FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Feuilleton FREITAG,8.NOVEMBER 2019·NR.260·SEITE 11
D
ahaben wir uns immer für
ganz normalgehalten, wir
Bewohner vonwestlichen,
gebilde ten, industrialisierten, rei-
chen und demokratischen Gesell-
scha ften. Dabei hätteesuns be reits
stutzi gmache nkönnen,dassdieAn-
fangsbuchstabendieserReihevonAt-
tributen im Englischen dasWort
„weird“ ergibt–„sonderbar“.Kana-
dischePsychologenhabendasschon
vorknappzehn Jah renerkanntund
daraus abgeleitet,dassvielepsycho-
logischeUntersuchungen aufdem
Studiumvonglobal nichtrepräsenta-
tivenBevölkerungsgruppen, konkret
vonWesteuropäernundihreninsbe-
sonder einNordamerikaundAustra-
lienlebende nkulturellen Nachfah-
ren,beruhen.Di eseseienaberindivi-
dualistischer,weniger angepasstund
ineine mvondereigenenPersonun-
abhängigenSinneprosozialeralsder
Rest derWelt. Di eAntwortauf die
Frage,wie eszudieserBesonderheit
gekommen seinkönnte, gebenjetzt
amerikanischeund kanadischeWis-
senschaftler im Journal„Science“.
Siemagfüruns,diewirsoanalytisch
und kritischsind, zumindest aufden
ersten Blic kerstaunlic hsein: Schuld
ist, so dieForscher,die Westkirche.
Dennwährenddes Mittelalter shabe
diese entscheidend Einflussauf die
vorherrschendenFamilienstr uktu-
renausgeübt .VorherhättendieInsti-
tutionen,die das menschliche Zu-
sammenlebenprägten,aufFamilien-
beziehungen beruht. Jestärker sich
dieKulturimLaufederMenschheits-
geschicht eentwic kelte, des to enger
wurde ndemnac hdiefamiliärenNet-
ze gesponnen unddurch Eheschlie-
ßung zwischen Cousins und Cousi-
nen gestärkt. Das Lebeninsoengen
Familienbandenfunktioniert indes
nicht ohne die Bereitschaft zur Ein-
passung,zumGehorsam,zumNepo-
tismusund gruppeninternerLoyali-
tät. Demsetzteaber,gemäß derkul-
turelle nEvolutionstheorieder Wis-
senschaftler,abdem spä tenAlter-
tum dieheutige römischekatholi-
sche Kircheein Ende. IhrInzestv er-
botführte letztendlichzuGesell-
sch aften mitkleinenisoliertenHaus-
halten, zwischendenenhöchs tens
nochschwache Familienbeziehun-
genbestanden. Der sozialeRahmen
für mobile, selbstbewus steIndividu-
en wargeschaffen. Die Daten –psy-
chologische Studien, Eheregister,
Studien zum historischen Einfluss
derKir che–scheine ndenForschern
rechtzugeben: Siefinden entspre-
chendeKorrelationenaufderEbene
vonLändern,Regionenundauc hfür
Individuenmitverschiedenemkultu-
rellem Hintergrund. Undauchwenn
bei solcherart Studien die Existenz
mannig faltiger unberücksichtigter
FaktorenunddieGefahrvonÜberin-
terpretationen stetsbedacht werden
muss: Da ss der Schlüssel zu unserer
sonderbarenwestlichen Identität
sichbereitsimdrittenBuchMosefin-
den soll, istdochzumindesteine
wunderbareGeschichte.
Moseundwir
VonSibylle Anderl
C
ézannekopierteimJahr 1885
die„DamemitHermelin“ ,dieEl
Grec odamalsnochunumstrit-
tenzuges chriebenwurde, eben-
sowi eManet, Toulouse-Lautrecundsogar
auch Vallotton fleißig Kopien vonBildern
desKr etersDomínikosTheotokópoulosan-
fertigten ,der1576nachToledoinSpanien
übersiedelteund do rt alsElGreco, „Der
Grie che“,Kunstgeschicht eschrieb.
