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as war mal eine Heldenverehrung
nach dem Geschmack der Formel-1-
Eigentümer: Überlebensgroß er-
schien das Bild von Lewis Hamilton auf
der Videowand hinter dem Siegerpodest,
wo Sebastian Vettel, der Zweite des Ren-
nens, und Valtteri Bottas, der Dritte, be-
reits warteten.
Dann stieg der Brite Hamilton leibhaftig
aus dem abgesenkten Boden des Podiums
auf, wie ein Popstar beim Konzertbeginn.
Und mit ihm sein Auto, der Mercedes-
Silberpfeil.
Nach seinem Triumph beim Großen
Preis von Mexiko am vergangenen Sonn-
tag durfte Hamilton zwar noch nicht sei-
nen sechsten Weltmeistertitel feiern – vier
Punkte fehlen ihm vor den letzten drei
Saisonrennen noch. Doch der Papier-
schnipselregen, die Nebelmaschinen, der
Pomp, diese Mischung aus Super Bowl
und Las-Vegas-Show, vermittelten einen
Eindruck, wohin sich die Formel 1 ent -
wickeln soll.
Seit gut drei Jahren besitzt der Unter-
haltungskonzern Liberty Media die Ver-
marktungsrechte der Rennserie, die Ame-
rikaner haben dafür 4,4 Milliarden Dol -
lar ausgegeben. Zum Reich des Liberty -
Media-Eigners John Malone gehören
Kabelnetzbetreiber, Konzertveranstalter,
Shoppingsender, auch ein Baseballteam.
Den ewigen Impresario der Formel 1,
Bernie Ecclestone, schickten die Amerika-
ner nach ein paar Monaten in die Wüste
und kündigten eine frischere, spannen -
dere, auch wirtschaftlich attraktivere Renn-
serie an.
Seit Donnerstag gibt es dazu so etwas
wie einen Plan. Da veröffentlichte der Mo-
torsportweltverband FIA ein neues, mit
Liberty Media und den Formel-1-Rennstäl-
len ausgehandeltes Reglement. Es tritt zur
Saison 2021 in Kraft und ist nicht weniger
als eine Revolution. Denn festgelegt wird
darin nicht nur wie bisher die Technik der
Autos, vorgegeben wird erstmals auch eine
Budgetgrenze für die Rennställe.
Bislang folgte kein Sportevent der Welt
so konsequent den Prinzipien des freien
Marktes wie die Formel 1. Dass sich aus-
gerechnet diese urkapitalistische Ver -
anstaltung nun freiwillig wirtschaftliche
Fesseln anlegt, macht deutlich, wie es um
die Rennerei steht: Liberty Media ist
unzufrieden mit den Erträgen der neuen
Tochtergesellschaft Formula One Group,
die bislang nur rote Zahlen schreibt. Viele
der Rennen sind eher fad, den Titel hat
Mercedes im Abonnement, die TV-Quo-
ten sind schwach.
Mit ein paar Showeffekten allein, das
wissen die Strategen von Liberty Media
längst, wird die Krise der Formel 1 nicht
108 DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019
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MotorsportDie Eigentümer der Formel 1 wollen die Rennserie
spannender machen. Sie verpflichten die großen Teams
wie Mercedes und Ferrari, ihre Budgets drastisch zu kürzen.
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Weltmeister Hamilton Ende Oktober in der Mercedes-Box in Mexiko: Eine Mischung aus Super Bowl und Las-Vegas-Show