von rené hofmann
K
urz vor Ende der zweiten Ehrenrun-
de kommt Oliver Welke dann um ei-
nen besonderen Witz nicht mehr
herum: um einen über die Woge der Zunei-
gung, die ihm an diesem Abend entgegen-
brandet. 90 Minuten hat er da bereits in ei-
nem proppenvollen Hörsaal geredet, da-
nach, auf dem Weg in einen zweiten Hör-
saal, in den all das per Livestream übertra-
gen wurde, hat er schon ein Dutzend Auto-
gramme geschrieben und in den Fluren
des Hauptgebäudes der Ludwig-Maximili-
ans-Universität (LMU) für mehr als ein Dut-
zend Selfies posiert. Und nun steht er da,
im dritten, ebenfalls bis auf den letzten
Platz gefüllten Saal, und setzt eine Schluss-
pointe: „Okay, gleich eröffne ich dann noch
einen Baumarkt.“ Auch dieser Satz wird
mit tosendem Applaus quittiert.
„Was kann Satire?“ Das ist die Frage, un-
ter der die Veranstaltung steht, die das In-
stitut für Kommunikationswissenschaft
und Medienforschung der LMU in Koopera-
tion mit der SZ sowiejetzt, dem jungen Ma-
gazin derSüddeutschen Zeitung, und unter-
stützt von der Mediaschool Bayern am
Montag ausgerichtet hat. Aber bevor es um
die geht, ist erst einmal eines festzuhalten:
Trotz aller Amazon- und Netflix-Angebote
- diese Satire ist ganz offensichtlich im-
mer noch extrem beliebt, zumindest in der
Form, in der sie Welke seit nunmehr zehn
Jahren in der „heute-show“ im ZDF am
Freitagabend anbietet. 30 Minuten, drei
Themen, bunt gemischt aus aktuell politi-
schen und bewusst selbst gesetzten Stof-
fen. Die Aussicht, mehr darüber erfahren
zu können, lockt so viele, dass die Große
Aula schon eine halbe Stunde vor Beginn
überfüllt ist. Ungefähr 2000 Neugierige
kommen letztlich zusammen, die aller-
meisten Studierende.
Also, was kann Satire und was darf sie –
und hat sich all das geändert in den vergan-
genen Jahren, in denen es so gravierende
politische Verschiebungen gab? Die Mode-
ration lenkt Diana Rieger, Professorin für
Wirkungsforschung und Medienpsycholo-
gie an der LMU. Und schnell wird klar: Das
Duo auf der Bühne ergänzt sich gut. Denn
der Satiriker gibt vor allem den Satiriker.
Trotz Publizistikstudium: Mit der Medien-
theorie wurde Welke nie wirklich warm.
„Die Medienwirkungsforschung fand ich
immer erbärmlich, die hat doch wirklich
nichts rausbekommen“, schmettert er der
Expertin für genau dieses Gebiet entge-
gen. Sein Credo: Lieber nicht zu viel Gedan-
ken darüber machen, was wie bei wem an-
kommt und auch nicht „zu viel Marktfor-
schung, das wird sonst nur krampfig“.
Sein Ziel? Die Zuseher auf unterhaltsame
Weise auf Themen stoßen und ihnen ei-
nen neuen Blickwinkel darauf eröffnen.
Zwei, drei Mal sollen sie in einer Sendung
denken: „Oh, das hätte ich so nicht ge-
dacht.“
Mindestens drei Redakteure, die The-
men prüfen und recherchieren. Ein Dut-
zend Studenten, die Nachrichtenclips sich-
ten. Sieben Autoren, die an den Pointen fei-
len; davon inzwischen nur noch die Hälfte
Männer, ganz ohne festgeschriebene Quo-
te. Dazu Grafiker. Rund 50 Menschen sind
damit beschäftigt, dass die Show jeden
Freitag um 18 Uhr in Köln aufgezeichnet
werden kann. Etwa ein Drittel der The-
men, die am Montag ausgeguckt werden,
sterben im Lauf der Woche; weil sie nicht
zünden oder weil sie sich beim genauen
Hinschauen doch als anders als gedacht
entpuppen. „Heute ist alles überprüfbar“,
sagt Welke, „du darfst nichts Halbgares ser-
vieren, auch in der Satire nicht.“
Die Debatte darüber, ob man manche Sa-
chen nicht mehr sagen dürfe, befremdet
ihn dagegen. Jenseits von Beleidigungen,
Volksverhetzungen und Morddrohungen
könne man selbstverständlich alles sagen.
