Der Tagesspiegel - 09.11.2019

(Darren Dugan) #1

Wer im Schichtdienst arbeitet, kennt die
Situation: Es bedarf vieler Absprachen,
doch am Ende wird der Dienstplan kaum
allen Wünschen gerecht. Verschärft wird
das Problem durch immer flexiblere und
vielfältigere Arbeitsmodelle, die den Ab-
stimmungsbedarf steigen lassen. Es gibt
heute eine ganze Reihe von Anbietern,
die Unternehmen Dienstplan-Apps zur
Verfügung stellen. Sie heißen etwa Pa-
pershift, Shyftplan und Planday und sol-
len die Arbeitsplangestaltung einfacher
und schneller machen. Die digitalen Pla-
nungstools sind aber mit neuen Heraus-
forderungen verbunden.
Grundsätzlichkönnensolche Appsvie-
les erleichtern, sagt der Arbeitspsycho-
loge Gottfried Müller, der Unternehmen
zur Arbeitszeitge-
staltung berät.Insbe-
sondere dann, wenn
die Mitarbeiter auf-
grund versetzter
Schichten keine
Möglichkeit haben,
sich persönlich abzu-
stimmen.
So ermöglichen es
die Apps etwa, sich
darüber abzustim-
men, wer wem wel-
chen Dienst abnimmt. Schichten können
getauscht werden, ohnedassdie Kommu-
nikation im endlosen Telefon-Pingpong
aus dem Ruder läuft.
Handelt es sich um eine App, die über
eine Dokumentationsfunktion verfügt,
lässt sich laut Müller Streit verhindern.
Denn durch die Funktion sei für jeden


nachvollziehbar, wer wann wo gearbeitet
hat. „Die Transparenz steigt. Das klärt
schon im Vorfeld so manches Gerechtig-
keitsthema.“ Dem Experten zufolge kann
noch ein weiteres Kommunikations-
hemmnisbeseitigt werden:„Die Mitarbei-
ter sind nicht mehr abhängig davon, im-
mer mit einer Bitte zum Dienstplaner zu
gehen, sondern können nach entspre-
chend vereinbarten Regeln die Dinge
selbst eingeben. Und das können sie im-
mer und von überall aus tun.“
Ohne feste Regeln aber könne es pro-
blematischwerden, warntderArbeitspsy-
chologe. Ein automatischer Dienstplan
könneimmernur so gut seinwie die Para-
meter, die eingegeben werden.

Klar definierte Regeln bedarf es auch
hinsichtlich der Möglichkeit, Dienst-
pläne in Echtzeit zu ändern. Denn nicht
alles, was die Apps können, sei erlaubt,
erklärt Peter Meyer, Fachanwalt für Ar-
beitsrecht in Berlin. „Jetzt hat man die
neue Welt mit den Apps. Da ist es für den
Arbeitgeber natürlich total verlockend zu
sagen: „Komm mal nicht morgen, son-
dern in drei Tagen.“
Doch kann ein Personalplaner Schich-
ten beliebig schieben, nur weil es die
Dienstplan-App ermöglicht? Praktisch
gäbe es das alles. Das ändere aber nichts
an alten Spielregeln, erklärt der Fachan-
walt und verweist auf eine Vorschrift im
Teilzeit- und Befristungsgesetz, die Ar-

beit auf Abruf regelt. Demnach muss ein
Arbeitgeber eine Ankündigungsfrist von
vier Tagen einhalten.
Gerade wenn es keine regelmäßigen
Schichten gibt, etwa im Hotellerie- oder
Gaststättensektor, könne die automati-
sierte Dienstplanung zur „Waffe“ wer-
den, sagt Christoph Schink, Referatslei-
ter Gastgewerbe der Gewerkschaft Nah-
rung-Genuss-Gaststätten (NGG). Er
kennt einen Fall, bei dem ein Lieferdienst
ein solches Dienstplansystem einführte.
Dessen Algorithmus sortierte Mitarbei-
ter nach Leistung. Die schnellsten durf-
ten sich demnach zuerst für neue Schich-
ten eintragen. Durch die Wahl eines Be-
triebsrates wurde das beendet.

Fühlt man sich bei der Dienstplanung
ungerecht behandelt, hilft es, die Fakten
sachlichzu benennen,erklärt Arbeitspsy-
chologe Müller. Wichtig sei, ganz klar zu
sagen, was die Fakten sind, und was das
für den Arbeitnehmer emotional bedeu-
tet. „Dann kann ich durchaus sagen: „Es
ärgert mich, dass ich so viele Samstage
arbeiten muss.“ Müller empfiehlt, kon-
krete Bitten zu äußern, zum Beispiel
Samstage künftig gerechter zu verteilen.
Hilft das nichts, kann man auf Bewähr-
tes zurückgreifen. Arbeitnehmer können
etwa, falls vorhanden, den Betriebsrat
oder die Gewerkschaft einschalten – da-
mit Algorithmen künftig nicht den Takt
vorgeben. dpa

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Mal schnell die Schicht tauschen


Dienstplan-Apps


wie Papershift oder


Planday sollen


das Gestalten


von Arbeitsplänen


einfacher machen.


