Focus - 02.11.2019

(Barré) #1

WIRTSCHAFT MEDIEN


Dieser Text


zeigt evtl. Pro-


bleme beim


Text an


50 FOCUS 45/2019


Ökonomen wie Thomas Piketty warnen vor
einer wachsenden Kluft zwischen Arm und
Reich und einer Gefahr für die Demokratie.
Wann wird Ungleichheit zum Problem?
Herr Piketty ist ein begabter Demago-
ge. Wenn Sie die obersten zehn Prozent
mit den untersten zehn Prozent verglei-
chen, gibt es natürlich große Unterschie-
de. Das ist in der Gesellschaft genauso
wie in einer Fußballmannschaft. Freiheit
bedeutet Ungleichheit, weil die Men-
schen eben ungleich sind.
Aber wird es nicht zum Problem für die
ganze Gesellschaft, wenn Teile der Bevölke-
rung den Eindruck haben, dass sie von der
Wohlstandsentwicklung abgekoppelt sind?
Ungleichheit wird dann zum Problem,
wenn es keine Chancengleichheit gibt.
Alle müssen vergleichbare Startbedin-
gungen im Leben haben, danach zählt
die Leistungsgerechtigkeit. Wer mehr
leistet, soll auch mehr verdienen.
Wer wenig verdient, muss sich also
einfach mehr anstrengen, sagen Sie?
Ich betone noch mal: Das Wichtigste
ist die Chancengleichheit durch Bildung.
Da müssen auch die Eltern einen Teil der
Verantwortung übernehmen. Und dann
hängt es an jedem selbst, was er oder sie
aus dem Leben macht.
Ist Hartz IV gerecht?
Gerechtigkeit ist hier keine Katego-
rie. Es handelt sich um eine Absicherung
des Sozialstaats, die in Deutschland ver-
gleichsweise außergewöhnlich gut ist.
Eine vierköpfige Familie, die Hartz IV
bezieht, kommt auf Leistungen von rund
1800 Euro. Das haben manch andere, die
arbeiten, nicht zur Verfügung.
Sie stammen selbst aus kleinen
Verhältnissen.
Aus sehr kleinen Verhältnissen.
Ihr Vater war Holzfäller und starb, als
sie vier Jahre alt waren. Haben Sie als Kind
gespürt, dass Ihre Familie arm war?
Selbstverständlich. Ich bin ja in einem
kleinen Bergdorf in Südtirol aufgewach-
sen. Da weiß jeder, wer was hat und wer
nicht. Die Bauern bei uns hatten Wiesen,
Wälder, der eine 10, der andere 20 Kühe.
Wir waren Arbeiter und mussten bei null
anfangen.
Inwieweit war Armut für Sie
ein Karriere-Antrieb?
Das war natürlich ein entscheiden-
der Antrieb. Als Kind habe ich davon
geträumt, ein Bauer mit großem Traktor
zu werden. Und ich wollte in die weite
Welt hinaus, um mein Glück zu versu-
chen. Also habe ich mich in der Schule


angestrengt und nie jemanden gebraucht,
der mir bei den Schulaufgaben hilft. Ich
hätte auch keine Hilfe bekommen.
Weil kein Geld für Nachhilfe da war?
Eine solche Dienstleistung war uns nicht
bekannt.
Geht dieser Antrieb mit
wachsendem Wohlstand verloren?
Sie haben ja selbst drei Kinder.
Es kommt auf die Erziehung der Eltern
an. Sie müssen, egal, ob arm oder reich,
ihren Kindern mitgeben, dass sie aus
ihrem Leben etwas machen müssen –
denn der Staat kann das nicht. Mein
Vater hat vor seinem Tod meiner Mutter
einen Brief geschrieben. Da stand drin:
Die Kinder müssen was lernen.
Und das hat Ihre Mutter umgesetzt?
Meine Mutter ist deswegen ins katho-
lische Internat nach Brixen gefahren und
hat ein Stipendium für mich beantragt.
Sie sind vor Jahren aus der Kirche
ausgetreten – weil sich Reichtum
und Christentum nicht vertragen?

Das ist Quatsch. Ich habe bis zu mei-
nem 18. Lebensjahr eine gewaltige Portion
katholischer Wahrheiten und Vorschrif-
ten in meinem Diözesen-Knabenseminar
Vinzentinum in Brixen abbekommen.
Irgendwann konnte ich dem absoluten
Wahrheitsanspruch der Kirche nicht mehr
folgen. Heute bin ich Agnostiker, respek-
tiere aber alle Religionen – solange sie kei-
ne Herrschaft oder Überlegenheit gegen-
über Nichtgläubigen beanspruchen.
Ihr Leitspruch?
Jeder ist seines Glückes Schmied, das
trifft es ganz gut.
Einen Ratschlag, wie man Millionär wird?
Mache den Job, den du gerade hast,
wirklich gut und mit Leidenschaft. Sei
bereit für Veränderungen und Risiko.
Sei mobil, geistig und auch geografisch.
Manchmal muss man seinem Glück näm-
lich hinterherlaufen.
Wann sind Sie das letzte Mal dem
Glück hinterhergelaufen?
Ich bin von Südtirol nach München
gezogen, weil ich ProSieben eben nicht
aus den Dolomiten heraus hätte führen
können.
Wie oft denken Sie ans Scheitern?
Ab und zu, natürlich, ich bin ja kein
Roboter. Aber in der Regel überwiegt die
Zuversicht.
Was würden Sie tun, wenn Sie morgen
wieder völlig mittellos wären?
Ich würde wieder versuchen, mit mei-
ner Erfahrung ein kleines Geschäft auf-
zubauen.
Einen Fernsehsender?
Nein, dafür bräuchte ich zu viel Kapital.
Ich würde mir Gedanken machen, welche
Dienstleistung die Menschen brauchen,
aber noch nicht bekommen.
Es gibt so viele Weisheiten
über Geld – ich würde bei ein paar
davon gerne wissen: welche
stimmen, welche nicht?
Nur zu.
Die besten Dinge im Leben sind nicht
die, die man für Geld bekommt.
Stimmt, aber Geld kann manchmal
nachhelfen.
Geld spricht alle Sprachen.
Logisch.
Wo das Geld spricht,
schweigt die Wahrheit.
Falsch!
Als ich klein war, glaubte ich, Geld
sei das Wichtigste im Leben. Heute, da ich
alt bin, weiß ich: Es stimmt.
Nein, aber Geld ist wichtig, weil es
Freiheit ermöglicht. n

»


Freiheit bedeutet


Ungleichheit, weil


die Menschen


eben ungleich sind


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Gespräch über Geld
Unternehmer Georg Kofler mit
FOCUS-Redakteur Jan Schäfer
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