Focus - 02.11.2019

SPORT

und als Swiss Air ablehnte, kündigte sie.

„Ich hatte das Gefühl, etwas zu verpas-

sen.“ Ihr Vater redete kein Wort mehr

mit ihr, meinte nur: „Frag mich nie nach

Geld!“ Heute sagt Géraldine: „Das war

mit ein Grund für meine Erfolge. Ich

wollte es ihm zeigen!“ Sie jobbte nach-

mittags im Reisebüro, abends als Kellne-

rin, morgens ging es auf den Berg. Den

Xtreme Verbier gewann sie dreimal –

und Papa war stolz.

Sie merkte: Wenn ich den Level halten

will, muss ich einen Sport finden, der

mich das ganze Jahr trainieren lässt. Sie

probierte Biken, Hiken und Klettern, sah

sich Basejump-Videos an und lernte: Man

muss erst Fallschirm springen, mindes-

tens 200-mal. Ihre Chefin war Fallschirm-

springerin, nahm sie im Tandem mit – eine

Woche später machte sie den Kurs, mit 18.

Es folgten 300 Sprünge in zwei Jahren,

manchmal zehn, zwölf am Tag, wie im

Rausch.

Fasnacht war eine der ersten Frauen

im Wingsuit: „Als ich 2001 angefangen

habe, gab es weltweit weniger als eine

Handvoll Frauen. Keine Regeln, keine

Lehrer, man brachte sich das selbst bei.

Fallschirmpacken habe ich per VHS-Kas-

sette gelernt.“

Der Jungfernflug dann in Norwegen.

Als sie aus dem Heck des Fliegers sprang,

merkte sie, dass sie nicht wie beim Fall-

schirmsprung wie ein Stein runter-

plumpste, sondern dank des Anzugs wie

ein Vogel fliegen konnte, nach rechts,

nach links – glatt vergaß sie, zurück zum

Flugplatz zu fliegen.

„Ich bin meilenweit weg gelandet,

ohne Handy, musste zwei Stunden laufen.

Die hatten sich schon Sorgen gemacht.“

Kein Wunder, schließlich gehen Wing-

suit-Sprünge nicht immer gut aus. Auch

Fasnacht hatte Unfälle, und sie erlebte

eine private Tragödie. Ihr Bruder wurde

vom Auto überfahren. Sie sagt: „Das ist

viel trauriger. In den Bergen kommt es auf

deine Skills, deine Einschätzung an und

darauf, wie gut du deine Grenzen im Griff

hast. Du musst dir bewusst sein, dass

Hochgebirge

Géraldine Fasnacht

macht sich

für einen Sprung

in den Schweizer

Alpen startklar

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