(^) • TEXT DER REDAKTION
Welche Nahrungsergänzungsmitel braucht unser Körper? Und wie
wirken sie? Einer, der das herausinden will, ist der Bioinformatiker
Dr. Isam Haddad. Haddad hat zusammen mit Ex-Deloite-Manager
Philipp Schulte das Start-up Baze Labs gegründet, das den Markt der
Mikronährstofe digitalisieren will. „In den vergangenen Jahren hat
sich durch das Voranschreiten der Ernährungsmedizin gezeigt, dass
die ziellose Einnahme von Mikronährstofen zwar keinen Efekt
auf die Gesundheit hat. Die Optimierung des Nährstofstatus zeigt
dagegen deutlich messbare, positive Efekte auf unsere unmitelbare
Gesundheit, ein gesundes Altern und unsere Langlebigkeit“, erklärt
Haddad. Im ersten Schrit bestimmen die Baze-Experten den Mi-
kronährstolevel der Nutzer über eine Blutprobe, die die Nutzer
selbst im heimischen Wohnzimmer entnehmen und einsenden. Die
Ergebnisse können sie später in der App einsehen. „Wenn klar ist,
an welchen Nährstofen es mangelt, bekommen die Nutzer jeden
Monat eine Box mit 30 einzeln verpackten Nährstofpäckchen.“ Und
nach drei Monaten werde über einen erneuten Blutest das Resultat
überprüt und die Nährstofgabe angepasst.
Doch Haddad und sein Team wollen mehr: „Mit unserer App möch-
ten wir den Lebensstil unserer Nutzer erfassen und möglichst genau
ermiteln, wie ihr optimaler Nährstolevel aussieht und welchen
täglichen Nährstobedarf sie haben.“ Funktionieren soll das in
Zukunt über die Anbindung an Wearables und Food- und Fitness-
tracker. Außerdem liefert die App kurze Fragebögen, die die
Nutzer ausfüllen. So sammelt Baze Labs Lifesyle-Informationen,
mit denen sich der Nährstobedarf noch besser berechnen lässt.
Im nächsten Jahr will das Start-up, das bisher nur auf dem US-ameri-
kanischen Markt aktiv ist, nach Europa kommen.
TOTAL DIGITAL
So wie Baze Labs arbeiten derzeit zahlreiche Start-ups, aber auch
etablierte Unternehmen daran, den Gesundheitssektor auf digital
zu trimmen. „In Zukunt wird es nicht mehr nur die klassischen
herapien und Medikamente geben“, ist sich Haddad sicher. Der
Fokus werde in einigen Jahren stärker auf der digitalen Gesund-
heitsversorgung liegen. „Dann werden Ärzte die digitalen Daten von
Smartphone und Wearables in die Diagnose einbeziehen und auch
mal eine App verschreiben.“ Für die Patienten bedeute das, dass sie
selbst stärker in ihre herapie eingebunden sind und den Behand-
lungserfolg mit in der Hand haben.
Zwar wird es auch in Zukunt noch Krankenhäuser, Arztpraxen
und lokale herapieangebote geben. Doch die Medizin von morgen
wird sich radikal ändern. Big Data – also das Sammeln, Auswerten
und Vergleichen einer Fülle von Gesundheitsdaten – wird zu einer
kundenzentrierten, personalisierten Medizin führen. Diese versteht
sich mit ihren individuell auf den Patienten abgestimmten herapien
als Dienstleisterin. Diagnosen werden genauer, Fehldiagnosen seltener.
Denn Ärzte können nur auf Basis dessen entscheiden, was sie wissen –
und Patienten vergessen mitunter, Informationen weiterzugeben
oder halten bestimmte Informationen schlicht nicht für relevant.
Die Hoheit über diese Fülle an Gesundheitsdaten liegt allerdings
auch in Zukunt bei den Patienten selbst. Sie erfassen, verwalten
und verteilen die Informationen, können Zugrif gewähren und
beschränken. Dabei müssen sie ihre Daten nicht immer wieder
neu eingeben, nicht bei jedem Facharztbesuch erneut Fragebögen
ausfüllen und an alle Medikamente denken, die sie einnehmen. Viel-
mehr sammeln sie alle Gesundheitsdaten in ihrer Patientenakte und
entscheiden, wer welchen Zugrif hat.
SMARTE MEDIZIN
Doch die Medizin der Zukunt wird nicht nur von Big Data getrie-
ben. Digitale Pillen, mit mikroskopisch kleinen Sendern versehen,
liefern schon heute in einzelnen Studien Informationen darüber,
ob und wie sie eingenommen wurden und wie sie wirken. Wearab-
les überwachen chronisch Kranke rund um die Uhr, tracken deren
Vitalwerte und melden dem Arzt, wenn etwas nicht stimmt. Roboter
operieren in Zukunt präziser, minimalinvasiver und eizienter, als
es menschliche Operateure je könnten. Und Künstliche Intelligenz
(KI) unterstützt Ärzte bei der Auswertung von Daten und Bildern
und bei der Diagnose. Schon heute erkennt KI bei der Auswertung
von Computertomograie etwa 200 Krankheiten mit neunzigpro-
zentiger Sicherheit.
PATIENTEN BEREIT FÜR DIGITALE MEDIZIN
Digitalisierung hilt also, große Datenmengen auszuwerten, Zusam-
menhänge zu erkennen, die weder Patient noch Arzt in Erwägung
gezogen häten, und Behandlungserfolge genauestens zu überwa-
chen. So sind denn auch 64 Prozent der deutschen Entscheider in
der Gesundheitswirtschat von der Veränderungskrat von KI und
Digitalisierung überzeugt; 30 Prozent haben sogar schon konkrete
Schrite eingeleitet. Das ergab die Studie „What doctor? Why AI and
robotics will deine New Health“ des Beratungsunternehmens PwC.
Und auch gut die Hälte der Versicherten wäre küntig bereit, sich
auf KI in der Medizin einzulassen. Knapp die Hälte könne sich vor-
stellen, kleinere Eingrife von einem Roboter durchführen zu lassen.
Die Digitalisierung verlangt von Ärzten ein hohes Vertrauen in das
intelligente Diagnosewerkzeug. „KI belohnt sie aber mit kürzeren
Wartezeiten auf das Ergebnis und mehr Zeit für den einzelnen
Patienten. Routineabläufe können im Gesundheitswesen küntig
an lernende Computersysteme delegiert werden, während bei Mit-
arbeitern vor allem die Fähigkeiten gefragt sind, die menschliche
Intelligenz erfordern: Probleme lösen, Menschen führen, Innovati-
onen schafen“, erklären die Studienautoren.
AUTOREN
MARKUS KEMMINER &
KATHARINA LEHMANN
FOTO:
IMAGE BY RAWPIXEL FROM PIXABAY
//Doktor
Dig ita l//
Die Medizin wird digital: Innovative Technologien
erobern den Gesundheitssektor. Für Ärzte und
Patienten eröfnen sich hier ganz neue Möglich-
keiten, Körper und herapieerfolg zu überwa-
chen. Doch die Datenhoheit muss bei den Patien-
ten liegen.
14 CHANCEN DER MEDIZIN