Handelsblatt - 31.10.2019

(Michael S) #1

Stefan Menzel Düsseldorf


D


er Volkswagen-Kon-
zern schafft es erneut,
sich vom negativen
Markttrend in der Au-
tomobilindustrie abzu-
koppeln. Im Unterschied zu anderen
Fahrzeugherstellern und großen Zu-
lieferern gibt es mit der Bilanz zum
dritten Quartal keine Gewinnwar-
nung aus Wolfsburg. Der VW-Kon-
zern hat nach neun Monaten viel-
mehr Kennzahlen wie Umsatz, ope-
rativen Gewinn und das Vorsteuer -
ergebnis deutlich steigern können.
Schon während des gesamten Jahres-
verlaufs hatte sich der Wolfsburger
Hersteller vom Negativtrend der Au-
tomobilbranche abgesetzt.
Nur in einem Punkt rückt der VW-
Konzern von seinem bisherigen Aus-
blick für das gesamte Jahr ab: Wegen
der weltweit eingetrübten Automo-
bilkonjunktur nimmt Volkswagen das
angekündigte Absatzziel zurück. Bis-
lang hatte der Konzern einen leich-
ten Anstieg der Verkaufszahlen ver-
sprochen. Nun kalkuliert der Auto-
hersteller damit, dass in etwa das
Absatzergebnis des Vorjahres er-
reicht werden könne. Das wären
knapp elf Millionen Fahrzeuge.
„Das Beste an der Party ist vorbei“,
sagte VW-Finanzvorstand Frank Wit-
ter. Der Wolfsburger Autokonzern
müsse sich jetzt darauf einstellen,
dass die Jahre mit hohen Wachstums-
raten vorüber sind. Das gelte insbe-
sondere für China, den größten Ab-
satzmarkt der Welt, wo Volkswagen
Marktführer ist. Im Konzern müsse
der Gürtel jetzt enger geschnallt wer-
den. Weltweit sind die Verkaufszah-
len der gesamten Branche in diesem
Jahr bislang um fünf Prozent zurück-
gegangen.
Als Reaktion auf die globalen kon-
junkturellen Schwächen nimmt der
VW-Konzern die eigenen Produkti-
onszahlen zurück. 900 000 Autos
seien bereits in der laufenden Jahres-
planung gestrichen worden. Doch
nach den Worten Witters könnten es
„auch noch mehr werden“. Mitte No-
vember will der Konzern neue län-
gerfristige Planziele bekanntgeben.
An den aktuellen Jahresprognosen
für Umsatz und Ergebnis hält der

VW-Konzern trotzdem fest. Demnach
werden die Umsatzerlöse 2019 um
bis zu fünf Prozent über dem Vorjah-
reswert von 235 Milliarden Euro lie-
gen. Ohne Sondereinflüsse – vor al-
lem aus der Dieselaffäre – erreiche
VW eine operative Umsatzrendite im
Bereich zwischen 6,5 und 7,5 Pro-
zent. 2018 hatte der VW-Konzern 7,
Prozent geschafft. Dass Umsatz- und
Ertragskennziffern trotz schwächerer
Verkaufszahlen noch steigen werden,
geht im Wesentlichen darauf zurück,
dass Volkswagen mehr Autos auf hö-
herem Ertragsniveau verkauft. Der
Konzern profitiert dabei von seinen

neuen SUVs, die teurer verkauft wer-
den können als konventionelle Pkws.
Dieser SUV-Effekt sorgte schon in
den ersten neun Monaten dieses Jah-
res dafür, dass der VW-Konzern we-
sentliche Unternehmenskennzahlen
steigern konnte. Volkswagen hat den
Gewinn kräftig gesteigert: Das opera-
tive Ergebnis verbesserte sich im Zeit-
raum von Januar bis September um
fast ein Viertel auf 13,5 Milliarden
Euro. Der VW-Konzern profitiert da-
bei auch von einer Neuregelung in
der Rechnungslegung. Etwa 500 Mil-
lionen Euro kommen beim operati-
ven Ergebnis durch eine Neubewer-

