Handelsblatt - 18.11.2019

(Tina Meador) #1

V


or dem Interview mit dem Handels-
blatt reicht Andrej Kostin im VTB-
Tower in Moskau Pralinen mit dem
Porträt von Präsident Putin. Der Chef
der Bank, an der der russische Staat
die Mehrheit hält, ist bekennender Fan des russi-
schen Präsidenten. Gleichzeitig gilt er als sehr offe-
ner Kritiker einer Branche, die nach wie vor in der
Krise steckt. Viele dieser Probleme führt Kostin vor
allem auf die westlichen Sanktionen gegen Russ-
land zurück. Vielleicht würden etliche westeuro-
päische Banker trotzdem gerne mit ihm tauschen.
Während die Banken in der Euro-Zone mit einer
Zementierung der Minuszinsen der Europäischen
Zentralbank kämpfen, liegt der Leitzins in Russ-
land bei stolzen 6,5 Prozent.

Herr Kostin, die Aktie der VTB-Bank hat in den
vergangen drei Jahren rund 40 Prozent an Wert
verloren. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Wir sind nicht zufrieden. Ich glaube jedoch nicht,
dass wir im Moment viel besser abschneiden kön-
nen. Aus zwei Gründen: wegen der verschärften
Regulierung und der Sanktionen, die eine große
Belastung für den Aktienmarkt sind. Aktuell ist der
Sanktionsdruck wahrscheinlich geringer, aber im-
mer noch beträchtlich, weil niemand weiß, ob sich
die Lage zum Schlechten oder zum Besseren ent-
wickelt. Da der Bankensektor ein Hauptziel der
amerikanischen Sanktionen war, werden sie im-
mer ein Damoklesschwert bleiben.

Ihr Konkurrent, die Sberbank, an der der Staat
ebenfalls die Mehrheit hält, schneidet an der Mos-
kauer Börse deutlich besser ab.
Trotzdem könnte auch deren Performance ohne
die Sanktionen viel besser sein. Der Sberbank geht
es besser, weil sie immer noch ein Monopol hat.
Das russische Bankwesen ist immer noch gespalten


  • nicht in staatliche Banken und private Banken.


Sondern in die Sberbank im Vergleich zu allen an-
deren Banken. Sie ist zu groß und beherrscht in
vielen Bereichen den Markt. Ich will den Erfolg ih-
rer Manager damit gar nicht schmälern. Sie haben
schon früh die Bedeutung neuer Technologien er-
kannt. Dennoch hatte die Sberbank von Anfang an
einige Vorteile. Deshalb ist es aus dieser Sicht nicht
so einfach, mit ihr zu konkurrieren. Aber wir versu-
chen es.

Und wie erfolgreich sind Sie dabei?
Vor drei Jahren haben wir keinen Gewinn gemacht.
Dieses Jahr erwarten wir 200 Milliarden Rubel
(umgerechnet 2,8 Milliarden Euro). Das reicht für
eine Eigenkapitalrendite von zwölf Prozent. Wir
hoffen, dass wir in zwei bis drei Jahren diesen Wert
auf 15 Prozent steigern können. Das wäre eine gute
Rendite angesichts des nicht sehr freundlichen Um-
felds mit der immer strengeren Regulierung, da-
runter die neuen Kapitalanforderungen und Rück-

„ Jeder hat Angst


vor den Sanktionen“


Der Chef der zweitgrößten russischen Bank VTB über die Krise der Finanzbranche, die


Folgen der westlichen Sanktionen und seine Hochachtung für die Deutsche Bank.


Andrej Kostin


Andrej Kostin:
Der Chef der VTB
schwärmt von
Ex-Deutsche-
Bank-Chef Josef
Ackermann.

Bloomberg

Finanzen

& Börsen

MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
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