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gilt ihnen diese schlanke, zielstrebige Unternehmerin aus
Europa mittlerweile als Vorbild in Sachen persönlicher
Freiheit und Selbstvertrauen.
Saskia Diez’ Atelier und ihr kleines Ladengeschäft be-
finden sich in München weit entfernt von der Bussi-Bussi-
Gesellschaft der Maximilianstraße. Sie lebt und arbeitet
im Glockenbachviertel, wo die Szene noch im besten Sin-
ne authentisch ist. An der Hauswand lehnen Fahrräder,
darüber wirbt ein Schaukasten für „Bastlerbedarf“. In der
Nachbarschaft lädt die Kneipe „Kompromiss“ zu Augusti-
ner-Bräu bei Sky-Fernsehprogramm ein.
„Sie verschiebt Grenzen“
Das Atelier von Saskia Diez findet nur, wer die Hausnum-
mer kennt und die Türklingel entdeckt. Es ist einfachst
eingerichtet, eher Werkstatt als Atelier. Die Schreibtische
und Regale sind selbstgezimmert und bieten den Rahmen
für ein kreatives Durcheinander aus Ordnern, Zetteln,
Materialien und Gerätschaften. Bodentiefe weiße Baum-
wollvorhänge hängen vor halbhohen Fenstern und Heiz-
körpern. Der Holzboden knarrt. In einer dunklen Ecke ist
eine Kaffee- und Teeküche. Ihren Tee kocht sich Saskia
Diez nach wie vor selbst. 20 Menschen arbeiten inzwi-
schen für sie. Alle sind Frauen.
Das Ladengeschäft ist eine Tür weiter. Und auch dort
wirbt und lockt kein großes Schild, keine breite Auslage.
Durch eine einfache, mehrfach gestrichene, braune Holz-
tür mit Fensterglaseinsatz geht es eher auf Verdacht hi-
nein. Der Schriftzug „Saskia Diez Di bis Fr 11–13 und
14–19 (sowie nach Vereinbarung)“ ist bestens zu überse-
hen. Das Ladeninnere: eher eine Mischung aus Kunstgale-
rie und Apotheke als ein Schmuckgeschäft. In der Mitte
des Raums scheint ein Eichentisch über schwarzen Me-
tallkörben zu schweben, darin stapeln sich runde Papp-
schachteln. Die Schmuckstücke verbergen sich in schma-
len, langen Schubladen, die die Verkäuferin nur auf Nach-
frage auszieht. Preisschilder gibt’s auch keine. „Die sähen
hässlich aus, würden nur ablenken“, sagt die Chefin.
Der zurückhaltende Auftritt ist Saskia Diez’ Marken-
zeichen. Ihre Kollektionen verkauft sie neben ihrem eige-
nen Ladengeschäft ausschließlich in Design- und Mode-
boutiquen. Insgesamt ist ihr Schmuck inzwischen in rund
117 Verkaufspunkten weltweit erhältlich. Ihr wichtigster
Markt mit über 40 Boutiquen: Japan, gefolgt von Deutsch-
land mit 25 und den USA mit 16. Den Vertrieb über
Schmuckläden oder Juwelier-Ketten lehnt sie ab. „Ich defi-
niere Saskia Diez über Mode und Design. Meine Kollektio-
nen präsentiere ich deshalb ja auch auf der Fashion Week
in Paris und nicht etwa auf der Schmuckmesse in Basel
oder der Inhorgenta“, sagt Diez, deren Karriere 2006 eher
zufällig begann.
Nach einer Lehre zur Goldschmiedin und einem In-
dustriedesign-Studium in München wusste sie noch nicht
so recht, was tun: „Geschweige denn, dass ich einen eige-
nen Stil hatte!“ Sie nimmt – aus Experimentierfreude – an
einem Wettbewerb teil, der unter dem Motto steht: „Frau-
en und Sport“. Ihr Entwurf – ein Armband aus verschie-
den geschliffenen Kugeln aus Bleilegierung – gewinnt ó
Oben: Haarband Tulle
Scrunchies. Rechts: Halskette
Multi Paillettes Choker.
»Ich mache
Schmuck auch
für Menschen, die
keinen Schmuck
mögen.«
NAHAUFNAHME Saskia Diez