Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.11.2019

(vip2019) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen FREITAG,8.NOVEMBER 2019·NR.260·SEITE 29


D

ereineoderandereZeitgenos-
sehatfürdenFall,das saussei-
ner Sichtetwa ssehr Unerwar-
tetesgeschehenwürde,schon
malversprochen,einenBesenzufressen,
zum Elchzuwerden oder sicheinen
Storch zu braten.Ausder Zahl der aller-
orts verfügbaren Besen, den hierzulande
brütendenStörchen und den in unseren
Wälde rn völlig fehlenden Elchen darf
manwohl schließen, dassesmit der Um-
setzung dieser Ansagen bislang nichtgar
soweither war. Störcheschmeckenwahr-
scheinlichnicht garsogutundBesengel-
tengemeinhin als ein wenig kratzig.
Mehr Aussichten aufVollzug hättewohl
die Be teuerung, sichimZweifel einen
Elchzubraten.Aberso weitis tderVolks-
mundnochnicht .Ich für meinenTeil bin
sehr froh, dassich michals Anal ystnoch
niezueinersolchenWenn-dann-Verknüp-
fung habe hinreißenlassen. Ichwäre
wahrscheinlichwortbrüchiggeworden –
spätes tensjetzt.
Die Einleitung legt nahe, dassetwas
sehrUnerwartetesgeschehenseinmuss–
und das istauchder Fall: Die großen Ak-
tienindizesanWallStreethabenindenzu-
rückliegendenbeidenWochenneuehisto-
rische Bestmarkenerzielt.Dem S&P500
folgteder Nasdaq und dem wiederum in
dieserWochederDo wJones.Damithabe
ichdefinitiv nichtgerechnet. Zu verbaut
schien für alle drei Indizes derWegnach
obenundzuvertracktihrejeweiligetech-
nische Gesamtverfassung. Ohne alles
nocheinmal einzeln aus der Schublade
holen und ins Detail gehen zuwollen:
Manchesvondem, wasich bis vorweni-

genWochenbeobachtenkonnte,erinner-
te michstark an Situationen, wie sie bei-
spielsweisederDax imFrühling2018vor-
fand oder ,noch krasser,wie es um die
BankenimSommer2007stand.Einekor-
rekte undkonsequenteAnwendung mei-
nes Handwerkszeug ließ mir deshalb da-
mals wie heutekeine große Wahl: Meine
Einschätzung musstezurückhaltend aus-
fallen.
Neue Rekordstände heilen viele Wun-
den.WannimmerdieMarktteilnehmerin
ihrer Mehrheit bereit sind,Kursezuak-
zeptieren, die nochniemals zuvor erzielt
worden sind, haben sie viele Probleme
ignoriert, geringer als sonstgewicht et

oder garganz aus ihrerWeltsicht gestri-
chen.Etwastechnis cherausgedrückt:Der
Kaufdruc kist dann sogroß, das salle an-
deren Überlegungen hinten angestellt
werden. Viele institutionelle Anleger ha-
ben in solchen Situationen oftgenug gar
keine andereWahl, als sichinden Markt
einzukaufen.IhreLiquiditätgebiete tesi h-
nen.DieFrage, ob siees wirklichwollen,
spieltkaumeineRolle.
KurseimunbekanntenTerrain sindim
Normalfall ein klares Aufbruchssignal.
Wennund wannauc himmereinChartin
der Lag eist,die alten Bestmarkenhinter
sichzulassen, führterimRegelfall viel
Gutes im Schilde. Gerade solche Charts

