Audi
Probleme
verschleppt
A
udi bleibt weit unter den Er-
wartungen. Dies gilt für den
Absatz wie auch für die Ren-
tabilität und die Position als Num-
mer drei der Premiumhersteller
hinter BMW und Daimler. Dabei
kann die Volkswagen-Tochter viel
mehr. Als Teil des weltgrößten Au-
toherstellers müsste Audi bei Kos-
ten, Technik und Vertrieb weit vor
der Konkurrenz liegen.
Die Gründe sind vielfältig. Sicher-
lich haben die vielen Vorstands-
wechsel und die Verstrickung in
den Dieselskandal zur Krise beige-
tragen. Aber die Ursachen sind
nicht nur in Ingolstadt zu finden.
Schuld an der Misere trägt auch der
Mutterkonzern.
Der Vorstand von Volkswagen hat
den Ableger in Bayern lange Jahre
sich selbst überlassen. Die Audianer
konnten so vor sich hin wurschteln.
Die Wirkung ist fatal: Ohne eine ef-
fektive Kontrolle durch VW konn-
ten Audi-Ingenieure die Abgaswerte
von Dieselautos fälschen und die
Aufklärung des Betrugs verzögern.
Auch bei der Entwicklung neuer
Modelle und der Einbindung in den
Gesamtkonzern ließ die Zentrale
dem Spross zu viel Raum.
Das Problem Audi ist damit zu ei-
nem Problem für die VW-Gruppe
geworden. Die nämlich braucht das
Geld des einst größten Gewinnbrin-
gers, um die Investitionen für den
Umstieg von Öl auf Strom als An-
triebsmittel zu stemmen.
Nachdem die VW-Führung um
Konzernchef Herbert Diess die Kri-
se bei Audi lange Zeit vernachlässig-
te, greift sie nun ein: Zum April soll
BMW-Vorstand Markus Duesmann
neuer Chef von Audi werden. Dues-
mann gilt als fähiger Manager. Seine
Berufung dürfte sicherlich gut sein
für die Lösung der Probleme. Auf
ihn wartet in Ingolstadt allerdings
eine Mannschaft, die von Vor-
standsrotationen verunsichert ist
und selbst verschuldet wegen des
Dieselskandals ihr Selbstvertrauen
verloren hat. Der BMW-Mann muss
die Belegschaft im ersten Schritt
aufbauen, sie positiv motivieren.
Gleich im nächsten Schritt aller-
dings muss er Audi auf Effizienz
trimmen, da die Kosten aus dem
Ruder gelaufen sind.
Die Premiummarke ist die
Schwachstelle der VW-Gruppe.
Der neue Chef muss das rasch
beheben, meint Martin Murphy.
„Ich denke, es macht Sinn, zum Beispiel
in der gegenwärtigen Situation diese
sehr niedrigen Zinsen zu haben.“
Madis Müller, Notenbankchef von Estland und Ratsmitglied der
Europäischen Zentralbank (EZB)
Worte des Tages
Der Autor ist Chefreporter
in Frankfurt.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
I
m Klima- und Umweltschutz gibt es ver-
meintliche Wahrheiten, die irgendwann
nicht mehr infrage gestellt werden können.
Plastik ist böse, das ist so ein Satz. Es begann
schon mit den Plastiktüten im Supermarkt,
die durch Papiertüten ersetzt wurden, auch wenn es
durchaus begründete Zweifel gab, ob denn die Pa-
piertragetasche aus ökologischer Sicht sinnvoller ist.
Einen ähnlichen Effekt spüren jetzt die Mineralwas-
serproduzenten. Reflexartig greifen Konsumenten
wieder zur Glasflasche, weil man ja Plastik vermei-
den soll. Dabei haben die leichteren PET-Pfandfla-
schen häufig eine viel bessere Ökobilanz als ihr Pen-
dant aus Glas.
Ein Dogma, das sich in den Köpfen vieler Verbrau-
cher festgesetzt hat, ist auch, dass regionale Produk-
te aus Gründen der Ökologie und Nachhaltigkeit vor-
zuziehen sind. Ergebnis ist, dass viele Produzenten
den verkaufsfördernden Begriff „regional“ auf ihre
Verpackungen drucken – selbst wenn die Ware
durch ganz Deutschland gekarrt wird.
Verschärft hat sich die Situation durch die Fridays-
for-Future-Bewegung. Zu Recht beklagen die De-
monstranten, dass die Klimaprobleme lange ver-
drängt wurden und deshalb wichtige Weichenstel-
lungen gar nicht oder viel zu spät erfolgten. Doch
zugleich erzeugen sie damit eine Fünf-vor-zwölf-
Stimmung, die nach ganz schnellen Antworten ver-
langt. Diskutiert wurde viel zu lang, jetzt muss ge-
handelt werden, lautet die Devise.