Wann immer es ambitionierten Künst-
lernseither umGesich terals Ka mpfzonen
derSeelezutunwar, steckt emiteinigerSi-
cherheitElGrecoalsVorbilddahinter,wie
nunein egrandioseSchauimPariserGrand
Palaiszeigt.WürdemanetwadieGesichter
der Hirteninder aus gestellten„Anbetung
desKindes“derSammlungBotín,ursprüng-
lichaus El Grecos erstem großen Auftrag,
der Kir cheSantoDomingo el Antiguo in
Toledo stammend, ausschneiden undauf
demfreienMarktals NeoRauchverkaufen,
stündendieChancenaufeinenunangefoch-
tenenVerkau fweit besser als für schlecht
gefälschte Rakelbilder Gerha rd Richters:
AlleindreiHirte ndieserberühmtestenAn-
betun gElGrecos mit ih remstolpernden
Ins-Bild-FallenunddenflackerndenLicht-
konturen ihrer Gesichterfindensichim-
merwiederanverwandeltinRauchsGemäl-
den—alsHommage.BeidendeutschenEx-
pressionistenundde mBerline rHochschul-
direktor Karl Hofer mit seinen paradox
„glühenden“Maskengesichternder Nach-
kriegszeitwardies au ch schon nichtan-
ders. Er st recht is tder stechende Blick des
Inquisi tors„Niño de Guevara“aus seltsam
modern wirkenden runden Brillengläsern
vondenwiederholtenParaphrasendeseng-
lischenMalersFrancisBaconseitdensech-
zigerJahrenunangenehmvertraut.
Inder PariserAusstellungis tkeineinzi-
gesBild dieser Bewunderer ausgestellt,
und dennocherkennt selbstder Laie an
der exquisitenAuswahl an El Grecos so-
fortdessen Modernität .Bereits auf seinen
ersten ikonenhaften Arbeiten derchrono-
logischgehängten Schau,noch aus Kreta
und dannaus den Tizian undTintor etto
aufsaugendenvenezianischen Lehrjahren
ab 1567stammend, zeigt sich, dasserdie
Bildkompositionen allein durch Farbezu-
sammenbindetAuf dem frühen Altärchen
aus Modenavon1568 taucht er alledrei
Flügel mitGeburtundTaufeChristisowie
ApokalypseinGelb,OrangeundRot.Far-
beis tbeiihm jedo chstetsauchStimmungs-
indikator,für die Gesamtwirkung des Bil-
des wie für die Mikrozoneneines Gesich-
tes. Aufder „HeiligenFamilie mit Maria
Magdalena“ausCle veland,entstandenum
das Jahr 1600, wird dies besondersdeut-
lich: AufderStirnderMagdalena,dieüber
die SchulterMariens sorgenvoll auf sKind
blickt und derenfahlgraue Haut wie mit
Metallspänenüberdecktwirkt,stehtkalter
Schweiß.GrecolässtdiesendurchLichtre-
flexenochungesünder hervorstechen. Bei
ihmsindalleBildbeteiligten stetsmitHaut
undHaarbeiderSache,eineGrundmelan-
cholieaberhaftetihnenimmeran.Werdie-
ses einzigartigeGesicht der Magdalena
siehtunddazunochdenSatz weitobenauf
der Ausstellungswand liest, dassPicasso
bishinzuseinen„Demoisellesd’Avignon“
einer derglühends tenVerehrer El Grecos
blieb,denktbeidiesemgraumüdenAntlitz
Magdalenasunmittelbarandes Spaniers
abgekämpfte und verzweifelt eGesichter
derRosaundBlauenPeriode.
Dazukommt,dass El Grecoseine Figu-
reninmeistnur wenig aus gemalte Hinter-
gründe wi emonumentaleFarbfelder ein-
bett et,weilerihr eGewänderlediglichgroß-
räumig durch Faltengliede rt.Die Heiligen
abersindfastimmerdurchihresteifenGe-
wänder ,diewie StanniolpapierumS choko-
ladennikoläuse wirken,von de nanderen
Personengetrennt. Entsprechend harsch
sind auchdie Übergängeinnerhalb ihrer
Gewandfarbmassen,dieElGreconichtnur
oftkomplementärnebeneinandersetzt,son-
dern denenervielfach nochzusätzlic hei-
nenmetallisc hharte nGrataufsetzt ,an
demsichdasAu gezuschneidendroht.