„Und danach können andere sagen, was sie
davon halten.“ Selbst Shitstorms seien
nichts Neues. Neu sei lediglich, dass diese
selbst wieder zum Anlass für Berichterstat-
tung werden – womit die Diskussion auf
ein Themenfeld biegt, das am Ende mehr
als die Hälfte der Zeit einnehmen wird: die
AfD und den Umgang mit ihr. Nicht über je-
des Stöckchen springen, sie inhaltlich stel-
len: Was Welke und seine Mit-Satiriker für
die Partei als Handlungsmaxime entwi-
ckelt haben, haben sie nicht exklusiv.
Was aber wohl nur ein Satiriker kann:
Den Fraktionsvorsitzenden der AfD im
Thüringer Landtag, Björn Höcke, demons-
trativ immer wieder „Bernd“ zu nennen,
weil das diesem offenbar tatsächlich miss-
fällt. Welke erzählt die Anekdote mit sichtli-
cher Freude und als Beispiel für die These:
Satire kann tatsächlich etwas bewirken.
Als größeres Beispiel fällt ihm Jan Böhmer-
manns satirisches Gedicht über den türki-
schen Staatspräsidenten Recep Tayyip Er-
doğan aus dem März 2016 ein, wegen dem
Ende 2017 der Paragraf 103 des Strafgesetz-
buchs abgeschafft wurde, der die Beleidi-
gung ausländischer Staatsoberhäupter ge-
sondert unter Strafe gestellt hatte.
Das Gespräch mit Welke steht in einer
Reihe von Veranstaltungen. Am nächsten
Dienstag kommt ZDF-Journalist Claus Kle-
ber (19 Uhr/Große Aula). Seine Kolleginnen
Anne Will und Dunja Hayali sowie ORF-Mo-
derator Armin Wolf waren bereits da, auch
die ehemalige Bundesjustizministerin Ka-
tarina Barley. Ein Thema zog sich durch die
meisten Gespräche: der Hass, der im Inter-
net entfesselt wird, wenn sich Meinungs-
träger klar positionieren, vor allem gegen
Rechte. Welke kennt den auch, will ihn
aber nicht überbewerten. Kein Twitter,
kein Facebook, kein Instagram, noch nicht
einmal WhatsApp: Vieles blendet er so aus.
Hassanrufe? Doch, die gebe es: „Von mei-
ner Frau.“ Und Hasszuschriften hätten ihn
auch schon auf Postkarten in Sütterlin-
schrift erreicht: „Diese Art von Rumpesten
gab es immer schon.“ Einen Brief hat er
sich eingerahmt. „Herr Welke, wann wer-
den Sie es endlich kapieren? Meinungsäu-
ßerungen haben in einer Satiresendung
nichts zu suchen!“
Ein Jahrzehnt „heute-show“. Ob er noch
eines schafft, will einer aus dem Publikum
zum Abschied wissen? „Sicher nicht“, ant-
wortet Welke, 53, „ein paar Jahre mache
ich noch, aber sicher keine zehn mehr.“ Es
ist einer der wenigen Sätze an diesem
Abend, für den er keinen Lacher erntet und
auch keinen Applaus.
Die Große Aula der LMU ist ziemlich
schnell rappelvoll(links), weshalb
die Debatte in zwei weitere Hörsäle
übertragen wird. Auf der Bühne
diskutiert Diana Rieger, Professorin
für Medienpsychologie, mit Oliver
Welke – der an diesem Abend vor
allem den Satiriker gibt.
FOTOS: SEBASTIAN GABRIEL
„Du darfst nichts Halbgares servieren“
Waskann Satire? Darüber diskutiert Moderator Oliver Welke vor 2000 Menschen an der Ludwig-Maximilians-Universität. Sein Credo lautet:
Lieber nicht zu viel Gedanken darüber machen, was wie bei wem ankommt und auch nicht „zu viel Marktforschung, das wird sonst nur krampfig“
Björn oder Bernd?
Die Verwirrung scheint den
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