Mobilität
Free Now will zur
Roller-Plattform werden
Die Taxi-App umwirbt
Roller-Anbieter für eine
Partnerschaft. Doch
Marktführer Lime und Voi
winken bereits ab.
Larissa Holzki, Christoph
Kapalschinski Lissabon
V
on der Taxi-App zur Mobili-
tätsplattform: Die aus MyTa-
xi hervorgegangene App
Free Now soll ab dem Frühjahr auch
Angebote anderer Anbieter integrie-
ren. Das sagte Free-Now-Chef Marc
Berg dem Handelsblatt auf der Tech-
Konferenz „Web Summit“ in Lissa-
bon.
Diese Plattform-Strategie ist wichtig
für Bergs großes Ziel: Er will sich in
Europa und Lateinamerika dauerhaft
zumindest Platz zwei hinter Uber si-
chern. Konkret will Berg neben Car -
sharern vor allem eRoller-Anbieter in
seine Taxi-App integrieren, um sich
als zentrale Mobilitäts-App bei den
Nutzern zu etablieren. Einfach wird
das nicht: Zwei große Roller-Anbieter
winken bereits ab.
Denn Bergs Idee hat einen Haken:
Der Deutsche fordert, die Städte soll-
ten die Zahl der Roller je Anbieter so
stark regulieren, dass Platz für gleich
eine Handvoll Marken pro Stadt ist.
Das soll Wettbewerb sichern, indem
die Nutzer gezwungen sind, mehrere
Anbieter zu nutzen – nicht überall
sollen von jedem Anbieter Roller be-
reitstehen. Für seinen eigenen Dienst
Free Now hat Berg in der Vision die
Schlüsselrolle vorgesehen: Seine App
wäre die zentrale Buchungsplattform
und würde unabhängig vom Roller-
Anbieter auch die Zahlung abwi-
ckeln.
Beim weltweiten Marktführer Lime
kann Berg damit nicht durchdringen.
„Wir haben bereits eine exklusive
Partnerschaft mit Uber“, sagte Lime-
Chef Brad Bao dem Handelsblatt. Das
schließe eine Kooperation mit Free
Now aus. Auch Lime befürworte eine
Regulierung, die Obergrenzen je An-
bieter müssten jedoch dynamisch
der Nachfrage angepasst werden kön-
nen. „Für Städte ist es mittelfristig
sinnvoll, wenn sich jeweils zwei bis
drei Anbieter etablieren – nicht
mehr“, sagte er.
Auch einer der größten europäi-
schen Spieler, Voi aus Schweden, hält
von Bergs Idee wenig. Er habe sich
zwar Plattformen angeschaut, halte
aber auf absehbare Zeit eine Koope-
ration nicht für sinnvoll, sagte Voi-
Gründer Fredrik Hjelm dem Handels-
blatt. Voi könne selbst ein besseres
Nutzerlebnis bieten als über eine
Plattform und wolle den eigenen
Kontakt zu den Nutzern behalten,
sagte er. Free Now sei als Partner also
unnötig.
Lime will ebenfalls aus eigener
Kraft bestehen. Sein Unternehmen
habe gut 50 Prozent Marktanteil in
Europa, sagte Bao. Ziel sei, sich
durch Qualität und Sicherheit von
den Konkurrenten abzuheben – nicht
im Preis, sagte Bao. Helfen soll eine
Marketing-Partnerschaft mit der
Deutschen Telekom. Frisches Geld
brauche Lime dafür nicht: Das Unter-
nehmen wolle schon 2020 operativ
(Ebit) profitabel arbeiten.
Carsharing integriert
Zumindest die eigenen Angebote sol-
len die Plattform von Free Now in
den kommenden Monaten zusätzlich
füllen. Das ist vor allem der Carsha-
rer Share Now (Car2Go und Drive
Now), der ebenfalls BMW und Daim-
ler gehört. Ergänzt wird das Angebot
zumindest durch die eigene Roller-
Marke von Free Now, Hive. Anfangs
habe er die Roller getrennt laufen las-
sen, um zu sehen, wie sich der Markt
entwickle – und auch die potenziell
imageschädigenden Unfallzahlen.