Überhaup twärmen seineFarben nie,
auchRot-oder Gelbtöne nicht.Selbst
wennElGrecowieimFallderbüßenden
„Maria Magdalena“ aus dem Budapester
Nationalmuseum ihr Gewand in Violett
buchs täblichauslaufen lässt. Denn davor
beginnt das Gewand über ihrerrechten
Schulter in ebenso eisigem Blau, wie es
die Schneelandschaftund die gerade un-
tergehende eiskalteSonne linksneben
Magdalena aufweisen. DasewigeGrün
des Efeus hinter dieser heiligen Eisprin-
zessinwirkthiernurmehralsAttributein-
gefrorenerZeitinderBüßerwüste.
ZurModernität El Grecosgehörtauch,
dassderOber flächent exturderBilderund
damit dem Prozessdes „Machens“größte
Bedeutung eingeräumt wird.Wieder wird
diesof fensichtlichaufder„HeiligenFami-
lie mit Maria Magdalena“aus Cle veland:
In den flächig abgegrenzten Stoffarealen
setzterdiePinselspurenwieeinKaromus-
terkreuz und quer gegeneinander,wie er
überhauptmehrfac haufkariertenStoffen
statt auf Leinwand gemalt hat.Auchdas
sind unbewusst wa hrgenommene Kratzer
im Auge,die Be wegtheit der Oberflächen
undLebendigkeitdesDarunteranzeigen.
Extrem ist El Gr ecos„Spra cheder Stof-
fe“jedoc hindenzweiausgestelltenFassun-
gendes „ChristusamÖlberg“ vonetwa
1590 .Bei der Versionaus Toledo kni et der
HeilandnichtnurbetendineinemTuchsee;
auchdie Bergspitze hinter ihm schlägt wie
ein vie lzugroßer Winterma ntel mehrfach
ande nSeitenumunddroht,denHeilandje-
denMomentunterdentuchartigenMassen
zuverschütten .DiedreischlafendenJünger
hingegen,die Ch ristus in seinerschlimms-
tenStundealleinlassen,schmiegensichda-
nebenine ine riesigeKuschelnischeaus
Stoff. Auch bei der wohl erst kurz vorsei-
nem Tod1614 entstandenen undseltenzu
sehenden„Vermählung derJungfrau“ aus
Bukares thülltElGrecoMariaine inePyra-
mideau sblauem Stoff,beiderer zudemdie
Chuzpe besitzt, sie tatsächlich nurdurch
drei Schrägfalten zu untergliedern.Der
BräutigamJosepherhältimmerhinachtFal-
tenüber die metallischeStoffoberfläche
verteilt,aberauchnur,weilerseingrellgel-
besÜbergewandineiner liebevollen Ges te
derÖffnunghinzuseinerwesentli chjünge-
renBrautlüpf tunddamitbewegt.
IhrenHöhepunktfindendieseWeltthea-
terstücke in Tüchernineinem frühen El
Grec owieauc hineinemseinerletztenBil-
der. Zum einen also in demvier Me terho-
henAltarbil dder „HimmelfahrtMariens“
von1577,dasau sChicagonachParis kam.
WieaufeinemSurfbrettgleitetdieMutter-
gottes instarkerUntersicht auf dergolde-
nenMondsichelfuriosnachvorneausdem
Bild heraus und zugleich, vonEngeln ge-
stützt, genHimmel, währenddieaufEr den
umihrGrabversammeltenJüngerfass ungs-
losnachoben starren. DreimalbrichtEl
Grec odamitbrutaldiePerspektive. Wasje-
demanderenKünstle ralsKomposition ge-
borsten wäre,bindeterbaroc kbewegt zu-
sammen, indem erjedreigroße geometri-
sierteGewandteileinRotundAzursoüber
die Flächeverteilt, das sdas ehemaligeAl-
tarbild mit Rundbogenabschlussdurch
zweiDreieckeverknüpf twird.
