Familienunternehmen des Tages
DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210
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Christian Berner
Mut zum Konflikt
Mit 27 Jahren rief ihn der
Vater auf den Chefposten –
und holte sich damit seinen
wohl offensivsten Kritiker ins
Unternehmen.
Christoph Kapalschinski Hamburg
C
hristian Berner ist ein
Mensch, der sich seiner selbst
sicher ist. Deshalb scheute
sich der 35-Jährige in Hamburg nicht,
eigene Zweifel einzugestehen. „Ich
wusste für mich: Wenn die Nachfolge
schiefgeht, kann ich mich als Nächs-
tes in Kasachstan bewerben, weil mir
in Deutschland niemand mehr Ver-
antwortung geben wird. Die Angst
hat mich begleitet“, sagte er.
Denn die Aufgabe war groß: Schon
mit 27 Jahren übernahm Berner die
Führung des Familienunternehmens
auf Bitten seines Vaters. Die Erwar-
tungen waren hoch: Der Sohn sollte
das Lebenswerk des Gründers retten,
das unter einigen Jahren Fremd -
management gelitten hatte – die
Firmengruppe Berner mit 9 000 Mit-
arbeitern und einer Milliarde Euro
Umsatz, international tätig im ge-
werblichen Handel für Ersatzteile
und Verbrauchsmaterial zum Bei-
spiel für Autowerkstätten oder die
Bauindustrie und Inhaber des Her-
stellers von Caramba, dem legendä-
ren Schmiermittel.
Beim Führungswechsel vor acht
Jahren hatten nicht alle Vertriebs-
mitarbeiter eine E-Mail-Adresse, der
Außendienst litt unter sehr hoher
Fluktuation. Gleichzeitig brauchte es
im Schnitt drei Jahre, um einen qua-
lifizierten neuen Mitarbeiter ins
ländliche Künzelsau zu locken. Zu-
dem arbeiteten etliche Gruppenun-
ternehmen nicht profitabel und ge-
fährdeten so langfristig das Famili-
enunternehmen.
Der junge Nachfolger hat die Situa-
tion gedreht. Berner habe seitdem
nicht nur die Bereitschaft bewiesen,
die Gruppe ins Digitalzeitalter zu füh-
ren, sondern auch „eine klare Hal-
tung, wie sich das bewerkstelligen
lässt“, lobte KPMG-Vorständin Vera-
Carina Elter. Berner scheute dabei
keine Konflikte, verlegte sogar einen
Großteil der Firmenzentrale aus dem
abgelegenen Künzelsau nach Köln –
obwohl sein Vater im Heimatort Eh-
renbürger ist.
„Man muss sich über seine Rolle
bewusst werden: Man ist ja einge-
stellt worden vom Unternehmen,
nicht von der Familie“, sagte Berner.
Seinen Kurs zog er durch, trotz fami-
liärer Spannungen. „Da werden Sie
im Aufsichtsrat plötzlich so kritisch
behandelt wie auf einer Dax-Presse-
konferenz“, beschrieb er drastisch
die Missstimmung. „Jeder, der als
Nachfolger antritt, muss sich von der
Familie verabschieden“, mahnte er –
wenn auch nur im Geschäftlichen.
Privat verreise er auch heute noch
gelegentlich mit seinen Eltern.
„Für mich war es aber ein sehr
schwerer Moment, meinem Vater zu
sagen: Die Basis deines Erfolgs ist
nicht mehr die Basis unseres Er-
folgs“, gestand Berner. Letztlich habe
ihm der Vater aber schweren Her-
zens den nötigen Freiraum gewährt.
Für Nachfolger in ähnlichen Situa-
tionen hatte er Ratschläge. Hilfreich
seien zwei Berater: ein Psychologe
und ein Business-Mentor. Mit beiden
könne ein Firmenchef, qua Amt ein-
sam an der Spitze, vertrauensvoll
und geschützt sprechen.
Dem eigenen, noch sehr kleinen
Nachwuchs will Berner frühzeitig
wichtige Kompetenzen vermitteln –
jenseits von Geigenunterricht und
Mandarin. „Wichtig ist ein sehr gefes-
tigter Charakter“, sagte Berner. Sein
Erziehungsziel sei, starke Menschen
großzuziehen, die die Festigkeit mit-
brächten, Entscheidungen zu fällen.
„Außerdem“ meint er, sei eine finan-
zielle Ausbildung von Vorteil.
Per Ledermann
Vorbild für Transparenz
Der Stifthersteller Edding
profitiert von der
Börsennotierung und trägt
auch sonst seine Erfolge und
Fehler nach außen.