Nach den guten Erfahrungen der ers-
ten Monate könne beides nun zusam-
menwachsen. Allerdings ist Free Now
mit dem eigenen Roller-Angebot bis-
lang europaweit gerade einmal in
neun Städten vertreten – viel zu we-
nig, um wirklich wahrgenommen zu
werden.
Bei seiner Plattform-Strategie hat
Free Now ein zusätzliches Problem:
Außerhalb Deutschlands ist das Un-
ternehmen auch bei potenziellen
Partnern kaum bekannt – zumal es
erst vor wenigen Monaten seinen al-
ten Namen MyTaxi abgelegt hat. Auch
Lime-Chef Bao kannte die neue Mar-
ke bis zum „Web Summit“ nicht. „Wir
werden in den kommenden Monaten
sicher noch stärker für unsere Marke
und unser Unternehmen werben“,
kündigte Berg daher an. Allerdings
dürfe das Unternehmen wegen der
börsennotierten Anteilseigner Daim-
ler und BMW keine eigenen detaillier-
ten Zahlen veröffentlichen.
Die würden nach Ansicht von Berg
zeigen, wie erfolgreich sein Unter-
nehmen ist. Sagen könne er so viel:
2019 steige die vermittelte Touren-
zahl immerhin um 120 Prozent auf
300 Millionen Fahrten. Free Now ha-
be 35 Millionen Kunden, die in den
vergangenen zwölf Monaten mit
Free Now gefahren sind. Zum Ver-
gleich: Uber hat 100 Millionen mo-
natliche Nutzer und vermittelt nach
eigenen Angaben 15 Millionen Fahr-
ten am Tag.
Um mit Uber mitzuhalten, hat Free
Now zuletzt seinen ähnlichen Dienst
„Ride“ eingeführt. Diese Fahrten
sind wie bei Uber günstiger als eine
Taxifahrt, weil sie von Mietwagen-
Lenkern übernommen werden. Zum
Start zahlt Free Now allerdings oft
erst mal drauf: „Wir bieten in den
ersten Monaten für unsere Kunden
auch Taxifahrten an, falls einmal kein
Ride verfügbar ist“, sagt Chef Berg.
„Einen einmal enttäuschten Kunden
zurückzuholen wäre noch viel teu-
rer.“
Weitere Konkurrenz
Beim Aufbau einer Mobilitätsplatt-
form über viele Anbieter hinweg
macht bei Weitem nicht nur Uber
den Deutschen Konkurrenz. Am Don-
nerstag kündigten beispielsweise Mit-
subishi und der Venture-Arm des Öl-
konzerns BP an, bei der App Whim
einzusteigen, die ÖPNV, Leihräder,
Carsharing, Taxis und andere Dienste
verknüpfen will. Das Unternehmen
aus Helsinki hat nun knapp 54 Millio-
nen Euro zur Verfügung.
Der Autobauer Seat erläuterte
beim Web Summit seine Pläne, zum
Mobilitätsdienstleister zu werden,
der verschiedene Fahrzeuge nicht
nur baut, sondern auch zum Teilen
bereitstellt. Über den Zukauf von Re-
spiro bietet es bereits Carsharing, mit
dem Start-up Ufo Tretroller zum Aus-
leihen an. Dazu sollen künftig eigene
Roller unter der Marke kommen,
welche die Kunden kaufen oder als
Sharingangebot nutzen können.
Auto von Free Now: Die App will Nummer zwei hinter Uber werden.
Free Now
Reuters
Wir haben
bereits eine
exklusive
Partnerschaft
mit Uber.
Brad Bao
Lime-Chef
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