Zumanderntreibt El Grecodie Abs-
traktionin der über zwei MeterimQua-
drat messenden apokalyptischen„Vision
des Johannes“von1614 ausdem New
Yorker Metropolitan Museumauf die
Spitze.AmlinkenRandmitseinenausge-
streckten Armendie gesamteBildhöhe
einnehmend,scheint Johannes das texti-
le Himmelszeltwie Atlas stützenzuwol-
len.DahinterverrenkensichnackteFrau-
enundMännernachdemVorbildderan-
tike nGrazien- undLaokoongruppe vor
einemvon halsbrecherischfliegenden
Puttenaufgespanntengelbenundgrünen
Tuch.Ein weißesTuchkommtvon oben,
in das die Glaubenszeugen bei der Öff-
nungdesfünftenSiegelsderJohannesof-
fenbarungzufolgeeingekleidetwerden.
KeinWunderdaher,dassElGrecosTü-
cher und sein breitpinselig hingeworfener
Strichnichtnu rfürdieErfindungundAus-
prägungdesbesondersturbulentenspani-
schenBarocksentscheidendwaren—auch
die Moderne Cézannes,Picassos und Ba-
conswäreohnesieeineanderegewesen.
El Greco.Im GrandPalais,Paris; bis zum
10.Februar 2020. DerKatalogkostet45 Euro.
FacebookhatindiesemQuartalmehrals
sechs Milliarden Euro verdient, zugleich
hatdieBundesregierungmassiveInvesti-
tionen gegen Hasskriminalität in sozia-
lenNetzwerkenangekündigt.Warumhal-
ten die Kunden dem Unternehmen trotz
allerSkandaledieTreue?
Ichdenkeschon, das seseinen Einstel-
lungswandel gibt, aber er wirkt sichnoch
nicht auf dasVerhalten aus,weil die Nut-
zer keine Wahl haben.Viele wollen zwar
keine Dienste mehr benutzen,vondenen
sie manipuliertund ausspioniert werden,
abersiehabendieberechtigteFurcht,den
sozialen Anschlusszuverlieren.Außer-
demgibtesindenVereinigten Staatenin-
zwischen so viele Dienstleistungen, die
mitPlattformenverbundensind,dassman
kaumdaraufverzichten kann.Googlebei-
spielsweise hat viele Schulenkostenlos
mitLer nplattformenausgerüstet.DasPro-
blem sind auchnicht die Plattformenan
sich, sonderndas Geschäftsmodell. Als
um die Jahrtausendwende dieFrageauf-
kam, wie man das Internetzur sozialen
Kontaktpflegeverwenden kann, is tFace-
book in dieLück egesprungen. Seither
hatesalleMitbewerberaufgekauftundih-
nenseinGeschäftsmodellaufgezwungen.
Deshal bhabendieKunden keineAlter na-
tivezudem,wasichÜberwachungskapita-
lismusnenne:derMissbrauchvonpersön-
lichen Daten zur Verhaltens steuerung
undzuProfitzwecken.
Diese Praktiken haben Sie in Ihrem im
vergangenen Jahr erschienenen Buch in
schockierenderDeutlichkeitbeschrie-
ben.Washatsichseithergeändert?
Ichdenke,dasswirgeradeeine Zeiten wen-
deerleben.Indieserundder vergangenen
Wochehaben gerade zwei Gesetze den
amerikanischen Kongress passiert, die
das ganze Rahmenwerk des Überwa-
chungskapitalismusverändernundesden
Menschenrechten unterordnen. Beispiels-
weisesolleineföderaleDatenschutzbehör-
de mit Strafverfolgungsrecht aufgebaut
werden. Das istein Meilenstein. Dazu
kommt ein Gesetz gegenFilterblasen.
