Der Spiegel - 02.11.2019

(Brent) #1
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Demokratie


Karlsruhe stärken


 Hamburg will das Bundesverfassungs -
gericht für den Fall stärken, dass eine demo-
kratiefeindliche Partei in Deutschland an
die Macht kommt. Das sieht eine Beschluss-
vorlage für die Konferenz der Justizminis-


ter in der kommenden Woche vor. Denkbar
sei zum Beispiel, die für die Wahl von Ver-
fassungsrichtern nötige Zweidrittelmehrheit
im Grundgesetz zu verankern, heißt es
darin. Außerdem könne die Autonomie des
Gerichts bei der internen Geschäftsvertei-
lung gestärkt werden. »Auch wenn in
Deutschland zurzeit keine akute Gefahr

besteht, müssen wir uns Gedanken machen,
wie wir die Unabhängigkeit des Bundesver-
fassungsgerichts besser absichern können«,
sagt Hamburgs Justizsenator Till Steffen
(Grüne). »Es wäre ein Fehler, die Entwick-
lungen in Osteuropa zu ignorieren und
zu denken, das sei in Deutschland ausge-
schlossen. Das ist es nicht.«RAN

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Deutschland


Immobilien

Genosse Kapitalist


Vermögende nutzen Steuervergünstigungen für Genossenschaften aus.

 Das Genossenschaftsmodell, das eigentlich Menschen ohne
viel Kapital kündigungssichere Wohnungen zu geringen Mieten
ermöglichen soll, wird zunehmend für die private Bereicherung
genutzt. Vermögensverwalter und Steuerberater bieten ihren
Kunden an, »Familiengenossenschaften« für sie maßzuschnei-
dern. Vermögende Privatpersonen erwerben dabei Gebäude und
Grundstücke nicht mehr selbst oder über eine Firma, sondern
über eine steuerbegünstigte Genossenschaft. So wirbt etwa ein
Berater aus Baden-Württemberg bei Privatanlegern für die Fami-
liengenossenschaft zum »Vermögensaufbau« und um »mal so
richtig Steuern« zu sparen. Die Finanzbranche bedient sich
dabei der Steuervergünstigungen, die der Gesetzgeber für Woh-
nungsbaugenossenschaften geschaffen hat. So werden weder


Grunderwerbsteuern beim Einbringen von Immobilien in die
Genossenschaft fällig, noch müssen Mieteinnahmen komplett
versteuert werden. Für Privatanleger hat das Modell zusätz -
lichen Charme. Da die Immobilien ihnen nicht privat gehören,
sondern der von ihnen gegründeten Genossenschaft, fallen sie
auch nicht unter die Erbschaftsteuer. »Dieses Konstrukt ist aus
unserer Sicht mit dem Genossenschaftsrecht nicht vereinbar«,
sagt Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverban-
des deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Lisa
Paus, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag,
fordert: »Der Missbrauch der Genossenschaft zur Steuervermei-
dung gehört schleunigst beendet.« Auch Finanzminister Olaf
Scholz (SPD) sieht Handlungsbedarf. WAS

»Derzeit herrscht in der Partei eine gewisse personelle Austauschbarkeit.«‣S. 30

Baustelle in Berlin
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