Foto: Boris Trenkel
56 FOCUS 45/2019
D
eutschland hat mit
rund 7000 Zeit-
schriftenmarken,
über 300 Tages-
zeitungen, mehr
als 20 000 fest angestellten
Journalisten und Tausen-
den digitaler redaktioneller
Angebote die vielfältigste
Presselandschaft weltweit.
Die Redaktionen informie-
ren mehr als 60 Millionen
Leser über alles, was sie als
Bürger, Verbraucher und
Berufstätige, Auszubildende
oder Studierende interes-
siert. Magazine zu Politik,
Zeitgeschichte, Wirtschaft,
Kultur, Sport, Mode, Tech-
nik, Industrie, Gesundheit
und zu allen denkbaren
Berufen sind Teil unserer
Wissensgesellschaft.
Eine freie Presse, die kei-
ner Zensur unterworfen ist
und von keiner staatlichen
Gewalt gelenkt wird, ist für
Demokratien unentbehr-
lich. Die Vielfalt der Presse
ermöglicht, dass verschie-
dene Auffassungen und
Informationen zu beliebigen
Themen öffentlich werden.
So bilden sich die Leser ihr
eigenes Urteil und eine eige-
ne Meinung. Eine staatlich
finanzierte Presse kann nicht
staatsfrei sein. Auch von
Mäzenen bezahlte Redaktio-
nen sind nicht frei. Deshalb
ist die marktwirtschaftliche
Finanzierung essenzieller
Teil der Pressefreiheit.
Das gilt nicht nur für
die politische Presse. Es
gilt genauso für Fachzeit-
schriften, für Handwerker-,
Computer- und Maschinen-
bautitel und für die Unter-
haltungspresse. Über viele
Fragen, die Menschen pri-
vat, beruflich oder politisch
bewegen, wird der Leser
durch Special-Interest- und
Fachzeitschriften fundiert
informiert. Themen wie
Netzneutralität, Sicherheits-
tipps oder wie man sein
Smartphone organisiert,
werden in Computertiteln
bestens erklärt. Heute ist
die Existenz dieser viel-
fältigen Zeitschriftenpres-
se erstmals bedroht. Zwar
meistern die Verlage ihre
publizistische Aufgabe mit
gedruckten und digitalen
Angeboten. Denn den sin-
kenden Druckauflagen der
Fach- und Publikumspresse
stehen immer mehr Leser
der Digitalangebote gegen-
über. Herausfordernd ist die
Finanzierung.
Diese Situation kann
durch unternehmerische
Anstrengungen gemeis-
tert werden, wenn auch
der Gesetzgeber seinen
Teil dazu beiträgt. Entwür-
fe zur E-Privacy-Verord-
nung bedrohen nach einer
VDZ-Studie 30 Prozent der
Werbeeinnahmen redaktio-
neller Internet-Angebote.
Nutznießer wären vor allem
die globalen Digitalriesen.
Der Gesetzgeber muss sich
dafür einsetzen, dass die
aktuelle deutsche Rege-
lung oder zumindest die
europäische Datenschutz-
grundverordnung das Rege-
lungsniveau bestimmt. Das
europäische Presseverle-
gerrecht muss umfassend
umgesetzt werden. Neue
Schranken des EU-Urheber-
rechts dürfen die Pressefrei-
heit nicht beeinträchtigen.
Abonnements von Zeitun-
gen und Zeitschriften bilden
das Rückgrat der Finanzie-
rung freier Presse: Allein in
Deutschland müssen jedes
Jahr Millionen Abonne-
ments gewonnen werden.
Das ist ein zentraler Teil
des freien Wettbewerbs um
Leser. Jede weitere Ver-
schärfung des bereits sehr
restriktiven Rechts des Tele-
fonmarketings oder eine
Begrenzung der Abo-Lauf-
zeiten wären eine massive
Bedrohung des Pressever-
triebs. Plattformen und
Suchmaschinen sind digi-
tale Pressevertriebsmärkte,
die als Oligopolisten oder
Monopolisten willkürlich
Publikationen oder Inhalte
bevorzugen oder benach-
teiligen können. Deshalb
muss der diskriminierungs-
freie Zugang zu marktdo-
minanten Digitalplattfor-
men sichergestellt werden.
Die Kontrolle dieser Platt-
formen muss auch in der
- GWB-Novelle (Gesetz
gegen Wettbewerbsbe-
schränkungen) verankert
werden. Selektive staatli-
che Subventionen für Teile
der Presse beseitigen die
Staatsfreiheit der Presse und
verzerren den Wettbewerb.
Demgegenüber sind inhalts-
neutrale Fördermaßnahmen,
die der gesamten periodi-
schen Presse, Publikums-
und Fachzeitschriften wie
Zeitungen gleichermaßen
helfen, mit der Pressefrei-
heit vereinbar.
Um die freie Presse in
Deutschland zu erhalten,
müssen Verlage ihre redak-
tionellen Angebote auf
klassischen und digitalen
Plattformen in redaktionel-
ler Freiheit anbieten und zu
fairen Bedingungen refinan-
zieren können. Dann kann
der Leser sich auch künftig
umfassend und breit infor-
mieren. Die Pressefreiheit ist
die Grundlage jeder Freiheit
- fällt sie, fallen alle ande-
ren Freiheiten. n
Von Rudolf Thiemann
MEINUNG
Verleger und Verbandspräsident
Rudolf Thiemann ist geschäfts-
führender Gesellschafter
der Liborius-Verlagsgruppe
und Präsident des VDZ
Neue Schranken des EU-Urheberrechts dürfen die Pressefreiheit nicht beeinträchtigen.
Plädoyer für eine freie Zeitschriftenpresse in einer vernetzten Welt
Die Pressefreiheit ist die Grundlage jeder Freiheit
Präsident des Verbands der Deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ)
Dieser Text
zeigt evtl. Pro-
bleme beim
Text an
DAS GANZE SEHEN –
MIT CAPITAL.
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