14 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,31.OKTOBER
D
ie neuen Zahlen des
Statistischen Bun-
desamtes bringen ei-
ne gute Nachricht:
Die Armut und die Gefahr, in Ar-
mut abzugleiten, gehen in
Deutschland weiter zurück. Die
Statistiker haben die Daten bis
Ende des vergangenen Jahres
ausgewertet und kommen zum
Schluss: Der Anteil der armen
und armutsgefährdeten Men-
schen in der Bundesrepublik war
2 018 so niedrig wie seit mehr als
zehn Jahren nicht mehr.
VON DANIEL ECKERT
Nach der strengen Definition
der Europäischen Union waren
im vergangenen Jahr 18,7 Pro-
zent der Bevölkerung von „Ar-
mut oder sozialer Ausgrenzung
bedroht“, wie es im Amtsdeutsch
heißt. Das entspricht rund 15,
Millionen Menschen. Darunter
fffallen Bundesbürger, die bitter-allen Bundesbürger, die bitter-
arm sind und schwere materielle
Entbehrungen erleiden, aber
auch Personen, die sich weder
arm fühlen noch de facto arm
sind, deren Einkommen aber un-
terhalb eines bestimmten Ni-
veaus liegt, der statistischen Ar-
mutsschwelle. Für Jahr 2017 hat-
ten die Statistiker die Quote
noch mit 19 Prozent der Bevölke-
rung angegeben, was damals 15,
Millionen Menschen entsprach.
Hauptmotor dieser Entwick-
lung einer zurückgedrängten Ar-
mut ist der gute Arbeitsmarkt:
Er erlaubt es mehr Menschen als
fffrüher, eigenes Einkommen zurüher, eigenes Einkommen zu
erwirtschaften, mit dem sie ih-
ren Lebensunterhalt bestreiten
können. Im September hat die
Zahl der Erwerbstätigen mit 45,
Millionen ein Rekordhoch er-
reicht. Zugleich lag die Erwerbs-
tätigenquote bei hohen 68,6 Pro-
zent. So viele Menschen waren
in Deutschland noch nie in Lohn
und Brot.
WWWährend das Gesamtbild sehrährend das Gesamtbild sehr
positiv ist, gibt es einige Effekte,
die Ökonomen wie Politiker
beunruhigen. Denn das Gesicht
der Armut verändert sich. Tradi-
tionell war Deutschland ein
Land, in dem das Risiko, mate-
rielle Entbehrungen zu erfahren,
die ältere Generation weniger
heimsucht. Auch heute noch ist
es so, dass Armut vor allem bei
den 18- bis 24-Jährigen zuschlägt:
Fast ein Viertel aller Menschen
(23,9 Prozent) dieser Altersgrup-
pe hat zu wenig Einkommen, um
allen Ausgaben des Alltags Herr
zu werden. Bei Bundesbürgern
im Alter von 65 oder mehr be-
steht aktuell bei weniger als je-
dem Fünften die Gefahr, dass das
Geld nicht reicht. Allen Unken-
rufen zum Trotz verfügen die Se-
nioren zum Großteil über genü-
gend Einkommensquellen, um
der Altersarmut zu trotzen. Ne-
ben der gesetzlichen Rente sind
das Witwenrenten, Betriebsren-
ten und Einkünfte aus Vermie-
tung, Verpachtung oder Kapital-
vermögen.
Jedoch, und das ist die
schlechte Nachricht, zeigt die
Entwicklung bei Jungen und Al-
ten in die diametral entgegenge-
setzte Richtung: Während der
Anteil der von Armut oder sozia-
ler Ausgrenzung bedrohten
Menschen bei den Jüngeren
sinkt, steigt er bei den Älteren
deutlich an. 2008 war die Ar-
mutsquote in Deutschland in
keiner Altersgruppe so niedrig
wie bei den Menschen, die ihren
6 5. Geburtstag hinter sich haben.
Damals lag die Quote bei nur 15,
Prozent. Ende 2018 ist sie nun
auf 19 Prozent gestiegen. Damit
ist das Armutsrisiko nun erst-
mals ein größeres Problem für
Senioren als für Kinder und Ju-
gendliche oder für mittelalte
Personen.