haben zuvor enormeRobustheit bewie-
sen undgerade diese innereStärkeberei-
tetdann denWegfür weiter eGewinne.
Oder –ummit den Worten des völlig zu
Unrecht sc heinbarlangsaminVergessen-
heitgeratendenBörsenaltmeistersKosto-
lanyzus prechen:InZeitenwiediesenru-
hendieAktieninstarkenHändenunder-
füllendamitdievielleichtwichtigsteVor-
aussetzung für einen nachhaltigenAuf-
schwung.
Um kurz aufdieaktuelleSituation ein-
zugehen:EinMarkenzeichensolcherEnt-
wicklungen istgeradezu, dassdie sie be-
gleitende nfundamentalenRahmenbedin-
gungennicht besondersrosigerscheinen.
Meistens verschiebt sic hindiesenMarkt-
phasen allerdings dieWahrnehmung der
Anleger :Die Probleme sind zwar noch
da, aber sie wirkennicht mehrgarsobe-
drohlich. DiesesDelta, dieVeränderung
von„fies“ hin zu „mies“, macht es dann
aus. Bestesaktuelles europäisches Bei-
spiel dafürist die Entwicklungrund um
den Br exit.Erbleibt überflüssig wie ein
Kropf und dürftedennochmehr denn je
unvermeidbar geworden sein.Aber:Er
wirdingeregeltenBahnenverlaufen.
Die KurseanW all Street werden also
wahrscheinlichinden nächstenMonaten
per Saldoweiter zulegen. Ohne zu sehr
ins Visionäreabzudrif ten: 30 000 Punkte
könntenfürdenDowJonesschonaufder
Agendastehen.
Für den Fall, das sdie Kuhdochnoch
nicht ganz vomEis sein sollteund weil
ichmichals Anal ystder stetsnur wahr-
scheinlichen und niemals sicherenZu-
kunftverschrieben habe:Wenn, wann
und warumauchimmer der Dowinder
näherenZukunftwider Er warten unter
26650 Punktefallen sollte, dürfteersich
ein Problem epochalenAusmaßes zuge-
legt haben. Das mögeeruns bitt eunbe-
dingtersparen.
Undwenndochwieder alles anders
kommt? Für diesen Fall könnteich bei-
spielsweise ankündigen, michvomAffen
lausenodereinenHundinderPfannever-
rückt werdenzulassen.Aberweilic hmir
auchdasnicht garspannendvorstelle,las-
seic hesmallieber .InmeinemJobmacht
man Fehler.Jeden Tags auf sNeue. Ob
manwillodernicht.

DerAutorleitetdieStaudResearchGmbH
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Gerngesehen:MomentanherrschendieBullenanderBörseinNewYork. FotoAFP

ala.MAINZ.„WirbrauchendenSchul-
terschlusszwischenderGeldpolitikund
derFinanzpolitik.“JensWilhelmis tder
für dieKapitalanlagezuständigeVor-
stand derFondsgesellschaftUnion In-
vestment, die ungefähr 350 Milliarden
EuroVermögenverwaltet.Wilhelm er-
wartetzwar keineecht eRezessioninEu-
ropa und auchnicht in Deutschland.
Gleichwohl appellierterandie Regie-
rungeninBerlinunddenandereneuro-
päischen Hauptstädten, mehr zu unter-
nehmen,umdieWirtschaf tzuunter stüt-
zen,konkret:mehrzuinvestieren.Denn
klar is tfür ihn, dassein Instrument zu-
malinderWährungsunionziemlichaus-
geschöpftist –die Macht der Europäi-
schen Zentralbank.„Mehr Geld und
niedrigereZinsen bringen hier nichts
mehr“, sagt er.Wilhelm hofft dabei
auchauf die neue EZB-Präsidentin
ChristineLa garde,diedaspolitischeGe-
schäf tbeherrschtund jahrelang den In-
ternationalen Währungsfonds leitete,
bevorsievorwenigen TagenandieSpit-
zederEuronotenbankwechselte.Siesei
pragmatischer als ihrVorgänger Mario
Draghi. Undsie werdestärkeralserauf
die europäischenRegierungen einwir-
ken, um dasrichtigeVerhältnis zwi-
schenderGeldpolitikundderFinanzpo-
litikauszutarieren.
Deutschland,dasderzeit„dierote La-
terneinEuropa fest in der Hand hält“,
habeselbsteinhohesInteresseaneiner
aktiverenFiskalpolitik,soWilhelm.Die
Autoindustrie befinde sichineiner
schwierigen Situation.„Von Süden her
beginnt sichArbeitslosigkeit durch die
Republik zu fressen“, sagtWilhelm mit
drastischenWorten –wissend, dassdie
Beschäftigung nachwie vorhochist in
derBundesrepublik.
Er begründete seine Forderung nach
höheren deutschenStaatsausgaben mit
denvielenaufgestautenausgebliebenen
InvestitionenderKommunenundande-
rerseits den günstigenKonditionen, zu
denen sichder deutscheStaat verschul-
denkann–dieRenditeauchlanglaufen-
der Staatsanleihen befindetsichnach
wie vorauf his torischniedrigem Ni-
veau. „In einer solchen Situation sollte
icheigentlich alle Projekterealisieren,
dieeinenpositivenNutzenhaben,sonst
binic hökonomischnicht rational.“

