Voller Aschenbe-
cher, volle Gläser,
und die Karten
wieder verteilt:
Willkommen zu „’S
klane Glücksspiel“.
Am Tisch mit billiger Kunststoffplatte
hat auch Spaß, wer kein Zocker ist,
denn der Mann, der sich den schönen
Künstlernamen Voodoo Jürgens hat
einfallen lassen, erzählt wunderbare
Wiener Geschichten von Außensei-
tern und Verlierern, von „2L Eistee“
und einer „Rode Sporttoschn“ – ein
Textblatt liegt bei. Die kleine Band
dazu heißt Ansa Panier (= Festtags-
gewand); mit Akkordeon, Geige und
Orgel spielt sie mal einfühlsam, mal
voller Schwung. Im Regal steht dieses
Album bestens zwischen Wolfgang
Ambros und Wanda. 22222
POP
Vor elf Jahre ertrank
der Jazzpianist
Esbjörn Svensson,
Anführer des Trios
E. S .T. Er hinterließ
ein beachtliches
musikalisches Erbe. Es war, als erzählte
er beim Klavierspielen kleine Geschich-
ten, ausgeschmückt mit wechselnden
Nebensträngen. Die Jazzhörer schätz-
ten seine Virtuosität, die Pophörer
seine Melodik. Alle paar Jahre werden
seitdem Livemitschnitte veröffentlicht;
jetzt ein Auftritt von 2001 in Göteborg,
angeblich eine von Svenssons Lieblings-
aufnahmen. Wer diese CD an einem
Sonntagmorgen auflegt, braucht später
keine Yogastunde mehr zu machen.
Er fühlt sich komplett gelockert und
frisch angespannt. 22222
JAZZ
Es bringt nichts,
nach dem Sinn von
großer Musik zu
fragen. Nach dem
Wieso und Warum.
Der Sinn ist die
Musik selbst. Und so klingt die Musik
des Schauspielers und Pianisten
Jeff Goldblum – nach nichts fragen,
nur zuhören und spüren, wie die Welt
um einen herum einfach, ja, swingt.
Goldblums zweites Album mit dem
Mildred Snitzer Orchestra ist eine
wunderbar leichte, girlandige und
coole Spazierfahrt durch Klassiker
von Irving Berlin, Herbie Hancock und
Joe Henderson, bereichert durch die
Stimmen von Miley Cyrus und Anna
Calvi. Super Songs, um einen Moment
sehr gelassen zu leben. 22222
SWING
FOTO: WIREIMAGE/GETTY IMAGES
nett, die unter dem Pseudonym FKA Twigs
futuristische Musik komponiert, in eine
Krise an Körper und Seele.
„If I walk out the door“, wenn ich jetzt
gehe – mit diesem Abschiedsgedanken be-
ginnt ihr zweites Studioalbum „Magda-
lene“. Darauf rappt und flüstert sie von
ihrem Leid, klingt wie ein liebeskranker
Roboter oder erinnert mit ihrem hellen, vi-
brierenden Sopran an Kate Bush, und man
kommt nicht umhin, die Frage zu stellen:
Ist das noch Pop? Oder schon Kunst und
avantgardistisches Singtheater? Ähnlich
wie ihre Popkollegin Solange Knowles lebt
Barnett in einer Zwischenwelt voller Kos-
tüme und Choreografien, in der Genre-
grenzen genüsslich überschritten werden.
Eine Trennungsplatte, ja, vor allem aber
die Geschichte einer geglückten Heilung.
Matthias Schmidt
H
erzschmerz. Ein Wort, das in die
Tagebücher von Teenagern gehört
oder in die Welt von Rosamunde
Pilcher. Ein Gefühl, das bei Er-
wachsenen gern lapidar abgetan
wird mit Floskeln wie „Ach, wird
schon wieder gut“ oder „Auch andere Müt-
ter haben schöne Töchter und Söhne“.
Dass man den Verlust des Geliebten und
das Ende des Geliebtwerdens auch als At-
tacke erleben kann, als Angriff auf Selbst-
verständnis und Kreativität, musste Tah-
liah Barnett am eigenen Leib erfahren.
Die Engländerin mit spanischen und ja-
maikanischen Wurzeln stand ursprünglich
als Tänzerin im Rampenlicht und trat auf
in Videos von Kylie Minogue und Ed Shee-
ran sowie in Werbespots für Apple und
Nike. So richtig bekannt wurde sie aber aus
einem recht banalen Grund: Sie war fast
drei Jahre lang mit Robert Pattinson liiert,
berühmt für seine Rolle als blasser Vam-
pir Edward in den „Twilight“-Filmen. Die
Trennung von dem Star und eine Opera-
tion an ihrer Gebärmutter stürzten Bar-
Musiktheater:
die Englän-
derin Tahliah
Barnett alias
FKA Twigs, 31
Die Trennung von einem Filmstar hat die Sängerin
FKA Twigs zu wundersamer Musik inspiriert
Liebeskummer lohnt sich
FKA Twigs: „Magdalene“
Eigenwilliger Zukunftspop aus
England 22222
104 7. 1 1. 2 0 19
KULTUR
MUSIK