Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

Ulf Sommer Düsseldorf


E


rst war es nur die verpatzte Einfüh-
rung eines Abgasstandards, die der Au-
toindustrie vor einem Jahr das Ge-
schäft verhagelte. Dann führten die
Probleme der Autobauer plötzlich zu
einer Krise der Zulieferer und schließlich zu einer
Rezession der gesamten Industrie. Seit nunmehr
eineinhalb Jahren sinkt im Verarbeitenden Gewer-
be und in der gesamten Industrie die Produktion.
Die Gewinneinbrüche von BASF, Infineon, BMW
und Co. zu Beginn des Jahres bestätigten den Nega-
tivlauf.
Aufhorchen ließ zuletzt aber, dass über 9 000
vom Münchener Ifo-Institut befragte Firmen ihre
Situation in den vergangenen zwei Monaten besser
einschätzten. „Die deutsche Konjunktur stabilisiert
sich“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest
die jüngsten Befragungen.
Jetzt zeigt sich: Dieser Trend setzt sich auch bei
den vielen exportstarken globalisierten deutschen
Unternehmen durch. Beleg dafür ist, dass mindes-
tens zwölf der 21 Unternehmen, die bislang ihre Bi-

lanz für das abgelaufene Quartal vorgelegt haben,
ihren operativen Gewinne gesteigert haben. 18 der
21 Unternehmen verzeichneten auch höhere Um-
sätze. Das zeigen Berechnungen des Handelsblatts
in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsprüfungsge-
sellschaft EY. Mehr Aufträge, mehr Absätze und
steigende Umsätze gelten als wichtige Vorausset-
zung für ein Ende der Talfahrt.
Zugute kommt den Großkonzernen, dass sie
frühzeitig die Kosten gesenkt haben. Die 30 Dax-
Konzerne werden nach Handelsblatt-Berechnun-
gen im laufenden Jahr mithilfe von Fluktuation,
Vorruhestandsregelungen und Abfindungen
100 000 Stellen abbauen. Hinzu kommen umfas-
sende Sparprogramme, mit denen die Unterneh-
men ihre Ergebnisse künftig Jahr für Jahr um zu-
sammengerechnet 20 Milliarden Euro verbessern
wollen. Das entspricht fast einem Viertel des ge-
samten Nettogewinns im abgelaufenen Geschäfts-
jahr. Darüber hinaus profitieren die Unternehmen
mit ihrem starken Amerikageschäft vom anhalten-
den Wirtschaftsboom in den USA. Jeden vierten

Euro erwirtschaften die Dax-Konzerne in Amerika,
aber nur jeden fünften im deutschen Heimatmarkt.
Bei SAP, Fresenius und der Deutschen Telekom
liegt der US-Anteil bei über 40 Prozent. Zugleich
haben sich Befürchtungen nicht bestätigt, dass der
Zollstreit zwischen den USA und China in immer
neue und höhere Einfuhrgelder ausufert. Amerika-
nische Zölle gegen europäische Autobauer sind so-
gar ausgesetzt. Dies verbesserte die Stimmung,
aber auch Absatzzahlen, Umsätze und Gewinne
der globalisierten deutschen Konzerne.

Autokonzerne erholen sich
Ganz besonders die Autobauer stehen für den Po-
sitivtrend im dritten Quartal. Zwar bleibt die Ge-
samtsituation der Autobranche angespannt. Die
Zulieferer leiden unter dem Strukturwandel zur
Elektromobilität (siehe nachfolgende Seite). „Die
deutschen Autobauer sind aber gut aufgestellt und
können der lahmenden weltweiten Automobilkon-
junktur trotzen“, urteilt Mathieu Meyer, Mitglied
der Geschäftsführung beim Wirtschaftsprüfer EY.

Krise – Welche Krise?


Trotz Industrierezession in Deutschland bleibt der große Abschwung aus. Die meisten


Dax-Konzerne steigern Umsätze und Gewinne. Sparprogramme und vor allem das starke


Auslandsgeschäft sorgen für gute Zahlen.


BASF-Pflanzenschutz: Der weltgrößte Chemie-
konzern musste seine Prognosen korrigieren.

BASF SE


VW-Produktion
in Dresden:
Die Gewinne
steigen dank
SUVs.

shutterstock editorial


Fresenius Medical Care:
Der Dax-Konzern erholt sich.

Fresenius


Schwerpunkt


Konzerne trotzen Abschwung


(^6) WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216

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