Christoph Kapalschinski Hamburg
P
er Ledermann erreichte der
Anruf seines Vaters im Oman.
Mit 28 Jahren war der Nord-
deutsche in den Nahen Osten gezogen,
um als Berater die Welt kennen zu ler-
nen. Gerade richtete er sich mit seiner
Familie ein – da sollte der Einsatz
schon wieder vorbei sein. Denn Leder-
mann schuldete seinem Vater etwas.
Volker Ledermann hatte den Stift-
hersteller Edding 1960 mit einem
Partner gegründet und zur echten
Marke gemacht. Doch nach dem Bör-
sengang 1986 hätte sich der Unter-
nehmer wohl auch einen Ausstieg
vorstellen können. „Ich war gerade 15
Jahre alt, als mein Vater fragte, ob ich
mir eventuell vorstellen könnte, ins
Unternehmen einzusteigen“, erinner-
te sich Ledermann in Hamburg. Als
der Sohn zumindest nicht ablehnte,
behielt der Vater seine Aktien. So et-
was verpflichtet.
Seit 2005 ist Per Ledermann daher
nun schon Vorstandschef – und ge-
staltet den Wandel. Im Zeitalter der
Digitallogistik ist der Edding-Marker
im professionellen Einsatz etwa zur
Paketbeschriftung obsolet, umso
mehr bemüht sich Ledermann um
Privatkunden. Nagellack und Sprüh-
farbe gibt es seit einiger Zeit unter
der Marke, mit einem zugekauften
Chemnitzer Start-up versucht sich
Edding an einer unsichtbaren, ma-
schinenlesbaren Tinte. „Ein Teil un-
serer Arbeit ist es, sich ständig mit In-
novationen auseinanderzusetzen“,
sagte Ledermann.
„Mit Willensstärke und wasserfes-
tem Halt rettet Ledermann den Büro-
artikelhersteller in die digitale Welt
hinüber“, lobte Stefan Heidbreder,
Geschäftsführer der Stiftung Famili-
enunternehmen. Vor allem aber sei
Ledermann ein Vorbild in Sachen
Transparenz – nicht nur durch die
Börsennotierung. Gegenüber den
Kunden sei Edding absolut preis-
transparent, betonte Heidbreder:
„Sie stellen auch Probleme des Un-
ternehmens ins Internet, wo andere
lieber den Mantel des Schweigens
ausbreiten. Nach innen kommunizie-
ren sie ebenfalls offen – auch bei
Rückschlägen.“
Für Ledermann gibt die Börsenno-
tierung Stabilität. „Das macht uns un-
heimlich professionell“, sagte er.
Schließlich müsse Edding regelmäßig
nach hohen Standards berichten.
„Durch die Börsennotierung steht
das Unternehmen sowieso an erster
Stelle, weil die Familie gar keine ge-
sonderten Ansprüche stellen darf “,
sagte er. Dennoch bleibt sein Ziel, das
Unternehmen mit 140 Millionen Euro
Umsatz in der Familie zu halten. Ein
Vorbild dabei ist für ihn sein Vater,
der es geschafft habe, sich nach dem
Generationswechsel aus der Ge-
schäftspolitik herauszuhalten.
So kann der Senior seinen Sohn al-
lerdings nicht vor einem Ereignis be-
wahren, das unter die Haut gehen
wird. Ledermann ließ sich von sei-
nen Mitarbeitern das Versprechen
abringen, sich tätowieren zu lassen.
Denn, so kündigte Ledermann in
Hamburg an: Edding will in den
Markt für Tattoo-Tinte einsteigen und
plant ein eigenes Studio. Es passe
perfekt zur Marke, ein Bild auf dem
Körper permanent anzubringen,
meinte Ledermann. Zudem sei es nö-
tig, auf dem wenig regulierten Markt
Qualitätsstandards zu etablieren.
Was sich Ledermann stechen las-
sen wird, ist noch nicht entschieden.
Er tendiere zu einem Klassiker, sagte
er: etwa einer Dreimasterkogge.
Christian Berner: Beispiel für Bereitschaft zum Wandel mit klarer Haltung.
Frank Siemers für Handelsblatt
Per Ledermann
(44): Ein Vorbild
für offene Unter-
Frank Siemers für Handelsblatt nehmensführung.
Man muss
sich über
seine Rolle
bewusst
werden: Man
ist ja eingestellt
worden vom
Unternehmen,
nicht von der
Familie.
Christian Berner
CEO Berner Group