Wenn eine solche Stimmung auf vermeintliche
Wahrheiten trifft, dann ist die Gefahr groß, dass ein-
fache Lösungen gesucht werden, mit denen die öf-
fentliche Meinung rasch beruhigt werden kann. Das
gilt insbesondere für die Politik, die damit Hand-
lungsfähigkeit demonstrieren will. Bestes Beispiel ist
der deutsche Atomausstieg, der nach der Katastro-
phe von Fuku shima plötzlich oberste Priorität hatte
- auch wenn im Nachhinein betrachtet der Kohleaus-
stieg mindestens genauso wichtig gewesen wäre.
Aber auch Unternehmen bedienen sich gern die-
ser Mechanismen, um ihr Firmenimage grün zu fär-
ben. So rühmte sich beispielsweise Aldi dafür, den
sogenannten Knotenbeutel bei Obst und Gemüse
nur noch aus Bioplastik herzustellen und nicht mehr
kostenlos abzugeben, weil gerade die Vermeidung
von Plastiktüten en vogue ist. Dass aber der größte
Teil der Frischware beim Discounter ohnehin in
Plastik eingepackt ist und gar keinen Knotenbeutel
benötigt – das ist kein Thema.
Wenn ein Unternehmen auf der anderen Seite erst
mal in den Sog einer öffentlichen Verteufelung ge-
rät, hat es kaum noch die Chance zu argumentieren.
Dass der Trinkhalm zum Symbol für gefährlichen
Plastikmüll geworden ist, wird für ein Unternehmen
wie Capri-Sun sogar zur Existenzbedrohung. Völlig
wirkungslos der Hinweis des Firmenchefs, dass ein
Schraubverschluss viel mehr Plastik verbraucht. Das
öffentliche Urteil ist gefällt.
Richtig ist: Manchmal braucht es Symbole wie das
Verbot der Plastikhalme, damit sich überhaupt et-
was bewegt. Erst dann werden komplexe Zusam-
menhänge im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar.
Solche Symbole versprechen vor allem den Verbrau-
chern Leitlinien für das Handeln in einer unsicheren
Welt und helfen so, überhaupt eine Veränderung des
Verhaltens zu erzeugen. Das Problem: Die Welt ist
trotzdem kompliziert. Und wer nicht mehr bereit ist,
vermeintliche Wahrheiten auch infrage zu stellen,
verbaut sich Lösungsmöglichkeiten. Wenn Vorschlä-
ge für ökologisch sinnvolles Handeln Dogmen wer-
den, entstehen gefährliche Denkverbote.
Einfache Lösungen sind ja auch ein bequemes Mit-
tel, sein Gewissen zu beruhigen. Wer an der Kasse
auf die Plastiktüte verzichtet hat, hat das Gefühl, et-
was Gutes für die Umwelt getan zu haben. Dass er
danach mit dem SUV nach Hause fährt, ist dann
gleich viel weniger schlimm. Und ein Unternehmen,
das eine Umweltorganisation unterstützt, hat weni-
ger Druck, seine Produktion klimafreundlich umzu-
stellen. Symbolpolitik kann so die Sicht auf ein ganz-
heitliches Handeln verstellen.
Es ist gerade für Unternehmen häufig nicht ein-
fach, sich diesem Schwarz-Weiß-Denken entgegenzu-
stellen. Wer nicht den einfachen Weg wählt, sondern
nach Lösungen jenseits des Mainstreams sucht, be-
gibt sich in die Gefahr, in einen Shitstorm zu gera-
ten. Unkonventionelle Lösungen durchzuziehen ver-
langt sehr viel Standfestigkeit.
Auch dafür ist der Knotenbeutel ein schönes Bei-
spiel. Ausgerechnet der Biohändler Alnatura lehnt
Knotenbeutel aus Bioplastik ab. Das Unternehmen
setzt darauf, dieses Tütchen weitgehend zu vermei-
den. Und da, wo es doch noch gebraucht wird, etwa
bei feuchtem Salat, nutzt Alnatura bewusst Beutel
aus Erdöl, weil der Händler das nach sorgfältiger Ab-
wägung für weniger schädlich hält.
Wer sich so gegen den Strom stellt, muss sein Han-
deln begründen und erklären. Das ist lästig, doch es
kann sich lohnen. Denn auf Dauer schafft dies mehr
Glaubwürdigkeit, als blinder Aktionismus es tut.
Leitartikel
Keine einfachen
Wahrheiten
Wenn aus
Vorschlägen für
ökologisch sinn -
volles Handeln
Dogmen werden,
entstehen gefähr -
liche Denk -
verbote, warnt
Florian Kolf.
Es ist gerade für
Unternehmen
häufig nicht
einfach,
sich diesem
Schwarz-Weiß-
Denken entge-
genzustellen.
Der Autor ist Teamleiter Familienunternehmen.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Meinung
& Analyse
MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
28
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