Noch beunruhigender: Dem
Statistischem Bundesamt zufol-
ge sind Ältere zunehmend auch
von erheblichen materiellen Ent-
behrungen betroffen, zuletzt wa-
ren es 2,4 Prozent der Menschen
der Altersgruppe 65 und älter.
Laut EU-Definition liegt dann
Deprivation oder erhebliche ma-
terielle Entbehrung vor, wenn
der Haushalt etwa Probleme hat,
die Miete rechtzeitig zu zahlen,
die Wohnung ausreichend hei-
zen zu können oder unerwartete
AAAusgaben wie den Kauf einerusgaben wie den Kauf einer
neuen Waschmaschine zu stem-
men. Auch wer sich nicht einmal
eine Woche Urlaub woanders als
zu Hause leisten kann oder aus
Geldgründen auf ein Autooder
ein Telefon verzichten muss, gilt
als depriviert.
WWWährend der 2,4-prozentigeährend der 2,4-prozentige
Anteil der von materieller Ent-
behrung betroffenen Senioren
fffür sich genommen immer nochür sich genommen immer noch
recht niedrig erscheint, geht die
Reise bei den Älteren in die ge-
nau andere Richtung als bei den
Jüngeren: Sowohl bei Kindern
und Jugendlichen als auch bei
Menschen mittleren Alters ist
die Deprivation auf dem Rück-
zug, wobei die eigentlichen
QQQuoten weiter höher sind alsuoten weiter höher sind als
bei Ruheständlern. Nicht zu-
letzt um dem Trend zur Alters-
armut entgegenzuwirken, hat-
ten sich Union und SPD im Ko-
alitionsvertrag darauf verstän-
digt, eine Grundrente einzufüh-
ren. Allerdings steckt das Vor-
haben derzeit fest, da die SPD
entgegen der ursprünglichen
VVVereinbarung darauf besteht,ereinbarung darauf besteht,
auf eine Prüfung der Bedürftig-
keit zu verzichten. Eine „Res-
pektrente“ für alle Senioren,
auch jene, die dank Ehepartner
oder dank anderer Einkünfte
weit mehr Geld zur Verfügung
haben als die Grundsicherung,
wäre nach Einschätzung von
Wirtschaftswissenschaftlern
aaaber wahnsinnig teuer.ber wahnsinnig teuer.
Betroffen von Altersarmut
sind vor allem Frauen, nicht zu-
letzt solche, die ihre Arbeit auf-
gegeben haben, um Angehörige
zu pflegen. „Frauen, die ihren
beruflichen Werdegang zuguns-
ten der Familie zurückstellen,
werden gegenüber Vollzeit ar-
beitenden und durchgängig be-
schäftigten Personen mit einem
geringen Einkommen und einer
geringeren Rentenanwartschaft
bestraft“, kritisiert Adolf Bauer,
Präsident des Sozialverbandes
Deutschland (SoVD). Komme es
zu einem Pflegefall in der Fami-
lie, seien es in 70 Prozent der
Fälle Frauen, die sich kümmern
und unbezahlte Sorgearbeit leis-
ten. Häufig zögen sie sich kom-
plett aus dem Berufsleben zu-
rück. Das habe weitreichende
Konsequenzen für das Alters-
einkommen.
Die zunehmende Altersarmut
in Deutschland ist jedoch nicht
der einzige Ausreißer in der So-
zialbilanz: Ein besonders hohes
Armutsrisiko haben den Statisti-
ken zufolge auch Zuwanderer
und ihre hierzulande geborenen
Kinder. So stellen Menschen mit
Migrationshintergrund in der
Bundesrepublik 45 Prozent aller
Armutsgefährdeten. Der Anteil
der Menschen mit Migrations-
hintergrund an der Gesamtbe-
völkerung liegt bei gut einem
Viertel.
