortete er am Freitag-
abend so, dass die AfD-Fraktion
in Trier „zur Zeit“ keine Mitar-
beiter beschäftige.
Im Mai 2018 beteiligte sich
Frisch zusammen mit Aktivisten
der rechtsextremen Identitären
Bewegung (IB) an einer Demons-
tration in Trier. Später nahm er
die IB gegen Kritik in Schutz.
Dass Frisch anstelle von Paul
zum Vorsitzenden gewählt wur-
de, heißt nicht, dass Paul im neu-
en Landesvorstand keine Rolle
spielen wird. Vielmehr wurde
Paul in Bingen mit dem für AfD-
Verhältnisse spektakulären Er-
gebnis von 88 Prozent zum Bei-
sitzer im Vorstand gewählt.
Der neue Landeschef Frisch
sagte in Bingen, er sehe für die
AfD in Rheinland-Pfalz ein Po-
tenzial von deutlich mehr als je-
nen 12,6 Prozent, die sie bei der
Landtagswahl 2016 errungen hat-
te. In der jüngsten Umfrage zur
politischen Stimmung in dem
Bundesland liegt die AfD bei elf
Prozent.

Wenn auch Höcke-Gegner unter


NPD-Verdacht geraten


In der rheinland-pfälzischen AfD erheben alle Extremismus-Vorwürfe

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