Demnachmüssen demKunden die Algo-
rithmen transparentgemacht werden, die
seineInhaltepersonalisieren,undesmuss
ihm eine Alternativegebotenwerden,
eineAr tzweiteSäule. BeiFacebook wäre
daszumBeispieleinchronologischgeord-
neterNewsfeed. Das istalles noc hnicht
der große Befreiungsschlag, aber es sind
Teileda von,unddasistwichtig.
Washa tdenWandelbewirkt?
Das International Committee, das nach
demSkandalumCambridgeAnalyticaein-
gerichtetwurde, hat sicher dazu beigetra-
gen.AuchinderEuropäischenKommissi-
ongibtesdasBewusstsein,dassmanüber
denDatenschutzunddasMonopolrechtin
seiner heutigenForm hinausgehen muss,
um den Überwachungskapitalismus zu
bändigen, auch wenn beides selbstver-
ständlichwichtigeInstrumente sind. Das
Monopolrecht beispielsweise orientiert
sichklassischerweise an der Größe eines
Unternehmens.Bei den Plattformengeht
esalle rdingsehe rumdieGrößederDaten-
ströme.Hiermussmanumdenken.
WoliegtdasProblem?
Ichnenne Ihnen ein Beispiel: Seit 2009
habensichGoogles Einkünfte um mehr
als3500 Prozent erhöht.Das is teinegro-
ßeZahl.Ic hnennedasdieÜberwachungs-
dividende,weil sie zugroßen Teilen auf
der sy stematischenAusbeutungvonper-
sönlichenDa tenberuht .DieseDividende
istfür In vestoren geradezu unwidersteh-
lichattraktiv geworden. Werkeine Über-
wachungsdividende bietet, hat auf dem
Markt kaum eine Chance. Deshalbrich-
tensichheuteauchandereIndustrienwie
der Autobau an diesem Geschäftsmodell
aus. Die Überwach ungsdividende ist
eben auchunglaublichprofitabel. Man
braucht dafürkeine Produktionsanlagen
und kaum Mitarbeiter.Wenn wir die
Überwach ungsdividende ausschalten
könnten, würden wir denWettbewerb im
digitalenRaum unmittelbar beleben. Es
gibt nämlichinWahrheittausendver-
schiedeneMöglichkeitenfürdigitaleInno-
vationenundGeschäftsmodelle.
KönnenSieunsAlternativennennen?
Nun, es gibt die Möglichkeit, SmartCars
oder SmartHomes auchohne Überwa-
chungstechnikzuba uen,wiewissenschaft-
liche Projektezeigen. Es gibt aus den be-
nannten Gründen nur nochkeinen Markt
dafür.WennmandagegeneinThermostat
derGoogle- Tochter Nest zu Hause instal-
liert, unterzeichnetman damit implizit
mindestens tausend die Privatsphärebe-
tref fendeVerträge,ohneeszuwissen.
Es wird schwer sein, Google, Amazon
und andere vom Verzichtauf Überwa-
chungstechnikenzuüberzeugen.
Wirmüssenbedenken,dassdiegroßeIdee
dieses digitalen Jahrhunderts die Demo-
kratisierungdesWiss enswar.DerÜberwa-
chungskapitalismus hat sie usurpiert, in-
demerunsereprivateEr fahrungzumfrei-
en Rohstoff erklär tund zur Ausbeutung
freigegebenhat.Erb eruht großenteilsauf
gestohlenen Gütern. Das mussman klar-
machen–und man mussesändern. Auch
derProfitgehtimÜberwachungskapitalis-
musnuraneinekleineGruppevonInves-
toren,wasenormzurökonomischenSpal-
tung der Gesellschaftbeiträgt .Wir müs-
senzudemAnfangsversprechenderdigita-
len Är azurückkehren. Egal,wo man hin-
schaut, werden uns derzeit nur Dystopien
angebo ten.Is tesdas,waswirwollen?
Gibt es einen gemeinsamen Willen, der
starkgenugist,denÜberwachungskapita-
lismus zu überwinden? Wird Facebook
seinGeschäftsmodelländernmüssen?