Die Armut
erreicht die Alten
Während Junge und Menschen mittleren
Alters materiell besser dastehen als vor
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Status der Senioren in Deutschland
Insgesamt
bis �� Jahre
�� bis �� Jahre
�� Jahre und älter
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Bittere Armut geht in fast allen Altersgruppen zurück
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), ����
Anteil der Bevölkerung mit erheblicher materieller Entbehrung in Prozent
Armutsrisiko bei Älteren steigt
Quelle: Eurostat
Von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohte Bevölkerung in Prozent
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S
chnitzel, Wurst und Bra-
ten vom Schwein – alles
teurer. Die Schweinepest
in China lässt in Deutschland die
Preise in die Höhe schnellen.
Seit einem Jahr grassiert schon
die Afrikanische Schweinegrippe
im Reich der Mitte, dem welt-
weit größten Produzenten und
Konsumenten von Schweine-
fffleisch. Das tückische Virus istleisch. Das tückische Virus ist
fffür den Menschen zwar unge-ür den Menschen zwar unge-
fffährlich, doch für die Tiereährlich, doch für die Tiere
schnell tödlich.
„Es ist die gefährlichste
Krankheit, die die Schweinein-
dustrie je erlebt hat“, sagte Cui
Ernan vom Unternehmensbera-
ter GavekalDragonomics in Pe-
king. Die Hälfte des Schweinebe-
stands in China wurde bereits
dahingerafft. Auch der Welt-
markt reicht nicht, um die Ver-
sorgungslücke zu füllen.
Überall kaufen Importeure
aus China jetzt Schweinefleisch
- in Brasilien, den USA und eben
auch in Europa. Während sich
deutsche Bauern über höhere
Schlachtpreise freuen, müssen
VVVerbraucher beim Metzger tie-erbraucher beim Metzger tie-
fffer in die Tasche greifen. Dieer in die Tasche greifen. Die
Preise für Schweinefleisch stie-
gen im September um 8,3 Pro-
zent im Vergleich zum Vorjah-
resmonat, wie Thomas Els von
der Agrarmarkt-Informationsge-
sellschaft (AMI) am Mittwoch
berichtete. Die Preise für
Fleisch- und Wurstwaren insge-
samt legten in diesem Zeitraum
um 5,4 Prozent zu. So kostet das
Kilogramm Schweinehack heute
5 ,81 Euro – nach 5,38 Euro vor ei-
nem Jahr. Ähnlich kletterte der
Preis für Schweineschnitzel von
777 ,10 Euro auf 7,39 Euro. Für,10 Euro auf 7,39 Euro. Für
Schweinebraten muss heute 6,
Euro das Kilogramm hingelegt
werden. Vor einem Jahr waren
es noch 5,60 Euro.
So schnell wird sich China
von der Schweinepest und den
verheerenden Folgen für seine
Schweinehaltung aber nicht er-
holen. Nach allen Erfahrungen
wird es „bestenfalls fünf Jahre,
schlimmstenfalls viele, viele Jah-
re“ dauern, sagte Ernan. Dafür
sei eine massive Transformation
der Industrie von den heute in
China weit verbreiteten Klein-
züchtern zu Großbetrieben mit
strengen biologischen Kontrol-
len nötig. Schon heute hat die
Schweinepest in China mehr als
eine Billion Yuan, umgerechnet
1 27 Milliarden Euro, an direkten
wirtschaftlichen Schäden ange-
richtet, wie Li Defa von Chinas
Landwirtschaftsuniversität
schätzte. Die Zahl wollte der
ffführende Tierexperte eigentlichührende Tierexperte eigentlich
geheim halten. „Sie sollte nicht
an die Öffentlichkeit“, hieß es in
seinem Umfeld. Doch geriet die
als „realistisch“ eingeschätzte
Kalkulation aus einem Indus-
trieforum an die Öffentlichkeit,
weil mutige Journalisten die
Zahl berichteten. Dass das wah-
re Ausmaß der Seuche vertuscht
wird, ist typisch für den Umgang
mit solchen Krisen in China,
verhindert aber immer wieder
ein schnelles und wirksames
VVVorgehen.orgehen.
Preise für Schnitzel und Wurst steigen
Die Schweinepest in China beeinflusst die Märkte weltweit. Bereits die Hälfte des dortigen Bestands ist gestorben
VVViele Schweine sterben in Chi-iele Schweine sterben in Chi-
na schon vor dem Schlachten
DPA
/ JENS BÜTTNER