Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

GRUSSWORT 3


Sonderveröffentlichung zum Thema „IMMOBILIENWIRTSCHAFT“ | November 2019 HandelsblattJournal


Gemeinsam denken


Bezahlbarer Wohnraum


und Klimaschutz


von Anne Katrin Bohle


D

ie Sicherung einer guten Wohnungsver­
sorgung ist ein soziales Grundbedürfnis
und ein unverzichtbarer Stabilitätsanker
für die Gesellschaft. Wirtschaftswachs­
tum, demograischer Wandel, Binnen­
wanderung und Zuwanderung sorgen für eine große
Nachfrage in vielen Städten und Regionen. Dort ist
bezahlbarer Wohnraum knapp. Unser Ziel ist, dass
alle Menschen in Deutschland quantitativ und quali­
tativ gut mit Wohnraum versorgt sind und ihre Wohn­
kostenbelastungen tragen können. Die Verfügbarkeit
ausreichenden und bezahlbaren Wohnraums ist der
Hebel, an dem wir ansetzen müssen.
Wir sind hier auf einem guten Weg. Der Markt
reagiert unter guten und verlässlichen Rahmen­
bedingungen in ganz erheblichem Umfang auf die
gestiegene Nachfrage: Die Zahl der für den Mietwoh­
nungsbau besonders wichtigen Fertigstellungen von
Wohnungen in Mehrfamilienhäusern steigt deutlich
an. 2018 waren es fast 10% mehr als 2017. Im Vergleich
zum Jahr 2009 beträgt die Steigerung über 160%; in
den sieben größten deutschen Städten sogar 200%.
Das führt zu einem erheblichen Zusatzangebot auf
den Wohnungsmärkten.

Wohnraumofensive von Bund,
Ländern und Kommunen
Mit der gemeinsamen Wohnraumofensive von
Bund, Ländern und Kommunen befördern wir diese
Entwicklung weiter. Am 21. September 2018 haben
wir auf dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt ent­
scheidende Weichen gestellt und ein einmaliges Maß­
nahmenpaket geschnürt. Mit dem Dreiklang aus
investiven Impulsen für den Wohnungsneubau, Maß­
nahmen zur Sicherung der Bezahlbarkeit sowie mit
Impulsen für Baukostensenkung und Fachkräfte­
sicherung setzen wir auf verschiedenen Ebenen an,
um den Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt
zu begegnen.
Die Bundesregierung kann bei der Umsetzung der
Wohnraumofensive eine außergewöhnlich erfolgrei­
che Bilanz ziehen. Rund ein Jahr nach dem Wohngip­
fel sind die meisten der vereinbarten Maßnahmen
der Wohnraumofensive umgesetzt bzw. in der kon­
kreten Umsetzung. Das erfolgreiche Baukindergeld,
die Grundgesetzänderung zur Stärkung der Sozialen
Wohnraumförderung, die im August in Kraft getre­
tene Sonderschreibung für den freiinanzierten Miet­
wohnungsbau und die Reform des Wohngeldes zum


  1. Januar 2020 sind dafür nur einige Beispiele. Zen­
    trale Voraussetzung für bezahlbaren Wohnraum ist
    bezahlbares Bauland. Auf Grundlage der Empfehlun­
    gen der Baulandkommission werden wir noch in die­
    sem Jahr einen Gesetzentwurf zur Reform des Bauge­
    setzbuches erarbeiten.


Klimaschutz im Gebäudesektor
Neben dem Ziel des bezahlbaren Bauens und Woh­
nens haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, das
Klimaziel 2030 zu erreichen. Dazu muss auch der
Gebäudesektor einen Beitrag leisten. Wir müssen
von heute an die CO 2 ­Emissionen der Gebäude bis
zum Jahr 2030 um mehr als ein Drittel reduzieren.
Bis zum Jahr 2050 soll der gesamte Gebäudebestand
dann nahezu klimaneutral sein. Beides kann nur
durch enorme Investitionen in den Gebäudebestand
erreicht werden. Bei den Verhandlungen im Rahmen
des Klimakabinetts hat sich daher Herr Minister See­
hofer sowohl für investive Anreize als auch dafür ein­
gesetzt, dass Wohnen bezahlbar bleibt – für Mieter
genauso wie für die selbstnutzenden Eigentümer.

Förderung, Information und Beratung
Im Gebäudebereich haben wir einen Mix aus ver­
stärkter Förderung, Information und Beratung verein­
bart. Im Mittelpunkt steht die Förderung der energe­
tischen Gebäudesanierung: Es wird eine steuerliche
Förderung geben und die Förderprogramme der KfW
werden verbessert. Zudem soll eine attraktive Prämie
die Austauschrate für Ölheizungen erhöhen. Wir wol­
len denjenigen unter die Arme greifen, die ihr Haus
oder die Wohnung klimafreundlich sanieren. Um dies
zu erleichtern, werden Beratungsangebote konzi­
piert, mit denen Gebäudeeigentümern ein individuel­
len Sanierungsfahrplan an die Hand gegeben werden
kann. Der zu Beginn sehr moderate CO 2 ­Preis und die
gestafelte Erhöhung des Festpreises bis 2025 lassen
dafür ausreichend Zeit und gewährleisten Planungs­
sicherheit. Da eine verstärkte Förderung die umlage­
fähigen Investitionskosten senkt, proitieren auch
Mieterinnen und Mieter. Alle Bevölkerungsschichten
sollen sich sanierte Wohnungen leisten können.
Gleichzeitig haben wir entlastende Maßnahmen
für die Bürgerinnen und Bürger vereinbart, wie die
Senkung der Stromkosten und weitere Verbesserun­
gen beim Wohngeld. Im Gegensatz zur Übernahme
der Kosten der Unterkunft im Rahmen der Grund­
sicherung wird die durch eine CO 2 ­Bepreisung aus­
gelöste höhere Heizkostenbelastung im Wohngeld
nicht automatisch ausgeglichen. Die Verbesserung
des Wohngelds ist daher eine besonders zielführende
und eiziente Maßnahme, um Haushalte mit niedri­
gerem Einkommen bei den Wohnkosten zu entlasten
und verbleibende soziale Härten abzumildern.
Ich bin überzeugt davon, dass sich bezahlbarer
Wohnraum und erfolgreiche Klimaschutzpolitik nicht
ausschließen. Mit der gemeinsamen Wohnraumof­
fensive von Bund, Ländern und Kommunen auf der
einen Seite und sozialverträglicher Ausgestaltung des
Klimaschutzprogramms der Bundesregierung auf der
anderen Seite werden wir beiden Zielen gerecht.

„ Die Verfügbarkeit


ausreichenden


und bezahlbaren


Wohnraums ist der


Hebel, an dem wir


ansetzen müssen.“


Anne Katrin Bohle, Staatssekretärin für Bauen, Wohnen und
Stadtentwicklung im Bundesministerium des Innern, für Bau
Foto: Rene Bertrand/Bundesinnenministerium und Heimat

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