tung von Finanzinstrumenten (Deri-
vate) hinzu. Der Umsatz erhöhte sich
in diesem Jahr bislang um knapp sie-
ben Prozent auf 186,6 Milliarden
Euro. Das Ergebnis vor Steuern stieg
von 12,5 auf 14,6 Milliarden Euro.
Zur Bewältigung der Dieselaffäre
hat VW in diesem Jahr weitere 1,3 Mil-
liarden Euro zurückgelegt. Insgesamt
schlägt der Abgasskandal bislang mit
mehr als 30 Milliarden Euro zu Bu-
che. Das dürfte noch nicht das Ende
sein. Volkswagen drohen weitere Be-
lastungen, weil inzwischen Hundert-
tausende von betroffenen Dieselkun-
den in Deutschland und Europa Scha-
densersatz einklagen. Bislang hatte es
nur in Nordamerika Entschädigungs-
zahlungen für Dieselkäufer gegeben.
Wegen hoher Investitionen kann
sich Volkswagen weitere Dieselbelas-
tungen eigentlich nicht leisten. Bis
zum Jahr 2023 will der Konzern rund
30 Milliarden Euro für die Elektrifi-
zierung der Pkw-Flotte ausgeben.
Weitere 14 Milliarden Euro schlagen
für Digitalisierung, autonomes Fah-
ren und neue Mobilitätsdienste zu
Buche. Mit dem Einstieg in die Elek-
trifizierung vom nächsten Jahr an
dürfte die VW-Bilanz noch stärker be-
lastet werden.
Unter den einzelnen Konzernmar-
ken fällt vor allem die Ingolstädter
Premiumtochter Audi negativ auf. Im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum
sind die Absatzzahlen in den ersten
drei Quartalen von 1,1 Millionen auf
900 000 Autos gefallen. Das führte in
der Folge zu einem Umsatzrückgang
von 44,3 auf 41,3 Milliarden Euro. Die
operative Umsatzrendite liegt in In-
golstadt bei 7,7 Prozent. Im gesamten
Jahr 2018 waren es noch 7,9 Prozent.
„Volkswagen hat einen großen ver-
steckten Unternehmenswert“, sagte
Evercore-Analyst Arndt Ellinghorst.
Insbesondere beim Wechsel zur Elek-
tromobilität besitze der VW-Konzern
im Vergleich zu den meisten Konkur-
renten große Vorteile. Von Juli bis
September habe Volkswagen ein „so-
lides Quartalsergebnis erreicht“. An
der Börse gehörte die VW-Aktie mit
einem Plus von etwa einem Prozent
den ganzen Tag über zu den stärks-
ten Werten im Dax.

Volkswagen


„Das Beste an der


Party ist vorbei“


VW kann seine Jahresprognose zwar noch halten.


Doch Finanzvorstand Frank Witter stimmt den


Konzern darauf ein, dass vieles schwieriger wird.


Pkw-Turm in der Autostadt in Wolfsburg: In den meisten Regionen der Welt stagnieren die Verkäufe.


Paul Langrock/Zenit/laif

55,


+11,
%

+67,
%

+1,
PP

-1,
%

61,


2,


4,


0,


3,


6,


7, 5 7,96 7,


Gutes Ergebnis trotz schwächerem Absatz
Volkswagen: Kennzahlen für das 3. Quartal

Umsatz
in Mrd. Euro

Operatives
Ergebnis
in Mrd. Euro

Netto-Cashflow
in Mrd Euro

Operative Marge
im Pkw-Geschäft
in Prozent

Pkw-Absatz
in Millionen
Fahrzeugen

PP = Prozentpunkte; 1) Cashflow laufendes Geschäft abzüglich Investitionstätigkeit laufendes Geschäft; 2) 1.1. bis 30.9.
HANDELSBLATT Quelle: Unternehmen

2018 2019


Frank Witter: Der
VW-Finanzvorstand
hat die Produktions-
pläne bereits zusam-
mengestrichen.

Bloomberg

Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210

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