So dringend Wilhelms Appelle an
BerlinundBrüsseleinerseitsklingen,so
zuversichtlichist er andererseits für die
Weltwirtschaftinsgesamt.Dieamerika-
nische Wirtschaf tbefindesichweiterin
einer robusten Verfassung –getragen
durchKonsumunddenDienstleistungs-
bereich.Erhältfürgutmöglich,dassdie
Notenbank Federal Reserve in diesem
Jahr nochein weiteres Mal die Zinsen
senkt und im kommenden Jahr zwei
Zinssenkungenfolgen werden. Mindes-
tensvorübergehendwerdesichderHan-
delskrieg zwischen Amerikaund China
entspannen,weilderamerikanischePrä-
sident DonaldTrumpwenigstens eine
kleine Einigung anstrebe.Trumpbefin-
de sic hineiner „misslichen Lage“,weil
er einerseits mit Amtsenthebungs-Be-
strebungenkonfrontiertist,außenpoli-
tischauchinder eigenenPartei in die
Kritik geratenist und gerade im anste-
henden Wahljahr eineweiterlaufende
Wirtschaf tvorweisenmüsse.Diechine-
sische Führung wolle ebenfalls eine Ei-
nigung,soWilhelm,weilsieumTrumps
Schwäche wisse und ihr klar sei, dass
derRepublikanerimFalleeinesaberma-
ligen Wahlsiegs eher ein schwierigerer
Verhandlungspartnerseinwerde.China
wiederum, die zweitgrößte Volkswirt-
schaf tderWelt,verfügezwarübergenü-
gend wirtschaftspolitische Munition,
um Konjunkturschwächen abzumil-
dern. Peking werdeaber diesmal nicht
wienoc himJahr2015stärkereImpulse
setzen und die Weltwirtschaftinsge-
samt zusätzlichanschieben. „Die sind
mittendrin im Umbau ihrer eigenen
Volkswirtschaft“,befindetWilhelm.
Ausgehendvonseiner makroökono-
mischen Analyse, empfiehltWilhelm
als interessanteAnlagemöglichkeiten
für das kommende Jahr Aktien. „Ohne
die Aktie wirdesschwer.“Errät sogar
dazu, etwaszyklischer zuwerden, also
eher Anteile an Unternehmen auszu-
wählen, die enger an derKonjunktur
hängen. Zudem nannteerI ndustrieme-
talle als attraktiveAnlageklasse–auf
diesenMärktensetztenimmernochvie-
le große In vestorenauf fallendeKurse,
wasentsprechendesPotentialbiete.Auf
den Rentenmärkten sei das Umfeld
nachwie vorschwierig angesichts der
niedrigenZinsen.

Neue Bestmarkenander Wall Street


„Geldpolitikund Finanzpolitik


müssen zusammenarbeiten“


DieUnionIn vestmenträtindiesemUmfeldzuAktien
Inden Vereinig ten

Staatenwerde nneue


Rekordkursevermeld et.


Dabe isahes


charttechnisch gar


nichtdanachaus.


VonWielandStaud,


BadHomburg


Angaben in Indexpunkten(Skala logarithmisch)

28000

30000

26000

24000

22000

20000

18000

16000

Quelle:StaudResea rchBad Homburg F.A.Z.-GrafikKaiser

2016 201720182019

Dow Jones


Langfristiger
Aufwärtstrend

Wichtige Unterstützungszone

Unterstützung

27400

23 500

26 650 bis 26 850

Überwundene
Allzeithochs

Ausbruch
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