Ichdenke,dasswirim Westengeradeeine
grundle gende Veränderun gerleben. Es
gibteinewachsendeUnzufriedenheit mit
dem Überwachungskapitalismus. Dieses
Geschäftsmodell wird weiter unterDruck
geraten, das is tschon heut ezubeoba ch-
ten.Ge genw ärtigistdieDemokratieunter
Druc k, aber wenn wir unsvon der Wirt-
schaftspolitik der letztenJahrzehnte ab-
wenden ,dannseheich die Möglichkeit,
dasssichdaswiederändert.Wirsollten kei-
neMärktehaben,di emenschlic heZukunft
verkaufen. Das ha tzerstöreris cheFolgen.
Wirmüsse nalsodieGesetzgeberüberzeu-
gen, die Regulie rung in diesemBereic hzu
stärken.DashätteauchpositiveFolgenfür
Innovation undWettbewerb.Ich vertraue
auf die Stärke der Demokratie,den Über-
wachungskapitalismuszuüberwinden.
Das würde den Westen von China unter-
scheiden,wodieMehrheitderBürgerdie
digitale Überwachung begrüßt. Für wie
realistischhaltenSiediesesSzenario?
Ichsagenicht, dassessicher sokommen
wird,abereskönntesokommen.Wasuns
vonChinaunterscheidet,istjageradedie
demokratischeTradition.
Shoshana ZuboffistemeritierteProfessorin
an der HarvardBusiness School. Imvorigen
Jahr erschienihr vieldiskutiertes Buch„Das Zeit-
alter desÜberwachungskapitalismus“.
ShoshanaZuboff:„WasistausdenVersprechenderdigitalenÄrageworden?“ FotoGetty Das GesprächführteThomas Thiel.
SeineFarben
wärmennie
FieberträumederModerne,inStoffderGeschichtegebette t:ElGrecos„Visionde sJohannes“,imTodesjah r1614vollendet FotoMET
Die Spitzen wichtiger Museen in
Deutschland wollen mehr Klima-
schutzinihrenHäusern.Dasgehtaus
einem offenen Brief anKulturstaats-
ministerinMonikaGrütter shervor.
Darin forderndie Direktorenvon
rund zwei Dutzend Museen undKul-
turinstituten eine zentraleTaskforce,
die sic heinzig den klimapolitischen
HerausforderungeninMuseenundan-
deren öffentlichenAusstellungshäu-
sernwidmet. „Mit ihrer Innovations-
kraf tkann dieKunstzueiner echten
Ressource imKampfgegen Umwelt-
zerstörung werden“, heißt es in dem
Brief. Die meistenAusstellungshäu-
ser unterstünden jedoch einer staatli-
chen Verwaltung und hingen somit
auchvon deren klimapolitischer Aus-
richtung ab. Verwaltungsstrukturen
erschwerten maßgeschneiderte Lö-
sungen undverlangsamten Entschei-
dungsprozesse. Themen sind dabei
Klimatisierung, Licht, Leihverkehr,
Mobilität, Heizung, Abfallmanage-
ment oder materialaufwendigeNeu-
bauten. Am Endekönne einstaatli-
ches Gütesiegel für Museenstehen.
„Diesalleswäre einwichtigerBeitrag
zu einem GreenNewDeal“, schrei-
ben die Museumsverantwortlichen.
Klimaschutzwerdeauchein wichti-
gesThema für die Documenta15in
Kassel im Jahr 2022 sein, wie deren
GeneraldirektorinSabineSchormann
in der Initiativemitteilte. DerKultur-
betrieb könnesozumVorreiterimKli-
maschutzwerden. F.A.Z.
Märkt esolltennichtdiemenschlicheZukunftverkaufen
EinGeschäftsmodellgerätunterDruck:DieHarvard-ÖkonominShoshanaZuboffüberdie RegulierungdesÜberwachungskapitalismus
GrüneM useen
Feuer,Licht, Stoff:DerGrandPalais
inPariszeigtElGreco,undnahezujedes
Bildreichtdabei aufgrandioseWeise
hineinindiemoderneKunst.
VonStefan Trinks, Paris