Worauf Nutzer


dabei achten sollten


Spontan geht nicht.Auch wenn es technisch möglich ist, müssen Personalplaner arbeitsrechtliche Fristen beim Einteilen von Diensten einhalten. Foto: NordwoodThemes/Unsplash

Nicht


alles


was die


App kann,


ist auch


erlaubt


Eine Kündigung ist nur dann wirksam,
wenn sie korrekt zugestellt wurde. Im
Zweifel muss der Arbeitgeber das bewei-
sen können. Einem Arbeitnehmer die
Kündigung „unter die Nase zu halten“, ist
dafür nicht zwingend ausreichend. Das
geht aus einem Urteil des Landesarbeits-
gerichts Mainz hervor (Aktenzeichen: 8
Sa 251/18). Darauf verweist die Arbeits-
gemeinschaft Arbeitsrecht des Deut-
schen Anwaltvereins (DAV).
Indem Fall ging esum einenHausmeis-
ter in einem Gastronomiebetrieb. Im
März 2018 wollte der Geschäftsführer
desBetriebs seinemMitarbeiter während
eines Gesprächs ein Schreiben überge-
ben, das er unterzeichnen sollte. Der
Mann weigerte sich und verwies auf den
an seiner Wohnanschrift vorhandenen
Briefkasten. Nach eigenen Angaben
wusste er, dass es sich um ein Kündi-
gungsschreiben handelte. Er verweigerte
aber die Annahme. Der Arbeitgeber wie-
derum behauptete, der Mitarbeiter habe
die Möglichkeit gehabt, den Inhalt des
„vor die Nase gehaltenen“ Schreibens zur
Kenntnis zu nehmen.
Nach der Entscheidung des Gerichts
gilt die Kündigung als nicht zugestellt. In
dem Gespräch zwischen dem Geschäfts-
führer und seinem Mitarbeiter war sie
nichtübergeben worden. Zwar müsse der
Empfänger das Schreiben nicht dauerhaft
zur Verfügung haben. Es genüge die Aus-
händigung und die Übergabe, so dass der
Arbeitnehmer in der Lage sei, den Inhalt
zur Kenntnis zu nehmen.
Lehnt jemand die Annahme ab, muss
die Kündigung dem Gericht zufolge aber
in der Nähe abgelegt werden, so dass sie
ohne Weiteres gelesen werden kann. Das
sei hier allerdings gerade nicht der Fall
gewesen.
Ebenso kamen die Richter zu dem Er-
gebnis, dass die Kündigung auch nicht
postalischzugestelltworden war.Der Ar-
beitgeberhatte zwar behauptet,das getan
zu haben, konnte das Zusenden aber
nicht beweisen. dpa

Von Kristina Thomas

K2 DER TAGESSPIEGEL KARRIERE NR. 24 000 / SONNABEND, 9. NOVEMBER 2019


Kündigung


vor die Nase


gehalten


Gültig nur bei


korrekter Zustellung


HAUPTSTADTEREIGNISSE


What’s the story morning glory


Businessfrühstück zum Thema „Innovative Mitarbeitergewinnung“


D


er Bundesverband mittelständi-
sche Wirtschaft (BVMW) ist der
größte freiwillig organisierte, bran-
chenübergreifende Unternehmerver-
band in Deutschland. Sein Ziel liegt
in der Etablierung und Pfl ege des Dia-
logs zwischen Politik und Mittelstand.
Heute vertritt der BVMW mittels Ein-

beziehung von rund 30 verschiedenen
Fach- und Branchenverbänden in der
Mittelstandsallianz insgesamt in etwa
900.000 Stimmen. Er fi nanziert sich
ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen
und freiwilligen Leistungen und be-
treibt Büros in allen deutschen Bun-
desländern sowie im Ausland.

Oliver Reinsch, Gründer & Ge-
schäftsführer von jobEconomy
GmbH, einem Anbieter von
Recruiting-Seminaren und der
intuitiven Software Connectoor

Fotos: Michael Wolff

W


er suchet, der fi ndet. In
dieser uralten Binse ist ein
Thema angelegt, das in der Wirt-
schaft heute moderner und für den
nachhaltigen Erfolg bedeutender ist
denn je: die innovative Mitarbeiter-
gewinnung. Um über Theorien, Ide-
en und Praktiken zu dieser Thematik
zu diskutieren, hatte der Tagesspie-
gel gemeinsam mit dem Bundesver-
band mittelständische Wirtschaft
(BVMW) am Dienstag dieser Wo-
che zu einem Businessfrühstück für
Personal und HR-Spezialisten ein-
geladen. Nach einem Impulsvortrag
von Oliver Reinsch, Geschäftsführer

der Online-Personalberatungsfi rma
jobEconomy, konnten die mehr als
100 Gäste des Networking-Events in
den Räumlichkeiten des Verlags bei
einer einstündigen angeregten Po-
diumsdiskussion (Teilnehmer siehe
unten) verfolgen, wie und wo sich
die Wirtschaft in dieser Frage aktu-
ell positioniert und welche Möglich-
keiten zu neuen Wegen offen stehen.
Das Businessfrühstück bildete den
erfolgreichen Auftakt einer Reihe,
die im Verlauf des nächsten Jahres
mit vier weiteren Veranstaltungen
fortgesetzt wird.

Netzwerk für den deutschen Mittelstand


Sie haben Interesse an weiteren Veranstaltungen aus dem Personal- und HR-Bereich? Schicken Sie uns gerne eine E-mail an [email protected]


Ines Dalmer, Head of Human Re-
sources bei 3B Dienstleistung
Deutschland GmbH, zuständig
für Recruiting, Personalauswahl,
-diagnostik und -entwicklung

Udo A. Völke, Vorstandsmitglied
der Raven51 AG und als CMO
verantwortlich für Employer
Branding, Recruiting Services
sowie Marketing & PR

Annekathrin Buhl, selbststän-
dige Employer-Branding-Bera-
terin für den Mittelstand

Dr. Peter Diedrich, Rechtsan-
walt und Notar, stellte die Mit-
telstandsinitiative „Job & Woh-
nung“ des BVMW vor
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